Читать книгу Einigen - der schönste Punkt der Welt - Arthur Maibach - Страница 9
ОглавлениеZum Paradies
«Der hochwirdig sant Michel» war der «patron und schirmer der kilchen des Paradieses», so schreibt Elogius Kiburger in der «Strätlinger Chronik». Elogius Kiburger war wohl der bekannteste Pfarrherr von Einigen und der Verfasser der «Stätlinger Chronik». Er berichtete, er habe damals, im Jahr 1446, als «Kilchherr der kilchen in Paradies sant Michels» ein Teil des Kirchendachs der Kirche Einigen neu herstellen, einen Taufstein machen und ein Sakramentshäuschen aus Stein anbringen lassen.
Im dritten Kapitel der «Strätlinger Chronik» preist er mit begeisterten Worten den Segen, der von dem «Paradies» am Wendelsee ausgehe. Um das Jahr 223 beschloss, erzählt er, Herr Arnold von Strätlingen, eine Kirche am Wendelsee zu Ehren des Erzengels Michael erbauen zu lassen. Die Stimme des Erzengels wies die Bauleute zu dem Platz in dem «garten oder matten, die da geheissen was die hofstatt des Paradieses», wo sich auch ein Brunnen befinde, führte sie dorthin und sprach alsdann wiederum: «Hie an diesem end des Paradieses findet man einen schatz, der so gross ist, dass in niemant geschetzen oder bazalen mag» … Diesen Angaben zufolge war das Gebiet, welches das «Paradies» genannt wurde, recht gross.
Wir dürfen stolz sein, an einem Ort zu wohnen, dessen alte Bezeichnung «zum Paradies» genannt wurde. Ich glaube nicht, dass Elogius Kiburger diese Ortsbezeichnung erfunden hat. Sicher sprachen die Bewohner von «Zeningen» vom Paradies, wenn es sich um die Kirchenregion handelte. Dieses Gebiet musste wunderschön gewesen sein, da wo das «Jucki-Brünnelein», der «St.-Michaelsbrunnen» sprudelte. Ob dieser Ort schon vor dem Bau der ersten Kirche diesen Namen trug, wird mit grosser Wahrscheinlichkeit nie bezeugt werden können. Auch ist es nicht von Wichtigkeit, wer wann diesem Ort das Wort «Paradies» zuordnete. Freuen wir uns doch ganz einfach, in einem Dorf zu leben, das die alttestamentliche Bezeichnung «Zum Paradies» trägt.
Was ist nun aber ein oder das Paradies? In unserem Fall handelt es sich ganz klar um den Garten Eden. Nicht um die Zwischenzeit zwischen Tod und Auferstehung, noch um das endzeitliche Paradies. Paradies ist ein Lehnwort aus dem Altpersischen, wo parideza eine Umwallung, dann auch das Umwallte, den Park oder Garten bezeichnet. In dieser Bedeutung ging Paradies in das Hebräische pardes, Aramäische pardesa, Griechisch paradeisos und auch Lateinische paradisus ein. Als die LXX (Septuaginta, griech. Übersetzung des Alten Testaments) das hebr. «Gottesgarten» der Schöpfungsgeschichte in 1. Mose 2 mit paradeisos übersetzte, wurde Paradies im griech. Judentum zum religiösen Begriff. Das hebr. Judentum hat zur Bezeichnung des Gottesgartens seinen alten Ausdruck «Garten» oder «Garten Eden» beibehalten und spricht nicht von Paradies. Wenn daher im hebr. Alten Testament das Wort Paradies nicht vorkommt, so heisst das nicht, dass ihm auch die Sache fremd wäre. Der «Garten» oder «Garten Eden» oder auch «Gottesgarten» ist die Schöpfung selber. Seine Fruchtbarkeit ist unbeschreiblich, ebenso sein Reichtum an Gewächsen und Tieren.
Wie schön muss wohl diese Gegend gewesen sein, dass ein Mensch diesem Garten, diesem Brunnen, diesem schönsten Punkt der Welt (Hans Müller Einigen) die Bezeichnung «Zum Paradies» gab. Und wir haben das Vorrecht, hier, gerade hier zu wohnen.
Möge es uns gelingen, zu unserem Paradies Sorge zu tragen.