230 | Finster schaut’ und begann der helmumflatterte Hektor:Keineswegs gefällt mir, Polydamas, was du geredet!Leicht wohl könntest du sonst ein besseres raten, denn solches!Aber wofern du wirklich in völligem Ernste geredet;Traun dann raubeten dir die Unsterblichen selbst die Besinnung: |
235 | Der du befiehlst, zu vergessen des Donnerers Zeus KronionsRatschluß, welchen er selbst mir zugewinkt und gelobet.Aber du ermahnest, den weitgeflügelten VögelnMehr zu vertraun. Ich achte sie nicht, noch kümmert mich solches,Ob sie rechts hinfliegen, zum Tagesglanz und zur Sonne, |
240 | Oder auch links dorthin, zum nächtlichen Dunkel gewendet.Nein, des erhabenen Zeus’ Ratschluß vertrauen wir lieber,Der die Sterblichen all’ und unsterbliche Götter beherrschet!Ein Wahrzeichen nur gilt: das Vaterland zu erretten!Doch was zitterst denn du vor Kampf und Waffengetümmel? |
245 | Sänken wir anderen auch an den rüstigen Schiffen AchaiasAlle getötet umher; dir droht kein Schrecken des Todes!Denn dir ward kein Herz, ausharrend den Feind und die Feldschlacht!Wo du mir aber dem Kampf dich entziehn wirst, oder der andernEinen vom Krieg abwenden, durch törichte Wort’ ihn verleitend; |
250 | Schnell von meiner Lanze durchbohrt verlierst du das Leben! Dieses gesagt, ging jener voran; ihm folgten die andern Mit graunvollem Geschrei. Der donnerfrohe KronionSendete hoch vom Idagebirg’ unermeßlichen Sturmwind,Der zu den Schiffen den Staub hinwirbelte: daß den Achaiern |
255 | Sank der Mut, doch der Troer und Hektors Ruhm sich erhöhte.Jetzo dem Wink des Gottes, und eigener Stärke vertrauend,Strebten sie durchzubrechen der Danaer mächtige Mauer;Rissen herab die Zinnen der Türm’ und regten die Brustwehr,Und umwühlten mit Hebeln des Baus vorragende Pfeiler, |
260 | Welche zuerst die Achaier gestellt, zur Feste den Türmen:Diese wuchtet’ ihr Stoß, und sie hofften der schütternden MauerEinbruch. Doch nicht wichen die Danaer dort von der Stelle;Sondern mit starrenden Schilden die Brustwehr rings umzäunend,Warfen sie Stein’ und Geschoss’ auf die mauerstürmenden Feinde. |
265 | Aber die Ajas’ beide das Volk auf den Türmen ermahnend, Wandelten ringsumher, und erregten den Mut der Achaier,Den mit freundlicher Red’, und den mit harter BedrohungZüchtigend, welchen sie ganz im Gefecht nachlässig erblickten: Freund’, im Danaervolk wer hervorstrebt, oder wer mitgeht, |
270 | Auch wer dahinten bleibt; denn gar nicht gleich miteinanderSchaffen die Männer im Kampf: nun zeigt für alle sich Arbeit!Auch ihr selber fürwahr erkennet es! Nimmer zurück dennWendet euch gegen die Schiffe, die Drohungen hörend des Trotzers;Sondern voran dringt all’, und ermahnet euch untereinander: |
275 | Ob ja Zeus vergönne, der Donnergott des Olympos,Daß wir, den Streit abwehrend, zur Stadt die Feinde verfolgen! Also schrien sie beid’, und erregten den Kampf der Achaier. Dort, gleichwie Schneeflocken daher in dichtem GestöberFallen am Wintertage, wann Zeus der Herrscher sich aufmacht, |
280 | Über die Menschen zu schnein, der Allmacht Pfeile versendend;Ruhn dann heißt er die Wind’, und schüttet herab, bis er decketRings die Höhn der schroffen Gebirg’, und die zackigen Gipfel,Auch die Gefilde voll Klee, und des Landmanns fruchtbare Saaten;Auch des greulichen Meers Vorstrand’ und Buchten umfliegt Schnee, |
285 | Aber die Wog’ anrauschend verschlinget ihn; alles umher sonstWird von oben umhüllt, wann gedrängt Zeus’ Schauer herabfällt:So dort flog von Heere zu Heer der Steine Gewimmel,Welche die Troer hier, und die Danaer dort auf die TroerSchleuderten; und um die Mauer erscholl rings dumpfes Gepolter. |
290 | Noch nicht hätten die Troer anjetzt und der strahlende Hektor Durchgebrochen die Pfort’ und den mächtigen Riegel der Mauer;Hätte der waltende Zeus nicht seinen Sohn, den Sarpedon,Auf die Argeier gesandt, wie den Leun auf gehörnete Rinder.Vor sich trug er den Schild von gleichgeründeter Wölbung, |
295 | Schöngehämmert aus Erz, den prangenden; welchen der WehrschmiedHämmerte, drinnen gefügt aus häufigen Rinderhäuten,Und um den Rand ringsher mit goldenen Stäben durchzogen:Diesen sich nun vortragend zum Schirm, zween Speere bewegend,Eilt’ er hinan, wie ein Löwe des Bergwalds, welcher des Fleisches |
300 | Lang’ entbehrt, und jetzo, gereizt von der mutigen Seele,Eindringt, Schafe zu würgen, auch selbst in ein dichtes Gehege;Findet er zwar bei ihnen die wachsamen Hirten versammelt,Die mit Hunden und Spießen umher die Schafe behüten,Doch nicht ohne Versuch von dem Stall zu entfliehen gedenkt er; |
305 | Nein, entweder er raubt, wo er einsprang, oder auch selberWird er verletzt im Beginn von rüstiger Hand mit dem Wurfspieß:So dort reizte sein Mut den göttergleichen Sarpedon,Stürmend der Mauer zu nahn, und durchzubrechen die Brustwehr.Schnell zu Glaukos gewandt, Hippolochos’ Sohne, begann er: |
310 | Glaukos, warum doch ehrte man uns so herrlich vor andern Immer an Sitz, an Fleisch, und vollgegossenen Bechern,Heim im Lykierland’, umher wie auf Himmlische blickend?Und was baun wir ein großes Gefild’ am Ufer des Xanthos,Prangend mit Obst und Trauben und weizenbesäeten Äckern? |
315 | Darum gebührt uns jetzt in der Lykier VordergetümmelDazustehn, und hinein in die brennende Schlacht uns zu stürzen;Daß man also im Volk der gepanzerten Lykier sage:Wahrlich nicht unrühmlich beherrschen sie Lykiens Söhne,Unsere Könige hier, mit gemästeten Schafen sich nährend, |
320 | Und herzstärkendem Wein, dem erlesenen; sondern ihr Mut istGroß, denn sie kämpfen den Kampf in der Lykier Vordergetümmel!Trautester, könnten wir ja, durch dieses Kampfes Vermeidung,Immerdar fortblühen, unsterblich beid’ und unalternd;Weder ich selbst darin stellte mich unter die vordersten Kämpfer, |
325 | Noch ermuntert’ ich dich zur männerehrenden Feldschlacht.Aber da gleichwohl drohn unzählbare Schrecken des TodesRings, und keiner entflieht der Sterblichen, noch sie vermeidet;Auf! daß wir anderer Ruhm verherrlichen, oder den unsern! Jener sprach’s; nicht träge war Glaukos darob, noch entzog sich. |
330 | Gradan drangen sie beide, die Schar der Lykier führend. Doch sie ersah aufschauernd des Peteos’ Sohn Menestheus; Denn ihm nahten zum Turm sie daher, mit Verderben gerüstet.Rings umspäht’ er den Turm, ob der Danaerfürsten er einenSchauete, welcher die Not abwendete seinen Genossen. |
335 | Jetzo sah er die Ajas, sie beide des Kampfs unersättlich,Dastehn, auch den Teukros, der jüngst vom Gezelte zurückkam,Nahe sich; doch nicht konnt’ er mit vollem Ruf sie erreichen,Durch das Getöse der Schlacht: es erscholl zum Himmel der Aufruhr,Weil die getroffenen Schild’ und umflatterten Helm’, und die Tore |
340 | Donnerten; denn sie all’ umdrängte man; und die davor nunStehenden strebten mit Macht sich durchzubrechen den Eingang.Schnell zu Ajas dahin entsandt’ er Thootes den Herold: Laufe mir, edler Thootes, in Eil’, und rufe den Ajas; Lieber sie beide zugleich: denn weit das beste von allem |
345 | Wär’ es, dieweil hier bald ein gräßliches Morden bevorsteht!Denn hart drängen die Fürsten der Lykier, welche von jeherUngestüm anrennen in schreckenvoller Entscheidung!Aber wofern auch dort die Kriegsarbeit sie beschäftigt;Komme doch Ajas allein, des Telamons tapferer Sprößling, |
350 | Und ihm gesellt sei Teukros der Held, wohlkundig des Bogens! Jener sprach’s; nicht träge vernahm die Worte der Herold, Sondern enteilt’ an der Mauer der erzumschirmten Achaier,Stand den mutigen Ajas genaht, und redete also: Ajas beid’, Heerführer der erzumschirmten Achaier, |
355 | Euch ermahnt des Peteos’ Sohn, der edle Menestheus,Dort der Kriegsgewalt ein weniges nur zu begegnen;Lieber ihr beide zugleich: denn weit das beste von allemWär’ es, dieweil dort bald ein gräßliches Morden bevorsteht!Denn hart drängen die Fürsten der Lykier, welche von jeher |
360 | Ungestüm anrennen in schreckenvoller Entscheidung!Aber wofern auch hier die Kriegsarbeit euch beschäftigt;Komme doch Ajas allein, des Telamons tapferer Sprößling,Und ihm gesellt sei Teukros der Held, wohlkundig des Bogens! Sprach’s; und willig gehorchte der Telamonier Ajas. |
365 | Schnell zu Oïleus Sohn die geflügelten Worte begann er: Ajas, ihr beid’ allhier, du selbst und der Held Lykomedes, Stehet fest, und ermahnt die Danaer, tapfer zu streiten,Aber ich selber gehe, der Arbeit dort zu begegnen;Schnell dann eil’ ich zurück, nachdem ich jene verteidigt. |
370 | Also sprach und enteilte der Telamonier Ajas; Und ihm gesellt ging Teukros, sein leiblicher Bruder vom Vater;Auch Pandion zugleich trug Teukros’ krummes Geschoß nach.Als sie dem Turm itzt nahten des hochgesinnten Menestheus,Drinnen die Mauer entlang, zu Bedrängeten nahten sie wahrlich. |
375 | Dort an die Brustwehr klommen, dem düsteren Sturme vergleichbar,Jene, des Lykiervolks erhabene Fürsten und Pfleger;Tobend begann nun nahes Gefecht, und es hallte der Schlachtruf. Ajas der Heldensohn des Telamon streckte zuerst nun Einen Freund des Sarpedon, den hochbeherzten Epikles, |
380 | Mit scharfzackigem Marmor gefällt, der drinnen der MauerGroß an der Brustwehr lag, der oberste. Schwerlich vielleicht wohlTrüg’ ihn mit beiden Händen ein Mann, auch in blühender Jugend,Wie nun Sterbliche sind; doch er schleuderte, hoch ihn erhebend,Brach ihm des Helms viergipflichtes Erz, und zerknirschte zugleich ihm |
385 | Alle Gebeine des Haupts; und schnell, wie ein Taucher von Ansehn,Schoß er vom ragenden Turm, und der Geist verließ die Gebeine.Teukros traf den Glaukos, Hippolochos’ edlen Erzeugten,Mit dem Geschoß, da stürmend der Mauer Höh’ er hinanstieg,Wo er ihn sah entblößen den Arm, und hemmte die Streitlust. |
390 | Schnell von der Mauer entsprang er geheim, daß nicht ein Achaier,Wenn er die Wund’ erblickte, mit stolzer Red’ ihn verhöhnte.Schmerz durchdrang dem Sarpedon die Brust, als Glaukos hinwegging,Gleich nachdem er es merkte; doch nicht vergaß er des Kampfes;Sondern er traf Alkmaon, des Thestors Sohn, mit der Lanze |
395 | Stoß, und entriß ihm den Schaft; da taumelt’ er, folgend der Lanze,Vorwärts, und ihn umklirrte das Erz der prangenden Rüstung.Doch Sarpedon mit großer Gewalt anfassend die BrustwehrZog, und umher nachfolgend entstürzte sie; aber von obenWard die Mauer entblößt, und öffnete vielen den Zugang. |
400 | Ajas sofort und Teukros begegneten: der mit dem Pfeile Traf ihm das Riemengehenk, das hell um den Busen ihm strahlte,Am ringsdeckenden Schild’; allein Zeus wehrte dem SchicksalSeines Sohns, daß nicht bei den äußersten Schiffen er hinsank.Ajas stach nun den Schild anlaufend ihm; aber hindurch drang |
405 | Schmetternd die eherne Lanz’, und erschütterte jenen im Angriff.Weg von der Brustwehr zuckt’ er ein weniges; doch nicht gänzlichWich er, dieweil sein Herz noch erwartete Ruhm zu gewinnen.Laut ermahnt’ er gewandt der Lykier göttliche Heerschar: Lykier, o wie vergesset ihr doch des stürmenden Mutes? |
410 | Schwer ja ist’s mir allein, und wär’ ich der tapferste Streiter,Durchzubrechen die Mauer, und Bahn zu den Schiffen zu öffnen!Auf denn, zugleich mir gefolgt! denn mehrerer Arbeit ist besser! Jener sprach’s; und geschreckt von des Königes scheltendem Zuruf, Rannten sie heftiger an, gedrängt um den wartenden König. |
415 | Argos’ Söhn’ auch drüben verstärkten die Macht der Geschwader,Innerhalb der Mauer; und fürchterlich drohte die Arbeit.Denn es vermochten weder der Lykier tapfere Streiter,Durchzubrechen die Mauer, und Bahn zu den Schiffen zu öffnen;Noch vermochten die Helden der Danaer, Lykiens Söhne |
420 | Weg von der Mauer zu drängen, nachdem sie sich einmal genahet.Sondern wie zween Landmänner die Grenz’ einander bestreiten;Jeder ein Maß in der Hand, auf gemeinsamer Scheide des Feldes,Stehn sie auf wenigem Raum, und zanken sich wegen der Gleichung:Also trennt’ auch jene die Brustwehr; über ihr kämpfend |
425 | Haueten wild sie einander umher an den Busen die StierhautSchöngeründeter Schild’ und leichtgeschwungener Tartschen.Viel auch wurden am Leib vom grausamen Erze verwundet:Einige, wann sich wendend im Streit sie den Rücken entblößtenDurch das Gewühl, und manche sogar durch die Schilde von Stierhaut. |
430 | Überall von Türmen und Brustwehr rieselte rotesBlut, an jeglicher Seite, der Troer und der Achaier.Doch nicht schafften sie Flucht der Danaer; sondern sie standenGleich: wie die Waage steht, wenn ein Weib, lohnspinnend und redlich,Abwägt Woll’ und Gewicht, und die Schalen beid’ in gerader |
435 | Schwebung hält, für die Kinder den ärmlichen Lohn zu gewinnen:Also stand gleichschwebend die Schlacht der kämpfenden Völker;Bis nunmehr Zeus höheren Ruhm dem Hektor gewährte,Priamos’ Sohn, der zuerst hinstürmt’ in der Danaer Mauer.Laut erscholl sein durchdringender Ruf in die Scharen der Troer: |
440 | Auf, ihr reisigen Troer, hinan! durchbreche der Argeier Mauer, und werft in die Schiffe die schreckliche Flamme des Feuers! Also ermahnte der Held; und aller Ohren vernahmens. Gradan drang zu der Mauer die Heerschar; jene begierigKlommen empor die Zinnen, geschärfte Speer’ in den Händen. |
445 | Hektor nun trug aufraffend den Feldstein, welcher am Tore Dastand, draußen gestellt, von unten dick, und von obenZugespitzt; ihn hätten nicht zween der tapfersten MännerLeicht zum Wagen hinauf vom Boden gewälzt mit Hebeln,Wie nun Sterbliche sind; doch er schwang ihn allein und behende; |
450 | Denn ihm erleichterte solchen der Sohn des verborgenen Kronos.Wie wenn ein Schäfer behend’ hinträgt die Wolle des Widders,Fassend in einer Hand, und wenig die Last ihn beschweret:Also erhob auch Hektor und trug den Stein zu den Bohlen,Welche das Tor verschlossen mit dicht einfugender Pforte, |
455 | Zweigeflügelt und hoch; und zween sich begegnende RiegelHielten sie innerhalb, mit einem Bolzen befestigt.Nah itzt trat er hinan, und warf gestemmt auf die Mitte,Weit gespreizt, daß nicht ein schwächerer Wurf ihm entflöge.Schmetternd zerbrach er die Angeln umher, und es stürzte der Marmor |
460 | Schwer hinein; dumpf krachte das Tor; auch die mächtigen RiegelHielten ihm nicht, und die Bohlen zerspalteten hiehin und dorthin,Unter des Steines Gewalt; und es sprang der erhabene HektorFurchtbar hinein, wie das Grauen der Nacht: er strahlt’ in des ErzesSchrecklichem Glanz, der ihn hüllt’, und zwo hellblinkende Lanzen |
465 | Schüttelt’ er. Schwerlich hätt’ ein Begegnender jetzt ihn gehemmet,Außer ein Gott, da er sprang in das Tor, wutfunkelndes Blickes.Laut ermahnt’ er die Troer umhergewandt im Getümmel,Über die Mauer zu steigen; und schnell ihm gehorchten die Völker:Andere drangen zur Mauer und kletterten, andere strömten |
470 | Durch die gezimmerte Pforte hinein. Doch es flohn die AchaierZu den geräumigen Schiffen; es tobt’ unermeßlicher Aufruhr. |