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Durch eine schmale Hintertür gelangte O’Kelly in einen dunklen Hof und von da aus auf die Straße. Er wollte bereits seines Weges gehen, als ihm ein Mann in einem Torbogen des gegenüberliegenden Hauses auffiel, der sichtlich bemüht schien, verborgen zu bleiben. Den Hut hatte er tief ins Gesicht gerückt und den Kragen des Überziehers hoch aufgeschlagen. Unablässig spähte er nach den hellerleuchteten Fenstern von Larsens Wohnung. Augenscheinlich hatte er O’Kelly gesehen, denn jetzt verschwand er plötzlich im Torbogen.

Sekundenlang überlegte der Inspektor. Sollte das vielleicht gar der Mann sein, der sich Karo König nannte? Lauerte er ihm etwa hier auf? Unglaublich plump, aber schließlich nicht ganz unmöglich.

In plötzlichem Entschluß zog der Detektiv seinen Revolver aus der Tasche, entsicherte die Waffe und schlich sich leise über die Straße. Vor dem Torbogen machte er halt. Dann ein Riesensprung, und er befand sich neben der dunklen Gestalt.

„Wer sind Sie? Was treiben Sie hier?“ herrschte er den Fremden an.

Dieser hatte sich in den äußersten Winkel des Tores gepreßt. Auf des Inspektors energischen Anruf wandte er sich langsam um.

O’Kelly lachte plötzlich laut auf.

„Um Gotteswillen, Taube, was fällt denn Ihnen ein?!“

Es war tatächlich der Wachtmeister Taube. Er schien gekränkt.

„Da gibt es nichts zu lachen,“ sagte er würdevoll. „Ich wollte nur ein wenig nach dem Rechten sehen. Ich dachte, der Karo König würde Sie vielleicht totschlagen.“

„Ich bin gerührt,“ erklärte O’Kelly begeistert. „Solcher Treue und Anhänglichkeit bin ich nicht wert.“

„Unsinn! Treue und Anhänglichkeit!“ rief Taube ärgerlich. Er konnte sehr grob werden, wenn man seinen Handlungen allzu edle Motive unterschob. „Ich wollte mir nur Ihren Totschlag aus nächster Nähe mit ansehen, das ist alles.“

„Ach so! Das wäre natürlich sehr spannend gewesen,“ pflichtete O’Kelly bei. „Nun sind Sie aber doch nicht auf Ihre Rechnung gekommen!“

„Nein, es war ein großer Reinfall. Ich bildete mir ein, es wäre diesem Karo König ernst mit seiner Drohung. Anscheinend war der Brief aber doch nur Mumpitz.“

„Nein, Taube, er war nicht Mumpitz.“ O’Kelly war plötzlich wieder ernst geworden. „Da steckt schon etwas dahinter. Aber kommen Sie und begleiten Sie mich ein Stückchen.“ In knappen Worten schilderte er die Ereignisse der letzten Stunden.

„Alles in allem“, schloß er seinen Bericht, „ergibt sich für mich zunächst die Notwendigkeit, festzustellen, wer der Karo König eigentlich ist. Ich meine, was für eine Rolle in der Kriminalgeschichte er bis jetzt gespielt hat. Ich werde mal morgen in unserer Kartothek nachschlagen.“

„Das wird Ihnen wenig nützen,“ sagte Taube bedächtig. „Ich habe nämlich heute abend schon nachgesehen.“

„Sie sind ein Juwel! Nun und? Was fanden Sie dort?“

„Nichts! Nicht das Geringste. Er kann unmöglich ein großes Licht sein.“

„Das ist seltsam,“ murmelte O’Kelly.

„Wissen Sie was,“ rief Taube plötzlich lebhaft. „Gehen Sie doch zu dem Kriminologen Dr. Raymond. Er ist eine Kapazität auf dem Gebiet des Erkennungswesens. Seine private Verbrecherkartothek ist, was die letzten Jahrzehnte betrifft, in mancher Beziehung reichhaltiger und ausführlicher als unsere amtliche. Auf Grund seiner hervorragenden Fachkenntnisse wurde ihm wiederholt nahegelegt, seine Amateurarbeit mit einer leitenden Position im Kriminalamt zu vertauschen, aber er …“

O’Kelly lächelte vergnügt.

„Fügen Sie nur noch hinzu,“ unterbrach er den Wachtmeister, „daß Dr. Raymond ein sehr guter Bekannter eines gewissen Inspektors Mac O’Kelly ist, und Sie die beiden schon oft bei lebhafter Unterhaltung beobachten konnten. Übrigens,“ fuhr er fort, „ist der Gedanke, Dr. Raymond aufzusuchen, gar nicht so übel. Das machen wir!“

Sie waren inzwischen bei O’Kellys Wohnung angelangt. Mit kurzem Gruß begab sich Taube auf den Heimweg, während O’Kelly sinnend den Hausflur betrat und dann noch etwa 20 Minuten lang nachdenklich in seinem Zimmer hin- und herlief.

Am anderen Morgen war sein erster Gedanke wieder der mysteriöse Fall „Karo König“. Sogleich nach dem Frühstück machte er sich auf den Weg zu Dr. Raymond. Er verzichtete auf die Trambahn und ging zu Fuß. So mochte er etwa die Hälfte des Weges bereits zurückgelegt haben, als eine merkwürdige Gestalt seine Aufmerksamkeit auf sich lenkte.

Ein alter Mann, mit Lumpen bekleidet, unrasiert und das spärliche rötlich-gelbe Haar vom Wind und Wetter zerzaust, schlingerte langsam vor ihm auf dem Gehsteig hin und her. Er mußte eine ungeheure Menge Alkohol verkonsumiert haben, denn jedesmal, wenn er bei seinem pendelartigen Vorwärtsschreiten den Rand des Trottoirs erreichte, blieb er notgedrungen stehen und fuchtelte eine Weile windmühlenartig mit den Armen herum, bis es ihm gelang, durch einen kühnen seitlichen Vorstoß wieder in das angestrebte Geleis zu kommen. Ab und zu blieb der eine oder andere Straßenpassant kopfschüttelnd stehen und verfolgte eine Weile mit schadenfrohem Lächeln die akrobatischen Leistungen des Alten; die meisten beachteten ihn aber gar nicht und gingen ruhig ihres Weges.

Auch O’Kelly hätte ihn kaum weiter beachtet, obwohl es sogar für Groß-Berlin ein nicht ganz alltägliches Bild war. Doch war ihm ein sonderbarer Umstand aufgefallen; und wenn O’Kelly etwas auffiel, ließ er nicht eher locker, als bis er wußte, woran er war. Dieser betrunkene Alte bewegte sich nämlich trotz seines schwankenden Schrittes ziemlich rasch vorwärts. O’Kelly überlegte, daß er im Leben noch keinem schwer Angetrunkenen begegnet war, der es eilig gehabt hätte.

Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen. Der Alte war stehen geblieben, und als O’Kelly an ihm vorbeiging, packte er ihn plötzlich bei den Rockaufschlägen.

„Tag, Herr … Herr …,“ brüllte er mit versoffener Stimme.

Der Inspektor wollte sich unwillig losreißen, doch der andere hielt ihn mit ungeahnter Kraft fest.

„O’Kelly,“ flüsterte er heiser. „Uns gegenüber verabschieden sich gerade zwei Männer. Dem, der nach rechts geht, folgen Sie unbemerkt. Kapiert?“ Als O’Kelly ihn noch immer mit verständnislosen Blicken anstarrte, fügte er zischend hinzu: „Idiot! Ich bin doch Link.“

Kaum hatte er diese Worte hervorgestoßen, als er eine scharfe Wendung nach links machte, und in seinem schwankenden Schritt, ohne im geringsten auf die Trambahnen oder Autos zu achten, die Straße zu überqueren begann.

Jetzt hatte O’Kelly begriffen. Er sah zwei einfach gekleidete Männer sich von einander trennen. Der eine nahm seinen Weg nach links, parallel dem angeblich Betrunkenen; der andere schritt rüstig in der entgegengesetzten Richtung aus. Unauffällig folgte O’Kelly diesem.

Etwa eine halbe Stunde lang ging die Verfolgung ohne sonderliche Schwierigkeiten vonstatten. Der Weg führte durch lauter belebte Straßen; auch schien der Verfolgte sich sehr sicher zu fühlen, denn er sah sich kein einziges Mal um. Dann aber kamen sie in eine entlegenere Gegend und hier bedurfte es der ganzen Geschicklichkeit des Detektivs, um dem Manne ungesehen zu folgen.

Vor den Ruinen eines abgebrochenen Hauses machte der Mann plötzlich halt, und O’Kelly hatte gerade noch Zeit, mit einem raschen Sprung im ersten besten Hauseingang zu verschwinden. Wie er richtig vermutet hatte, sah sich der Verfolgte jetzt vorsichtig nach allen Seiten um. Weit und breit war kein Mensch zu sehen.

Durch einen schmalen Türspalt konnte O’Kelly seinen Mann genau beobachten. Jener stand unschlüssig da und schien zu überlegen. Dann aber machte er einige rasche Schritte und verschwand zwischen den Überresten des Häuserblocks.

O’Kelly wartete. Er traute sich nicht vor, weil ihn der andere sonst gesehen hätte. Dieses aber wollte er unter allen Umständen vermeiden. Sicherlich würde der Mann auch bald wieder zum Vorschein kommen.

Viertelstunde um Viertelstunde verrann, doch nichts rührte sich und der junge Kriminalbeamte wurde allmählich ungeduldig. Endlich entschloß er sich, nicht länger zu warten und näherte sich vorsichtig dem zerfallenen Haus. Genau an derselben Stelle, wo er den Mann hatte verschwinden sehen, kletterte er über eine etwa meterhohe Mauer und befand sich nun inmitten eines häßlichen, unordentlichen und schmutzigen Steinhaufens. Viel mehr war von dem abgebrochenen Hause nicht übriggeblieben.

O’Kelly blickte suchend umher. Er konnte den ganzen Platz übersehen, auf dem ehemals ein Haus gestanden hatte; doch nirgends gewahrte er den Verfolgten. Mißmutig und verärgert wollte er bereits den Schauplatz seiner Niederlage verlassen, als er plötzlich bemerkte, wie sich eine mächtige Steinplatte zu seinen Füßen bewegte.

Wie der Blitz war der Detektiv zur Seite gesprungen und hatte sich platt auf den Boden geworfen. Vor ihm befand sich ein kleiner Hügel aus Schutt und Ziegelsteinen, der gerade ausreichte, um ihm Deckung zu gewähren. Durch die Lücken zwischen den einzelnen Ziegeln konnte er die verdächtige Steinplatte im Auge behalten. Gespannt harrte er des Kommenden.

Die Steinplatte hob sich ruckweise immer höher und höher. Jetzt wurde ein Kopf sichtbar, ein Arm streckte sich vor. Im nächsten Augenblick hatte sich ein Mann mit dem Oberkörper hindurchgezwängt und kletterte dann gewandt vollends heraus. O’Kelly erkannte in ihm sofort den Verfolgten wieder.

Eine Zeitlang stand er dicht neben dem Versteck des Kriminalbeamten und säuberte seine etwas staubigen Kleider. Dann spähte er vorsichtig über die Umfassungsmauer, schwang sich geschickt darüber hinweg und trabte gemächlich davon.

O’Kelly dachte nicht mehr an Verfolgung, denn die mysteriöse Steinplatte erschien ihm augenblicklich viel wichtiger und interessanter. Einige Minuten verharrte er noch in seiner unbequemen Lage, dann machte er sich an die Untersuchung der Platte. Seine Vermutung, daß diese durch einen besonderen Mechanismus in Bewegung gesetzt wurde, stimmte nicht. Mit einem gewissen Kraftaufwand gelang es ihm leicht, den Stein zu heben und in die darunter befindliche Öffnung zu kriechen. Die Platte glitt hinter ihm sogleich wieder an ihren alten Platz.

O’Kelly stand nun in vollkommener Finsternis auf weichem, schlüpfrigem Boden. Mit Hilfe seiner Taschenlaterne stellte er fest, daß er sich in einem engen, kaum mannshohen, unterirdischen Gang befand, der zweifelsohne erst kürzlich angelegt worden war. Vorsichtig schlich er vorwärts. Nach etwa zwanzig Metern wurde der Gang breiter und endete in einem kleinen, augenscheinlich früher als Kellerraum benutzten Gewölbe. Auch dieses war nackt und leer; nur in der Ecke stand eine kleine, verstaubte Holzkiste. Der Kriminalbeamte beugte sich gespannt darüber und hob behutsam den nur lose aufgelegten Deckel hoch. Ein Ausruf der Überraschung entschlüpfte ihm: in der Kiste befand sich ein Telephonapparat. Weiter nichts.

Es verging eine geraume Weile, bis sich O’Kelly von seiner Verblüffung erholte. Dann legte er den Deckel wieder auf die Kiste und begab sich auf den Heimweg. Auf einen Versuch, mit Hilfe dieses Apparates zu telephonieren, verzichtete er wohlweislich.

Karo König

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