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Natur und Mensch im Überblick

Jede Kultur ist von der Landschaft geprägt, in der sie sich entwickelt. Daher ist es wichtig, dass wir uns einen Überblick über die Geografie des Landes verschaffen.

Israels heutiges Staatsgebiet (einschließlich der palästinensischen Autonomiegebiete) ist 400 km lang und rund 70 km breit. Dieses Gebiet ist in vier Streifen unterteilt.

DIE KÜSTENEBENE AM MITTELMEER

Ist dir schon aufgefallen, dass die israelische Küste auf Landkarten fast schnurgerade aussieht? Sie ist auch in Wirklichkeit so gerade, und zwar weil sie aus Sand besteht. Den Sand bringt der Nil aus Afrika. Im Mittelmeer angekommen, schwimmt der Sand in der Meeresströmung gegen den Uhrzeigersinn, bis ihn das ins Meer ragende Karmelgebirge stoppt. Dort beginnt die für Südeuropa typische Felsenküste. Zum Baden ist der Sandstrand traumhaft, für die Seefahrt ein Problem. Er bietet keine natürlichen Häfen.


So gab es im Land zwar immer Seefahrt, aber ein richtiges Seefahrervolk entwickelte sich hier nie.

Entlang der Küste erstreckt sich eine 20-30 km breite Ebene. Bis zu ihrer Trockenlegung in den 1920er-Jahren gab es hier mehrere Sümpfe. Dass sich zuvor keine dichte Besiedlung an der Küstenebene entwickelte, ist kein Zufall: Hier gab es Malariaplagegebiete. Doch nach der Trockenlegung entwickelte sich hier rasch der Ballungsraum Tel Aviv. Wenn man heute von Israels »Zentrum« spricht, meint man die Küstenebene, aber zur biblischen Zeit war sie eigentlich ein Randgebiet. Damals war die Bevölkerung der Küstenebene meistens nichtjüdisch.

DAS BERGVORLAND

Parallel zur Küstenebene liegt das Bergvorland, eine 10-15 km breite Kreidehügellandschaft bis 450 m ü. NN mit fruchtbaren Kleintälern. Auf den Hügeln wird heute wie auch früher Obst-, Wein- und Olivenanbau betrieben, in den Tälern Ackerbau. Die weiche Kreide ermöglichte die Anlage Tausender Höhlen und Höhlenwohnungen. Rebellen und Flüchtlinge fanden hier Zuflucht in Zeiten von Krieg und Widerstand. In dieser Übergangszone zwischen Ebene und Bergland begegneten sich in biblischen Zeiten häufig die jüdische und nichtjüdische Bevölkerung, meistens friedlich, aber nicht immer.

DAS BERGLAND UND SEINE REGIONEN

Weiter östlich beginnt das Bergland, ein langer Höhenzug aus Kalk, 30-35 km breit und bis 1200 m ü. NN hoch. Der lange Sattel bildet die Landeswasserscheide. Wenn hier Regentropfen fallen, müssen sie sich entscheiden, ob sie ins Mittel- oder lieber ins Tote Meer fließen möchten. Das Bergland unterteilt man in verschiedene Landschaften. Weil das Bergland auch das biblische Kernland ist, kennst du wahrscheinlich die Namen vieler seiner Landschaften.

Die nördlichsten 40 km bezeichnet man als Obergaliläa, eine bewaldete und felsige Großkuppe mit kaum fruchtbaren Böden. Obergaliläa ist schwer passierbar und war daher nie stark besiedelt. Ein Teil Obergaliläas liegt heute im Libanon. In biblischer Zeit war ganz Obergaliläa Teil Phöniziens, für Israeliten also im Ausland. Südlich davon liegt das 30 km lange Untergaliläa. Die Hügel sind hier schon viel kleiner (bis 600 m ü. NN). Zwischen ihnen gibt es fruchtbare Täler. Als bequemer Lebensraum war Untergaliläa immer dicht besiedelt. Wo du in den Evangelien »Galiläa« liest, ist also Untergaliläa gemeint. Der Name Galiläa kommt schon im Buch Josua vor (Josua 20,7) und die Unterscheidung zwischen Ober- und Untergaliläa kennen wir schon aus rabbinischen Diskussionen des 2. Jh. n. Chr. in der Mischna (Mischna Schevi‘it 9,2).

Mischna

Die Mischna ist eine hebräische Ansammlung rabbinischer Diskussionen aus dem 1. und 2. Jh. n. Chr. Verfasst wurde sie um ca. 200 n. Chr. in Galiläa. Ihr Name bedeutet »Sekundäre«, sie steht nach der Tora und wird auch als »mündliche Tora« bezeichnet. Inhaltlich beschäftigt sich die Mischna vor allem mit der Auslegung von Geboten. Sie ist in sechs »Ordnungen« nach Lebensbereichen unterteilt, die wiederum aus mehreren Traktaten bestehen. In diesem Buch werden wir sie mehrfach als antike jüdische Quelle verwenden. 2

Südlich von Galiläa wird der Höhenzug für 15 km durch die Jesreelebene, heb. Jisra’el, dt. »Gott wird säen«, unterbrochen. Der Name der Ebene ist nicht überraschend: Hier gibt es die fruchtbarsten Böden im ganzen Land. Vorausgesetzt, die Ebene wird entwässert, sonst entstehen auch hier Sümpfe. Jesus kannte diese Gegend gut, weil sie direkt unterhalb von Nazareth liegt. Schon viel früher war sie unter diesem Namen bekannt (Josua 17,16).


Durch die Jesreelebene kann man das Land von Ost nach West bequem durchqueren. Aber nicht komplett, denn vor der Küste ragt das Karmelgebirge empor. Für alpine Verhältnisse ist es mehr Witz als Gebirge, aber dieser kleine, schroffe und bewaldete Höhenzug versperrt den Weg. Hier musste jeder lang, der auf dem Landweg von Damaskus nach Ägypten, von Ägypten ins Zweistromland oder von Alexandria nach Rom wollte. Klar, dass die wenigen Passiermöglichkeiten am Karmel heiß begehrt waren. Vor allem der Zugang durch das schmale Tal Iron, das einen mehr oder weniger bequemen Weg durch den Karmel bietet, war immer wieder blutig umkämpft. An seinem Osteingang lag die »Schranke«. Um diesen Osteingang kämpften die Ägypter, Kanaaniter, Israeliten, Assyrer, Babylonier, Perser, Griechen, Makkabäer, Römer, Byzantiner, Araber, Kreuzritter, Mamluken, Mongolen, Osmanen, Deutschen, Briten und Israelis. Wer die Geschichte des Landes kennt, verbindet diese Gegend mit Krieg. Keine Überraschung, dass laut der Offenbarung des Johannes hier die endzeitliche Entscheidungsschlacht stattfinden soll (Offenbarung 16,16). Hier liegt Har Megiddo, dt. »Berg Megiddo«, was in Fremdsprachen zu »Harmageddon« wurde. Megiddo war 4 000 Jahre lang eine der wichtigsten Städte des Landes.

Südlich der Jesreelebene setzt sich das Gebirge fort und heißt in den kommenden 60 km Samarien. Im Königreich Israel hieß es »Gebirge Ephraim«. Zur Zeit Jesu lebten hier die Samariter. Samarien ist ein zerklüftetes Bergland bis 1 000 m ü. NN. Die Täler sind fruchtbar, an den Hängen ist Terrassenlandwirtschaft mit vielen Oliven verbreitet. Viele Wasserquellen ermöglichten hier eine dichte Besiedlung.

20 km nördlich von Jerusalem endet Samarien. Hier beginnt Judäa, 75 km lang und ebenfalls bis 1 000 m ü. NN. Judäa ist eine Art breite »Bergbühne« mit wenigen Tälern. Die Höhen sind für Wein-, Obst- und Olivenanbau geeignet. Im Osten und Süden regnet es zu wenig für Plantagen, aber für Weideland reicht es noch. Den Namen bekam die Region vom Stammesgebiet Juda, das hier lag. Später hieß das hiesige Königreich so und anschließend das gesamte Land. Die Bevölkerung Judäas nannte man nach ihrem Land, so entstand die Bezeichnung »Juden«.

Im zentralen Gebirge von Judäa, Samarien und Galiläa liegen die meisten wichtigen Orte der Bibel. Weil die Landschaften eine gute Lebensgrundlage für Menschen boten und recht dicht besiedelt waren, wurde hier in der Moderne kaum Land an jüdische Pioniere verkauft. Bis heute ist die Mehrheit der Bevölkerung in Judäa, Samarien und Galiläa arabisch.

DER NEGEV

Im Süden Judäas nehmen die Niederschläge stark ab, es beginnt die Wüste Negev. Der Wortstamm bedeutet »trocken«, in deutschen Bibeln als »Südland« übersetzt. Geologisch ähnelt die zentrale Wüste Negev den nördlicheren Bergregionen. Auch sie besteht aus einem Kalk- und Kreidegebirge. Die Trockenheit sorgt aber für eine völlig andere Landschaft, in der sich eine völlig andere Kultur als in den fruchtbaren Regionen entwickelte, das Nomadentum. Je weiter man sich Richtung Süden bewegt, desto weniger trifft man auf Menschen, heute ebenso wie früher.

DER GRABEN

Östlich des zentralen Gebirges erstreckt sich ein Graben. In diesem Graben liegen der Jordan, der See Genezareth, das Tote und das Rote Meer. Sein tiefster Punkt ist das Tote Meer, der gleichzeitig der tiefste Punkt der Erde ist. Die Tieflage sorgt für ein trocken-heißes Klima. Zwischen dem Toten und dem Roten Meer befindet sich das Tal Arava, dt. »Steppe«. Ab der Mitte des Jordantals (zwischen dem See Genezareth und dem Toten Meer) bis zum Roten Meer gibt es mit Ausnahme der Oasenstadt Jericho kaum historische Ortschaften. Die Böden und das Grundwasser sind salzhaltig, an Hängen gibt es keinen Mutterboden, weil ihn keine Wurzeln halten. Nur moderne Infrastrukturen ermöglichen hier heute das Leben.

JENSEITS DES JORDANS

Östlich des Grabens liegt ein langes Hochplateau. Dieses Gebiet liegt heute mehrheitlich in Jordanien. Je nach politischer Stärke gehörte das Hochplateau oder Teile davon dem antiken Israel. Markante Schluchten unterteilen es in verschiedene Regionen. Im Norden, im heute überwiegend von Israel kontrollierten Gebiet, liegt der Golan. Der biblische Name des Basalt-Hochplateaus ist Baschan. Der Prophet Amos bezeichnet die Frauen der Oberschicht im antiken Israel als »Kühe Baschans« (Amos 4,1) – eine originelle Mischung von Kompliment und Beschimpfung unter Menschen, die die gute Rindfleischqualität der Golanhöhen kannten. Weiter südlich beginnt die Landschaft Gileads, ein mediterranes, fruchtbares Hochplateau. Das südlichere Moab ist trockeneres Weideland und das südlichste Edom ist eine richtige Wüste. Zur Zeit Jesu gehörte ein Gebiet unterhalb Gileads und Moabs zu Judäa und hieß Peräa. Jesus zog auch durch Peräa. Auf dem Hochplateau über Peräa lag damals das heidnische Zehn-Städte-Gebiet und weiter südlich das Königreich der Nabatäer.

DAS KLIMA

Oft hört man, Israel habe kaum Wasser. Das stimmt so nicht. In Obergaliläa regnet es jährlich mehr als in Frankfurt oder Schaffhausen. Es kommt auf die Verteilung der Regelfälle an. Während es in Frankfurt und Schaffhausen in allen Monaten regnen kann, bleibt der Himmel in Israel zwischen Mai und Oktober verschlossen. Nur in den anderen Monaten können Kaltluftfronten Regen bringen. Dann gibt es fast immer Platzregen, wie bei Sommergewittern in Europa. Allerdings dringen die Kaltluftfronten nur selten in Israels Süden ein. Deswegen ist dort eine Wüste.


Das kleine Land liegt im Schnittpunkt dreier Klimazonen: mediterran, Wüste und Steppe. An besonderen Stellen gibt es zudem noch Einflüsse aus den Tropen, der Savanne und dem Hochgebirge. Diese Lage sorgt für eine riesige Naturvielfalt. Insgesamt kommen in Israel 2 600 Wildpflanzenarten vor. Im fast 13-fach größeren Deutschland sind es 3 000.


Auch die Tierwelt ist von diesem Schnittpunkt geprägt. Neben Wölfen, Schakalen, Wildschweinen und Rehen leben hier auch Leoparden, Steinböcke, Gazellen, Stachelschweine, Klippschliefer und Hyänen. Die meisten dieser Tierarten werden auch in der Bibel erwähnt. Durch den starken menschlichen Einfluss sind viele Tierarten ausgestorben, zum Beispiel das Nilpferd. Zur Zeit Davids konnte man noch an einigen Flussmündungen mit einer Nilpferdbegegnung rechnen. Im Talmud wird der Löwe als »König der Tiere« (Bab. Talmud Hagiga 13,2) genannt.

Talmud

Der Talmud ist eine Ansammlung von rabbinischen Kommentaren zur Mischna. Sein Aufbau basiert auf der Mischna, wobei die Kommentare unsystematisch wechseln. Es entstanden zwei Talmude, einer im 4. Jh. v. Chr. in Galiläa und einer rund 100 Jahre später in Babylonien. Vieles ist in beiden Talmuden ähnlich, aber es gibt auch etliche Unterschiede. Der Talmud ist in aramäischer gemischt mit hebräischer Sprache geschrieben und bis heute die wichtigste rabbinische Grundlage. In diesem Buch werden wir ihn oft als Quelle nutzen. 3

Diese Rabbiner kannten den Löwen nicht nur als National-Geographic-Shootingstar. Der letzte Löwe lebte im 14. Jh. n. Chr. im Land. Als Jesus am Jordan unterwegs war, musste er nicht nur nach Pharisäern Ausschau halten, sondern auch nach 70 kg schweren Persischen Leoparden.

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