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3500 Jahre alte Gräber in einem Garten

Am Holleeweg in Einigen wurden im Jahr 1970 bei Aushubarbeiten für ein Treibhaus im Garten von Rudolf Neuenschwander Grabreste entdeckt. Neben Knochenfragmenten erschienen im gelockerten Aushubmaterial auch grünpatinierte Bronzegegenstände. Diese Umstände veranlassten den Grundbesitzer richtigerweise, die Arbeiten einzustellen und den Fundaufschluss dem Archäologischen Dienst melden zu lassen2. In einem Communiqué des Archäologischen Dienstes schreibt Herr Hans Grütter Folgendes:

Das Grab eines Jünglings

Die archäologischen Untersuchungen des Grabplatzes lieferten vorläufig folgende Erkenntnisse: Die vom Grundbesitzer angeschnittenen Skelettreste gehörten zweifellos zur Bestattung eines dreizehnjährigen Jünglings. Obwohl die durch die Aushubarbeiten stark fragmentierte Beisetzung nur noch in der Unterschenkelpartie in situ angetroffen wurde, kann anhand der geborgenen Grabbeilagen gesagt werden, dass in der ehemals mit Steinen ausgekleideten Grabgrube der Tote in gestreckter Lage beigesetzt war. Bei den Grabbeigaben handelt es sich um zwei Gewandnadeln, eine Rollenkopfnadel von 15 cm Länge und eine Ösenknopfnadel von 20 cm Länge. Bei den Objekten eignet die in charakteristischer Weise gebogene Nadelspitze; eine wohl damals übliche, als Schutz gegen Stichverletzungen angebrachte Sicherheitsvorkehrung. Im Weiteren hatte der Tote ein, wie die Patinafärbung erkennen lässt, ursprünglich an einem Holm befestigtes meisselartiges Gerät mitbestattet erhalten. Schliesslich umfasste das Beigabeninventar eine Dolchklinge. Der Griff, welcher anhand der in der Patina überlieferten Strukturen aus organischem Material gefertigt gewesen sein muss – ob Knochen oder Geweih bleibt erst noch zu untersuchen – wurde mit Hilfe von vier Bronzeteilen an der Klinge befestigt.

Eine Doppelbestattung

Die weitere Untersuchung des Grabplatzes führte zur Lokalisierung von zwei weitern Gräbern, doch musste wegen Überlastung des Archäologischen Dienstes auf die Bergung der im Moment nicht gefährdeten dritten Bestattung verzichtet werden. Das in die Aushubzone hineinragende Grab verriet sich oberflächig durch eine Häufung von grobem Moränematerial. In der Profilwand hoben sich die humose Grabeinfüllung und die aufeinandergelegten Steine der Grabumrandung deutlich ab von der umlagernden Moräne. Ein ausserhalb der südöstlichen Längsseite des Grabes, auf dem ehemaligen Gehniveau auflagernd, angetroffener Steinhaufen legt die Vermutung nahe, dass dieses Material teilweise von der einstmals über der Bestattung gelegenen Abdeckung stammen könnte. Die Bestätigung stellte sich ein, als die ersten Skelettteile bereits wenige Zentimeter unterhalb des oberen Grabhorizontes aufgedeckt wurden: Es waren dies ungefähr in der Grabmitte ein Schädel und wenig daneben ein Beckenfragment. Die Bestattung musste demnach in früherer Zeit einmal gestört worden sein.

Grabräuber hinterlassen Spuren

Die weiteren Untersuchungen lieferten dem Archäologen ein nicht alltägliches Bild. Die Grabgrube zeigte wiederum die bei der ersten Bestattung bereits festgestellte sorgfältige Steinauskleidung. Die westliche Hälfte des Grabes war noch intakt und mit grossen flachen Steinen überdeckt. Nach deren Entfernung musste mit Erstaunen zur Kenntnis genommen werden, dass die Grabgrube eine zweite Bestattung barg. Die beiden Toten lagen einander gegenüber. Die Skelettlage lässt eine gleichzeitige Beisetzung erkennen. Dabei ist das ost-west (Kopf im Osten) liegende Individuum – wie anhand verschiedener Fakten nachgewiesen werden kann – bereits in prähistorischer Zeit von Grabräubern geschändet worden. Eine charakteristische Verfärbung am linken Vorderarm lässt mit Sicherheit aussagen, dass bei diesem Grabraub mindestens ein Armreif entfernt wurde. Offensichtlich blieb eine kleine, unscheinbare Rollenkopfnadel unbeachtet oder vermochte das Interesse der Grabräuber ganz einfach nicht zu wecken.

Der vorläufige anthropologische Befund weist das gestörte Skelett einem männlichen Individuum zu, welches sich durch das erreichte Alter erheblich von der Mitbestattung unterscheidet. Der in Ost-West-Richtung bestattete Mann dürfte im Alter zwischen 40 und 45 gewesen sein. Die Überreste der ihm gegenüberliegenden Mitbestattung – wohl durch das Vorhandensein eines mächtigen Decksteines vor den Grabräubern bewahrt – lassen dagegen ein Alter von bloss 9 Jahren belegen. Es scheint übrigens, dass das jüngere Individuum eine sorgfältigere Niederlegung erfuhr: Der Kopf befand sich auf einen kissenförmigen Stein abgelegt.

Die Bedeutung der Funde

Obwohl die verschiedenen naturwissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse noch ausstehen, kann bereits jetzt gesagt werden, dass die Grabfunde von Einigen wesentliche Erkenntnisse liefern. Einmal ist es die Kenntnis der Grabform anhand eines mit modernen Methoden aufgenommenen Bestattungsplatzes. Zum anderen lassen die gestreckten Gräber Einblicke in die Morphologie der Gestalt jener Menschen nehmen, welche zwischen rund 1800 und 1650 v. Chr. die alpine Zone besiedelten. Aus anthropologischer Sicht sind im Weiteren die dank dem kalkreichen Moränenboden erstaunlich gut erhalten gebliebenen Skelettreste, vor allem der vollständig überlieferte Schädel des alten Mannes als wissenschaftlich äusserst wertvoll zu bezeichnen.

Der Fundaufschluss von Einigen steht schliesslich als weiterer Zeuge für die frühe und offenbar dichte Besiedlung der Terrassen über dem linken Thunerseeufer. Es ist im Übrigen kein Zweifel, dass die zum Grabplatz – der ja, wie einleitend erwähnt, keineswegs vollständig erfasst ist – gehörende Siedlung in unmittelbarer Nähe aufgefunden werden kann.

Es ist dringend zu hoffen, dass diese und viele ähnliche Aufgaben einem personell und materiell genügend dotierten Archäologischen Dienst vor kommenden Überbauungen und damit endgültigen Zerstörungen zu lösen vergönnt sind.

In Einigen wurde schon früher von Ausgrabungen berichtet, die aber leider nicht so ausführlich beschrieben sind wie die Gräber vom Hollee. So können wir lesen: Die alte Besiedelung der fruchtbaren und quellenreichen Gegend von Einigen bezeugen verschiedene Funde. 1818 ist in Einigen ein bronzener Dolch aus keltisch-helvetischer Zeit gefunden worden. Im Dorfe sollen überhaupt öfters Altertumsreste aus Metall ausgegraben, aber von den Bauern meistens zu eigenem Gebrauch verarbeitet worden sein. Auf der Einigen-Allmend entdeckte man in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine Lanzenspitze und zwei eiserne Streitbeile; jene wird als keltisch-helvetisch, diese werden als fränkisch bezeichnet. Grabhügel mit Skelettbestattungen und zwei Bronzespangen werden beim Ghei zwischen Einigen und Spiez gemeldet.3 Soweit zu den Funden und Ausgrabungen in Einigen. Nun bleibt zu hoffen, dass bei der regen Bautätigkeit, die zur Zeit in Einigen stattfindet, alle Gegenstände, die von Interesse sein könnten, gemeldet werden.

Im Jahr 2008, beim Umbau des Hauses im Hollee, wurde auf Grund eines Hinweises von einem Bewohner aus Einigen darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Gebiet um ein archäologisches Schutzgebiet handle. So konnte, bevor die Baumaschinen auffuhren, der Bauplatz vom Archäologischen Dienst sorgfältig nach allfälligen weiteren Gräbern untersucht werden. Die neuen Ausgrabungen brachten vier Skelette und viel Schmuck ans Tageslicht. Die vier Skelette von je zwei Frauen und Kindern sind gut erhalten, die Beigaben wertvoll – und gar rätselhaft. Die Bestattungen stammen aus der Zeit von 1800 bis 1600 vor Christus – der frühen Bronzezeit. Die zwei Frauen und zwei Kleinkinder seien in Rückenlage und in Tracht beigesetzt worden. Nebst dem in grossem Umfang gefundenen Schmuck seien auch die Skelette in erstaunlich gutem Zustand. Beide Frauen erhielten viele Grabbeigaben. Eine Frau trägt einen Halsring, zwei Gewandnadeln und zwei Armringe. Die andere wurde mit einer sogenannten doppelschäftigen Bronzenadel beigesetzt, einer Art Verschluss von Kleid oder Mantel.

Um mehr Informationen über die Skelette zu erhalten, werden diese zur Beurteilung ins Labor der Anthropologie der Uni Bern kommen. Die Fundstücke werden nach der anthropologischen Untersuchung konserviert und archiviert.

2 Neue Berner Zeitung, Seite 5, Dienstag, den 19. Mai 1970

3 Hans Gustav Keller, Einigen, Druck- und Verlagsanstalt Adolf Schaer Thun, 1946, Seite 23

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