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Die jüdische Zeitrechnung
ОглавлениеDie allgemeine jüdische Zeitrechnung ist anders als die christliche. Sie basiert auf Zeitangaben in der Bibel und beginnt im zurückgerechneten Jahr der Weltschöpfung. Seder Olam Rabba, dt. »Große Weltchronik«, ist die wichtigste Grundlage für die Datierung biblischer Ereignisse im Judentum.
Abraham und Sara lebten als Nomaden. Was hinterlässt schon jemand, der sein ganzes Leben im Zelt wohnt? Dennoch haben sie, wie die anderen biblischen Erzväter und -mütter auch, tiefe Spuren hinterlassen, die heute noch da sind. Sie sind nur nicht immer physisch vorhanden, sondern in unseren Herzen.
Für uns Juden sind sie nicht die »biblischen Erzväter«, sondern die eigenen Stammväter und -mütter. Juden nennen Abraham immer Avraham Avinu. Wie viele Kinder war auch ich in meinen ersten Lebensjahren sicher, Avinu sei Abrahams Nachname. Avinu heißt »unser Vater«. Sara bezeichnen wir auf gleiche Art als »unsere Mutter«. Die gleichen Bezeichnungen bekommen auch Isaak, Rebekka, Jakob, Lea und Rahel.
Beim Umzug nach Kanaan ist Abraham 75 Jahre alt, Sara ist 65. Sie sind kinderlos, aber nicht allein. Es begleiten sie Verwandte und Knechte, man könnte sagen eine mobile Wohngemeinschaft. Ihren Besitz nehmen sie mit, hauptsächlich Haushaltstiere der Region: Schafe, Ziegen, Kamele und Rinder. Ihre Häuser nehmen sie auch mit. Keine große Sache, es sind Zelte.
Lass uns in Abrahams Schuhe schlüpfen und ihn ins Land begleiten. An vielen Stellen lassen sich die Verse wie ein Reiseführer lesen. Wir starten in Haran (Genesis 12) und wollen nach Sichem im Herzen Kanaans, wohin Gott uns führt. Wir nehmen die Königsstraße über Damaskus nach Süden. 60 km südlich der heutigen syrisch-jordanischen Grenze kommt die Abzweigung zum Jordan. Im Jordantal ist es trocken, heiß und baumfrei. Die Sonnenuntergangsstraße wird uns 35 km durch die Schlucht Tirza führen, 1 000 Höhenmeter bergauf haben wir vor uns.
Mit jedem Schritt wird die Landschaft mediterraner und grüner, die Luft kühler und klarer. Je höher wir kommen, desto mehr Dörfer gibt es, mit mehr Landwirtschaft. Links begleiten uns immer die Hänge des Berges Kabir. Der Bach fließt ganzjährig und schnell. Immer wieder kommen wir an Quellen vorbei, die den Bach speisen. An den Quellen haben Menschen Becken und Tränken gebaut. Auch in 3 800 Jahren werden Hirten ihre Herden noch zu diesen Wasserstellen bringen. Das Tal ist fruchtbar. In Tieflagen werden Datteln angebaut, höher sind es Feigen, Oliven und vor allem Granatäpfel. In 1 900 Jahren werden Rabbiner die Granatäpfel und Nüsse aus diesem Tal als Beispiel für besonders kostbare Waren nennen, die nicht nach Gewicht, sondern einzeln verkauft werden (Mischna’ Orla 3,8). In den Dörfern werden neben Lebensmitteln Geschirr, Gefäße, Werkzeuge und Stoffe angeboten. Sobald wir oben sind, öffnet sich ein Tal, dahinter erheben sich zwei runde Berge, Ebal und Garizim. Unten, wo sie sich fast berühren, liegt Sichem, unser Ziel.
Die Ortsangabe ist sehr genau: »… bis zur Stätte von Sichem, bis zur Terebinthe More« (Genesis 12,6). Im hebräischen Text ist die Terebinthe eine Eiche. Sichems ältesten Teil nennen die Araber Tel Balata, wahrscheinlich abgeleitet von Balut, dt. »Eiche«.