| Here stand nun schauend, die goldenthronende Göttin,Hoch vom Gipfel herab des Olympos; und sie erkannte |
155 | Schnell den Schaltenden dort in der männerehrenden Feldschlacht,Ihren leiblichen Bruder und Schwager, freudiges Herzens.Ihn alsdann auf der Höhe des quellenströmenden IdaSahe sie sitzen, den Zeus, und zürnt’ ihm tief in der Seele.Jetzo sann sie umher, die hoheitblickende Here, |
160 | Wie sie täuschte den Sinn des ägiserschütternden Gottes.Dieser Gedank’ erschien der Zweifelnden endlich der beste:Hinzugehn auf Ida, geschmückt mit lieblichem Schmucke;Ob er vielleicht begehrte, von Lieb’ entbrannt zu umarmenIhren Reiz, und sie ihm einschläfernde sanfte Betäubung |
165 | Gießen möcht’ auf die Augen, und seine waltende Seele.Und sie enteilt’ ins Gemach; das ihr Sohn, der kluge Hephästos,Ihr gebaut, und die künstliche Pfort’ an die Pfosten gefügetMit verborgenem Schloß, das kein anderer Gott noch geöffnet.Dort ging jene hinein, und verschloß die glänzenden Flügel. |
170 | Jetzt entwusch sie zuerst mit Ambrosia jede BefleckungIhrem reizenden Wuchs, und salbt’ ihn mit lauterem Öle,Fein und ambrosischer Kraft, von würzigem Dufte durchbalsamt;Welches auch, kaum nur bewegt im ehernen Hause Kronions,Erde sogleich und Himmel mit Wohlgerüchen umhauchte: |
175 | Hiermit salbte sie rings die schöne Gestalt; auch das HaupthaarKämmt’ und ordnete sie, und ringelte glänzende Locken,Schön und ambrosiaduftend, herab von der göttlichen Scheitel;Hüllte sich drauf ins Gewand, das ambrosische, so ihr AtheneZart und künstlich gewirkt, und reich an Wundergebilde; |
180 | Dann mit goldenen Spangen verband sie es über dem Busen;Schlang dann umher den Gürtel, mit hundert Quästen umbordet.Jetzo fügte sie auch die schönen Gehäng’ in die Ohren,Dreigestirnt, hellspielend; und Anmut leuchtete ringsum.Auch ein Schleier umhüllte das Haupt der erhobenen Göttin, |
185 | Lieblich und neu vollendet; er schimmerte, hell wie die Sonne;Unter die glänzenden Füß’ auch band sie sich stattliche Sohlen.Als sie nunmehr vollkommen den Schmuck der Glieder geordnet,Eilte sie aus dem Gemach, und rief hervor Aphrodite,Von den anderen Göttern entfernt, dann freundlich begann sie: |
190 | Möchtest du jetzt mir gehorchen, mein Töchterchen, was ich begehre; Oder vielleicht es versagen, mir darum zürnend im Herzen,Weil ich selbst die Achaier, und du die Troer beschützest? Ihr antwortete drauf die Tochter Zeus’ Aphrodite: Here, gefeierte Göttin, erzeugt vom gewaltigen Kronos, |
195 | Rede, was du verlangst; mein Herz gebeut mir Gewährung,Kann ich es nur gewähren, und ist es selber gewährbar. Listenreich antwortete drauf die Herrscherin Here: Gib mir den Zauber der Lieb’ und Sehnsucht, welcher dir alleHerzen der Götter bezähmt, und sterblicher Erdebewohner. |
200 | Denn ich geh’ an die Grenzen der nahrungsprossenden Erde,Daß ich den Vater Okeanos schau’, und Thetys die Mutter:Welche beid’ im Palaste mich wohl gepflegt und erzogen,Ihnen von Rheia gebracht, da der waltende Zeus den KronosUnter die Erde verstieß und die Flut des verödeten Meeres. |
205 | Diese geh’ ich zu schaun, und den heftigen Zwist zu vergleichen.Denn schon lange Zeit vermeiden sie einer des andernHochzeitbett und Umarmung, getrennt durch bittere Feindschaft.Könnt’ ich jenen das Herz durch freundliche Worte bewegen,Wieder zu nahn dem Lager, gesellt zu Lieb’ und Umarmung; |
210 | Stets dann würd’ ich die teure geehrteste Freundin genennet. Ihr antwortete drauf die hold anlächelnde Kypris: Nie wär’s recht, noch geziemt es, dir jenes Wort zu verweigern;Denn du ruhst in den Armen des hocherhabnen Kronion. Sprach’s, und löste vom Busen den wunderköstlichen Gürtel, |
215 | Buntgestickt: dort waren des Zaubers Reize versammelt;Dort war schmachtende Lieb’ und Sehnsucht, dort das Getändel,Und die schmeichelnde Bitte, die selbst den Weisen betöret.Den nun reichte sie jener, und redete, also beginnend: Da, verbirg’ in dem Busen den bunt durchschimmerten Gürtel, |
220 | Wo ich des Zaubers Reize versammelte. Wahrlich du kehrst nichtSonder Erfolg von dannen, was dir dein Herz auch begehret. Sprach’s; da lächelte sanft die hoheitblickende Here; Lächelnd drauf verbarg sie den Zaubergürtel im Busen.Jene nun ging in den Saal, die Tochter Zeus’ Aphrodite. |
225 | Here voll Ungestüms entschwang sich den Höhn des Olympos,Trat auf Pieria dann, und Emathiens liebliche Felder,Stürmete dann zu den schneeigen Höhn gaultummelnder Thraker,Über die äußersten Gipfel, und nie die Erde berührend;Schwebete dann vom Athos herab auf die Wogen des Meeres; |
230 | Lemnos erreichte sie dann, die Stadt des göttlichen Thoas.Dort nun fand sie den Schlaf, den leiblichen Bruder des Todes,Faßt’ ihm freundlich die Hand, und redete, also beginnend: Mächtiger Schlaf, der Menschen und ewigen Götter Beherrscher, Wenn du je mir ein Wort vollendetest, o so gehorch’ auch |
235 | Jetzo mir; ich werde dir Dank es wissen auf immer.Schnell die leuchtenden Augen Kronions unter den WimpernSchläfre mir ein, nachdem uns gesellt hat Lieb’ und Umarmung.Deiner harrt ein Geschenk, ein schöner unalternder Sessel,Strahlend von Gold: ihn soll mein hinkender Sohn Hephästos |
240 | Dir bereiten mit Kunst, und ein Schemel sei unter den Füßen;Daß du behaglich am Mahl die glänzenden Füße dir ausruhst. Und der erquickende Schlaf antwortete, solches erwidernd: Here, gefeierte Göttin, erzeugt vorn gewaltigen Kronos,Jeden anderen leicht der ewigwährenden Götter |
245 | Schläfert’ ich ein, ja selbst des Okeanos wallende Fluten,Jenes Stroms, der allen Geburt verliehn und Erzeugung.Nur nicht Zeus Kronion, dem Donnerer, wag’ ich zu nahen,Oder ihn einzuschläfern, wo nicht er selbst es gebietet.Einst schon witzigten mich, o Königin, deine Befehle, |
250 | Jenes Tags, da Zeus’ hochherziger Sohn HeraklesHeim von Ilios fuhr, die Stadt in Trümmern verlassend.Denn ich betäubte den Sinn des ägiserschütternden Gottes,Sanft umhergeschmiegt; du aber ersannst ihm ein Unheil,Über das Meer aufstürmend die Wut lautbrausender Winde, |
255 | Und verschlugst ihn darauf in Kos’ bevölkertes Eiland,Weit von den Freunden entfernt. Allein der Erwachende zürnte,Schleudernd umher die Götter im Saal; mich aber vor allenSucht’ er, und hätt’ austilgend vom Äther ins Meer mich gestürzet;Nur die Nacht, die Bändigerin der Götter und Menschen |
260 | Nahm mich Fliehenden auf: da ruhete, wie er auch tobte,Zeus, und scheute sich, die schnelle Nacht zu betrüben.Und nun treibst du mich wieder, ein heillos Werk zu beginnen! Ihm antwortete drauf die hoheitblickende Here: Schlaf, warum doch solches in deiner Seele gedenkst du? |
265 | Meinst du vielleicht, die Troer verteidige so der Kronide,Wie um Herakles vor Zorn, um seinen Sohn, er entbrannt war?Aber komm; ich will auch der jüngeren Grazien eineDir zu umarmen verleihn, daß dir sie EhegenossinHeiße, Pasithea selbst, nach welcher du stets dich gesehnet. |
270 | Jene sprach’s; und der Schlaf antwortete freudiges Herzens: Nun wohlan, beschwör’ es bei Styx’ wehdrohenden Wassern,Rührend mit einer Hand die nahrungsprossende Erde,Und mit der andern das schimmernde Meer; daß alle sie uns nunZeugen sein, die um Kronos versammelten unteren Götter: |
275 | Ganz gewiß mir verleihn der jüngeren Grazien eineWillst du, Pasithea selbst, nach welcher ich stets mich gesehnet. Sprach’s; und willig gehorchte die lilienarmige Here, Schwur, wie jener begehrt, und rief mit Namen die GötterAll’ im Tartaros unten, die man Titanen benennet. |
280 | Aber nachdem sie gelobt, und ausgesprochen den Eidschwur;Eilten sie, Lemnos Stadt und Imbros beide verlassend,Eingehüllt in Nebel, mit leicht hinschwebenden Füßen.Ida erreichten sie nun, den quelligen Nährer des Wildes,Lekton, wo erst dem Meer sie entschwebeten; dann auf der Feste |
285 | Wandelten beid’; es erbebten vom Gang die Wipfel des Waldes.Dort nun weilte der Schlaf, bevor Zeus’ Augen ihn sahen,Hoch auf die Tanne gesetzt, die erhabene, welche des IdasHöchste nunmehr durch trübes Gedüft zum Äther emporstieg:Dort saß jener umhüllt von stachelvollem Gezweige, |
290 | Gleich dem tönenden Vogel, der nachts die Gebirge durchflattert,Chalkis genannt von Göttern, und Nachtrab’ unter den Menschen. Here mit hurtigem Schritt erstieg des Gargaros Gipfel, Idas Höh’; und sie sahe der Herrscher im Donnergewölk Zeus.So wie er sah, so umhüllt’ Inbrunst sein waltendes Herz ihm, |
295 | Jener gleich, da zuerst sich beide gesellt zur Umarmung,Nahend dem bräutlichen Lager, geheim von den liebenden Eltern.Und er trat ihr entgegen, und redete, also beginnend: Here, wohin verlangst du, da hier vom Olympos du herkommst? Auch nicht hast du die Ross’ und ein schnelles Geschirr zu besteigen. |
300 | Listenreich antwortete drauf die Herrscherin Here: Zeus, ich geh’ an die Grenzen der nahrungsprossenden Erde,Daß ich den Vater Okeanos schau’, und Thetys die Mutter,Welche beid’ im Palaste mich wohl gepflegt und erzogen;Diese geh’ ich zu schaun, und den heftigen Zwist zu vergleichen. |
305 | Denn schon lange Zeit vermeiden sie einer des andernHochzeitbett und Umarmung, getrennt durch bittere Feindschaft.Aber die Ross’, am untersten Fuß des quelligen IdaStehen sie, mich zu tragen durch festes Land und Gewässer.Deinethalb nun bin ich hieher vom Olympos gekommen, |
310 | Daß nicht etwa dein Herz mir eiferte, wandert’ ich heimlichZu des Okeanos Burg, des tiefhinströmenden Herrschers. Ihr antwortete drauf der Herrscher im Donnergewölk Zeus: Here, dorthin magst du nachher auch enden die Reise.Komm, wir wollen in Lieb’ uns vereinigen, sanft gelagert. |
315 | Denn so sehr hat keine der Göttinnen oder der WeiberJe mein Herz im Busen mit mächtiger Glut mir bewältigt:Weder, als ich entflammt von Ixions EhegenossinEinst den Peirithoos zeugt’, an Rat den Unsterblichen ähnlich;Noch da ich Danae liebt’, Akrisios’ reizende Tochter, |
320 | Welche den Perseus gebar, den herrlichsten Kämpfer der Vorzeit;Noch auch Phönix’ Tochter, des ferngepriesenen Königs,Welche mir Minos gebar, und den göttlichen Held Rhadamanthys;Noch da ich Semele liebt’, auch nicht Alkmene von Thebe,Welche mir Mutter ward des hochgesinnten Herakles; |
325 | Jene gebar die Freude des Menschengeschlechts Dionysos;Noch da ich einst die erhabne, die schöngelockte Demeter,Oder die herrliche Leto umarmete, oder dich selber:Als ich anjetzt dir glühe, durchbebt von süßem Verlangen! |