Читать книгу KATZENDÄMMERUNG - Arthur Gordon Wolf - Страница 7
ОглавлениеLassen sie mich mit einer Binsenweisheit beginnen, lieber Leser, damit wir es hinter uns haben: Hinter jedem Roman steckt eine Menge Arbeit und noch viel mehr Zeit. Bei »KATZENDÄMMERUNG« verhält es sich nicht anders. Von Anfang an geplant war dieser „Ziegelstein“, der ihnen im Liegen (meiner liebsten Leseposition) wohl schon bald Bauchschmerzen bereiten wird, übrigens keineswegs. Ich bitte sie daher schon jetzt um Entschuldigung. (Nicht wegen des Schreibens des Romans, sondern wegen der Bauchschmerzen. Na ja, wir müssen halt alle unsere kleinen oder größeren Opfer bringen, nicht wahr?)
Angefangen hat alles mit einem Bild, einer Szene, die sich unauslöschlich in mein Unterbewusstsein gegraben hat und schließlich zu der folgenden düster-erotischen Erzählung führte. Es war irgendwann Mitte der Achtziger. Ein Zirkus aus der damaligen DDR hatte mitten auf unserem Rathausplatz eine kleine Manege aufgebaut. (Für die jüngeren unter meinen Lesern: Die ‚DDR‘ umfasste zu jener Zeit das Gebiet, das wir noch heute die ‚neuen Bundesländer‘ nennen, und welches zwischen 1961 und 1989 mit einer Mauer umgeben war.) Neugierig kam ich näher und erkannte eine kleine Kuppel aus Stahlstreben. Darin befanden sich eine Dompteuse und eine Löwin. Es war schon mehr als ungewöhnlich, eine Frau inmitten eines Raubtierkäfigs zu sehen, noch weitaus ungewöhnlicher allerdings war die sandfarbene Großkatze. Und ‚groß‘ war in diesem Fall wirklich nicht untertrieben. Die Löwin wirkte geradezu gigantisch; gleichzeitig aber auch elegant und wunderschön. Der Blick ihrer Bernsteinaugen fesselte mich auf Anhieb. Ihre Herrin hielt lediglich einen schmalen Stab in Händen, den sie aber nie gegen das Tier einsetzte. Eine Peitsche oder ein ähnlich martialisches Gerät suchte man vergeblich. Dies schien auch nicht notwendig zu sein, denn die Löwin rieb ihren Kopf ähnlich zutraulich gegen die Hüfte der Frau wie es eine verspielte Hauskatze getan hätte. Die Dompteuse erwiderte die Stubser ihrerseits mit zärtlichen Streicheleinheiten. Dieser Szene haftete etwas zutiefst Erotisches an, allerdings weit entfernt von jeglicher perverser Sodomie. Die beiden Wesen dort in dem Käfig schienen von einer Art zu sein, die Frau war halb Katze und die Löwin halb Frau.
Ich weiß nicht, wie lange ich dieses ungewöhnliche Schauspiel verfolgt habe. Kurz bevor ich den Platz wieder verließ, bemerkte ich jedenfalls ein kleines Schild an der Seite des Käfigs. Darauf stand, dass es sich bei der hier präsentierten Raubkatze um einen seltenen Liger handelte, eine Hybride, die aus der Kreuzung zwischen einem männlichen Löwen und einem weiblichen Tiger entstanden war. Daher also die ungewöhnliche Größe des Tieres. Bis heute habe ich keine Ahnung, ob es sich bei dem Liger damals um ein männliches oder weibliches Exemplar gehandelt hat. In meinem Unterbewusstsein aber schien es überdeutlich zu sein. Und so entstand, wohl mit einer Verzögerung von einem Jahr, die Novelle »BASTET«. Zu diesem Zeitpunkt war immer noch nichts Größeres geplant. Es mussten erst zwei weitere Jahre vergehen, bis ich irgendwie spürte, dass hinter dieser Geschichte noch mehr steckte. Ich begann also damit, »SACHMET« zu schreiben. Erst jetzt lichteten sich so langsam die Nebel, die bislang über allem gelegen hatten, und ich entwarf das gesamte Szenario bis hin zum Finale. Dachte ich bislang, ich hätte schon ausreichend recherchiert, wurde ich schnell eines Besseren belehrt. Die Arbeit ging nun erst richtig los. Vor allem die historischen Quellenstudien für »ROTE NEBEL«, mit denen ich fast sofort nach »SACHMET« begann, nahmen viel Zeit in Anspruch. Zu dieser Zeit musste ich mich dafür noch in unserer Uni-Bibliothek „eingraben“, unzählige Kopien machen und diverse Notizblöcke vollkritzeln. Der Begriff „googeln“ existierte noch nicht. Ich ging sogar so weit, die fiktiven und realen Orte meiner Erzählung aufzusuchen. Ich reiste nach Kalifornien, wanderte durch die Wüsten des Yucca-Valleys und setzte sogar zu der kleinen Insel Catalina über, die im Schlussteil der Handlung eine Rolle spielt. Alles sollte schließlich so wirklichkeitsnah wie möglich beschrieben werden.
Dann war ich endlich fertig und erkannte, dass sich die Erzählung von einer Novelle zu einem langen Roman entwickelt hatte, zu einem sehr langen. »SACHMET« war mehr als doppelt so lang geworden wie »BASTET« (und das, obwohl ich noch zusätzlich einen Prolog – „Die flammende Jenny“ – verfasst hatte), und »ROTE NEBEL« so lang wie die beiden ersten Teile zusammen. Was dann folgte, dürfte jedem Jungautor mehr als geläufig sein: Man versendet seine Manuskripte an alle bekannten und etwas weniger bekannten Verlage und erhält unisono Absagen. Standardisierte Schreiben, die mehr als deutlich machten, dass niemand in den Lektoraten mehr als auch nur die Adresse des Absenders gelesen hatte.
Als dann endlich eine Zusage kam – sehr viel später – dachte ich natürlich: BINGO! – Dass dem leider nicht so war, sollte sich allerdings nur wenig später herausstellen. Das Buch (mit den ersten beiden Teilen von Katzendämmerung) wurde nie offiziell gelistet, nie beworben, und die Veröffentlichung des Finales verschob sich in unbekannte Dimensionen. Nur mit größter Mühe erlangte ich die Rechte zurück und musste erneut bei Null beginnen. Doch leider war dem nicht so. Kaum ein Verlag hatte Interesse an einem Projekt, von dem bereits eine Hälfte an anderer Stelle publiziert worden war. Das Debüt war damit zum Mega-Gau geworden. Ich verstaute das gesamte Manuskript wieder in der altbekannten Schublade und wandte mich anderen Themen zu. Die Situation änderte sich erst bei einem Treffen einiger Mitglieder des Horror-Forums in Münster. Ich hatte auf gut Glück ein paar der unverkauften Exemplare von »SCHWARZE STERNE« eingesteckt und ein mir damals unbekannter Jung-Verleger bekundete Interesse daran. Nur zu gern tauschte ich mein Buch gegen den ersten Roman des Verlages – »GRAUES LAND« von Michael Dissieux. Der Rest ist – wie man so schön sagt – Geschichte. Der junge Verleger war Steffen Janssen, der gleich mit seinem Roman-Erstling einen Überraschungs-Hit landete. Als mich Steffen einige Wochen später darum bat, ihm das noch unveröffentlichte Finale von Katzendämmerung zuzusenden, war ich natürlich positiv überrascht. Als ‚gebranntes Kind‘ machte ich mir allerdings nicht die allergrößten Hoffnungen. Wie sie hier allerdings erkennen können, hat Steffen weit mehr als nur Interesse an meinem Roman bekundet. Anders als seine Kollegen zuvor, störte ihn das fehlgeschlagene Debüt nicht. Er wagte es sogar, alle drei Teile des Romans in einer einzigen Ausgabe herauszubringen. Für diesen Mut kann ich ihm gar nicht oft genug danken. Ob sich sein Risiko im wahrsten Sinne des Wortes ‚bezahlt‘ macht, werden die kommenden Wochen und Monate zeigen. Wir, Steffen und der LUZIFER-Verlag sowie ich als Autor, legen es vertrauensvoll in ihre Hände, lieber Leser. Mögen sie eintauchen in die unwirkliche, düstere aber auch berauschende Welt des Thomas Trait. Möge sie ein wohliger Schauer über die Dauer der reinen Lektüre hinaus begleiten. Dann nämlich hätten sich all die Arbeit (meine Schreiberei aber auch das Wirken der diversen Lektoren, Illustratoren, Setzer, Layouter und Verleger) und auch die lange Wartezeit (das Buch wurde vor mehr als 20 Jahren beendet) mehr als gelohnt.
ACHTUNG!!!! Da es nun aber schon eine kleine Auflage mit den ersten beiden Teilen gab (Ich kenne beinahe alle meine Leser beim Vornamen.), wurde ich gebeten, eine kurze Zusammenfassung von »SCHWARZE STERNE« anzufertigen, damit sich diese erlauchte Gruppe nicht ein zweites Mal durch »BASTET« und »SACHMET« kämpfen muss. Alle übrigen Leser sollten aber die folgenden Zeilen auf jeden Fall überspringen! Oder gehören sie etwa zu der Sorte von Leuten, die sich im Kino vom Nebenmann erzählen lassen, was gleich in der nächsten Szene passieren wird? Also! Wusste ich es doch! – Augen zu und weiterblättern bis zum Anfang von „Die Flammende Jenny“! (Und bloß nicht schummeln! Sie betrügen sich doch nur selbst. Ja, ich meine auch SIE da!)
Jetzt, wo alles geklärt ist, suchen Sie sich einen bequemen Platz, vielleicht in der Nähe eines knisternden Kaminfeuers (Okay, im Sommer käme das jetzt weniger gut. Da wäre vielleicht ein schattiger Platz auf der Terrasse oder unter einem Baum ideal.), stellen sie ihr Handy ab, und (falls möglich) auch die Türglocke, halten sie je nach Jahreszeit einen kühlen oder wärmenden Tropfen griffbereit (vollkommen egal, ob nun mit oder ohne Alkohol) und lassen sie mich berichten von den seltsamen und zuweilen auch erschreckenden Erlebnissen eines jungen Fotografen. Aber nein, lassen wir Thomas Trait besser höchstpersönlich zu Wort kommen. Ich bin schließlich nur sein unsichtbarer Chronist.
Arthur Gordon Wolf, im April 2013