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4. »Auftakeln!«

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Die Strategie

Die Vorbereitungszeit für diese Reise ist sehr kurz. Alle geschäftlichen und privaten Termine der Reisecrew müssen für die Urlaubswochen neu koordiniert, Aufträge vorzeitig abgeschlossen und übergeben oder Kunden auf eine spätere Abarbeitung vertröstet werden. Die Unmenge dieser anderen Verpflichtungen verhindern eine gründliche und sachliche Einstimmung auf ihre Tour. Die Beiden wissen, dass sie sich am 18. Juli mit Herkules und Madam an der Ostküste Schwedens treffen, dort aufs Schiff aufsteigen und zirka zwei Wochen unterwegs sein werden.


Dennoch sind nötigen Vorbereitungen für die Mitsegler verhältnismäßig unkompliziert. Sie brauchen sich nur um ihre persönlichen Sachen und eventuellen Nachschub von frischem Gemüse oder Brot zu kümmern. Unter diesen Bedingungen sollte für sie das Sachenpacken ein Klacks werden.

Anna hat sich angewöhnt, beim Zusammenstellen der Reiseutensilien, all ihr Gepäck auf einen großen Haufen mitten im Zimmer zu legen, bis sie der Meinung ist, dass sie nichts mehr vergessen hat. Dann erst bekommt ihr Freund das Startzeichen, den Koffer zu packen. Auch bei diesem Unternehmen versucht sie, diese altbewährte Taktik anzuwenden. Ihr »Haufen« wird größer und größer und größer und es fallen ihr immer wieder wichtige Dinge ein, die sie unbedingt auf ihrem Törn benötigen.

Nach einigen Stunden des »Packens« bemerkt Kay ungeduldig: »Prinzessin, was tust du hier? Wir wollen nicht auswandern, sondern zwei Wochen segeln!«

Die Prinzessin zieht die Augenbrauen hoch, streckt sich und klemmt die Haarsträhne hinters Ohr, die schon wieder vor ihren Augen hin und her wippt: »Ach so!?! Vielleicht gefällt es uns ja da, wo wir hinfahren und wir möchten dort bleiben?«

Weiterhin rennt sie aufgelöst von einem Zimmer ins andere und ist lange nicht mit dem Zusammenstellen der Ausrüstung fertig. Trotz seiner berechtigten Zweifel, versucht der Packer die Sachen zu verstauen. Im Handumdrehen sind zwei große Seesäcke und zwei Reisetaschen gefüllt. Kay verkneift sich ein Grinsen, denn der vorbereitete »Haufen« ist nicht kleiner geworden. Mürrisch sieht die Prinzessin ein, dass ihre Strategie geändert werden muss.

Der Stauer nimmt die Feststellung »Alles von vorn. Jetzt aber mit mehr System«, erleichtert zur Kenntnis. Und der Aufforderung: »Kay, stellst du bitte die Packliste für die Angaben: zwei Personen und zwei Wochen segeln zusammen?«, kommt er allzu gerne nach.

Endlich übernimmt der Partner tatkräftig die Instruktionen: »Segelanzug, Stiefel, Bootsschuhe, Trainingsanzug, Jeans, dicker Pullover, dicke, wasserdichte Jacke, T-Shirts, kurze Hose, Unterwäsche, Strümpfe, warme Hose, Waschzeug und Kosmetiktasche, Handtücher, Badesachen, Badelatschen, Schlafsack, Bettlaken, Kopfkissen, Mütze, Tuch, Segelhemd und das kleine Schwarze beziehungsweise den feinen Anzug.«

Nachhaltig ermahnt er: »Für jede Wetterbedingung die wichtigsten Sachen.«

Dieser zweite Packversuch hat Aussichten auf Erfolg, und scheint zu gelingen. Das einzige Kleidungsstück, um das Anna jetzt kämpft, ist ihr leichtes grünes Sommerkleid aus Seide. Sie liebt dieses Stück, hat den Stoff selbst bemalt und zeigt, zu was für einem kleinen Paket sie dieses Ding zusammenrollen kann: »Schau mal, das passt in jeden Seesack. Es kann möglich sein, dass wir durch eine Stadt bummeln und die Sonne scheint und es warm ist und zu bügeln brauche ich das Kleid auch nicht. Oder wir gehen chic aus ...«

Kay nimmt ihr das Kleid wortlos aus der Hand und stopft es provokativ unsensibel in die Seite des großen Seesacks. Außerdem stellt er die Foto- und Filmausrüstung sowie Zubehör für die Technik, Bücher, Tischstaffelei, Zeichen-und Kartenmaterial für die Anfahrt und die Informationen vom ADAC zusammen.

Die nächste Frage für die Beiden ist, wie kommen sie preisgünstig und schnell an Schwedens Ostküste, in die Umgebung von Stockholm? Nach einigen Recherchen im Internet und beim ADAC ist geklärt, dass sie mit dem, von der Scandlines angebotenen Schweden-Ticket, die Reise beginnen werden. So führt ihre geplante Route mit dem Auto über Rostock, mit der Fähre nach Gedser, von dort vorbei an Kopenhagen nach Helsingör und per Fähre nach Helsingborg und in Schweden, bis zum nicht bekannten Treffpunkt mit der »Brise«. Bei der Fahrt durch Dänemark und Schweden wollen sie sich Zeit lassen und ein wenig vom Land sehen, die Luft Schwedens erschnuppern, um nicht im Stress auf die »Brise« umzusteigen. Aufgrund dieser Überlegungen wird klar, dass sie für die Anreise eine Übernachtung einplanen sollten. Sie beschließen also, sich Verpflegung mitzunehmen, und eine Nacht im Auto zu verbringen.

Sie buchen die Tickets für die Fähren und machen sich mit den Reisebedingungen vertraut. Anna hat im Vorbeigehen einen schwedischen Reiseführer gekauft, den »Baedeker«, wie sie später lernen wird, doch keine Zeit gehabt, das Buch auch nur flüchtig anzuschauen, oder sich mit ihrem Reiseziel zu beschäftigen. Sie tröstet sich mit der Ausrede, dass sie dieses, auf sie zukommende Reiseziel, nicht genau kennt.

Bei den vielen Fragen, die Anna in den kommenden Wochen an die Schiffsführung stellt, wird Madam antworten: »Hör doch endlich auf und schaue selbst in den ‚Baedeker’, der liegt auf dem Kartentisch!« Anna wird sie darauf fragend anschauen: »Was ist denn das? Der ‚Baedeker’?« Und dann wird zweifelndes Gelächter von ihrem Begleiter erschallen: »Seit Jahren hältst du mir lange Vorträge über die Länder, die wir besuchen und hast dieses schlaue Wissen aus Büchern des Baedeker-Verlages und fragst, was der ‚Baedeker’ ist? Geh dich schämen!«

Gut, das hat Anna getan!

Die Akteure vertrauen darauf, eventuell auftretende Probleme intuitiv aus dem Weg zu räumen. Sie glauben von sich, spontan und flexibel zu sein.

Da ihnen Schweden, ein vom »Hören-Sagen« vertrautes Land ist, kann ihrer Meinung nach nichts schief gehen. Einen Tag vor Reisebeginn fahren sie nach Rostock, um von dort den Törn zu beginnen.

Annas Eltern, die das gesamte Arrangement ins Rollen gebracht haben, sind ebenso gespannt und neugierig, wie die beiden angehenden Segeltouristen.

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