Читать книгу Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle - Astrid Rauner - Страница 19

Die andere Lhenia

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Der nächste Tag versprach für Aigonn nur wenig mehr Hoffnung als der zurückliegende. Behlenos und Rowilan hatten an ihrer Idee festgehalten. Ohne ihre Aufsicht und Zustimmung war Aigonn der Gang aus der Siedlung verwehrt – ungeachtet der Tatsache, dass weder ein Fürst noch ein Schamane nach dem Gesetz der Bärenjäger uneingeschränkte Macht innehatte. Doch Chancen verschuf diese Tatsache Aigonn keine. Das Stimmrecht bei jedem Beschluss, jeder Bestrafung hatte das gesamte Dorf mit Ausnahme der Halbwüchsigen und Kinder. Aigonn hätte eine Versammlung einberufen und seinen Missmut zur Sprache bringen können. Doch er war sich bewusst, dass niemand für seine Sache stimmen würde – außer Efoh vielleicht. Aigonn war den Menschen unheimlich geworden. Man machte große Bogen an ihm vorbei, wenn man seinen Weg kreuzte. Seit er bei der Begräbniszeremonie beinahe einem Geist, einem Wesen – was immer es sein mochte – zum Opfer gefallen war, sprach kaum einer der Dorfbewohner mehr offen mit ihm. Es gab lediglich das verstohlene Geflüster hinter vorgehaltenen Händen, das nicht für ihn bestimmt sein sollte, aber trotz allem seine Ohren erreichte. Zum ersten Mal in seinem Leben verstand Aigonn wahrhaftig, welche Angst die anderen Menschen vor den Geistern dieser und der Anderen Welt mit sich trugen. Und zum ersten Mal fragte er sich, ob sie damit nicht im Recht waren.

Da die Wachen ihm den Ausgang aus der Siedlung verwehrten, musste Aigonn Efoh allein mit zwei anderen jungen Männern in den Wald schicken, um zwei oder drei Bäume zu fällen. Für den kommenden Winter musste neues Holz geschlagen und zum Trocknen aufgestapelt werden – ganz gleich, wie viel Zeit ihnen bis dahin noch blieb. Der verletzte Arm und die gebrochenen Rippen verhinderten, dass Aigonn eine Axt vernünftig schwingen konnte. Letztendlich blieb ihm nur noch eine einzige Möglichkeit, an diesem Tag zu dem Verdienst seiner geschrumpften Familie beizutragen.

Die Prozedur längst gewohnt, stand das Schaf ruhig nahe der Stallwand. Das Nesselseil, das seinen Hals an einen dicken Holzpflock fesselte, störte das Tier nicht im Geringsten, während es geräuschvoll Grasbüschel ausriss und verzehrte. Lediglich die Abwesenheit seiner Artverwandten bereitete dem Schaf von Zeit zu Zeit Sorgen, sodass es den Kopf hob und nach seiner Herde schrie. Doch die anderen vier Schafe, die Aigonn im Stall zurückgelassen hatte, besänftigten das Tier. Sie würden das Schicksal ihres Artgenossen teilen.

Seit dem Tod von Aigonns und Efohs Vater war dessen Herde sichtlich geschrumpft. Der alte Hund war zum unscheinbaren Gast geworden, der nur noch hin und wieder den Wohnteil des Hauses betrat, sondern lieber im Stall unweit der Schafe Wache hielt. Aigonn hatte ihm dort mit Decken eine eigene Ecke zugeteilt, von welcher aus das zottige Tier ihn nun beobachtete.

Der Tag war sonnig. Obgleich Mittag nicht in Sicht war, erfüllte eine Schwüle die Luft, wie nur Gewitter sie bringen konnten. Schweißperlen glänzten wie teurer Schmuck auf Aigonns Stirn und Brust, auch nachdem er sich seines Leinenhemdes entledigt hatte. Unwirsch kratzte er sich am Rand der Bandage um seine Rippen, unter welcher es seit einigen Tagen juckte. Noch hatte er es nicht gewagt, sie zum Waschen abzunehmen, da ihm nicht der Sinn danach stand, Rowilan um ein neues Anlegen zu bitten. Denn dann galt es neue Salben aufzutragen, die Aigonn selbst nicht besaß.

Für einen Atemzug blitzte es angsterfüllt in den Augen des Schafes auf, als Aigonn ein kurzes, fast sichelförmiges Bronzemesser an einem Stein schärfte. Die Form war nahezu perfekt, meisterlich geschmiedet und scheinbar wie geschaffen dafür, eine Kehle zu durchtrennen. Doch Blut wollte Aigonn heute nicht sehen.

„Ruhig, meine Große!“ Besänftigend strich er dem Schaf über den Kopf. Dann ging er über dem Tier so in die Hocke, dass seine Knie es festhielten, umfasste mit der Hand des verletzten Arms die Brust und setzte das Messer auf dem Rücken an. Das Schaf blökte auf, als es erstes Fell fallen spürte. Leise fluchend bemerkte Aigonn, dass er das Messer zu nah an der Haut vorbeigeführt hatte, sodass das Tier zumindest die Schärfe der Klinge gespürt haben musste.

Beruhigend redete er auf das Schaf ein, während mehr und mehr Wolle zu Boden fiel. Für einen Moment ließ das Weibchen das Scheren über sich ergehen, dann verging ihm die Lust. Das Schaf bockte und wehrte sich so heftig, dass Aigonn mit seinem verletzten Arm keinen Halt mehr fand. Er musste ausweichen, als das Tier missmutig einen kleinen Sprung nach vorne machte, das Seil straffte und beleidigt Gras zu fressen begann.

„Kann man dir helfen?“

Aigonn sah auf. All das Misstrauen um ihn herum ließ die Frauenstimme unwirklich erscheinen, die ihn so direkt angesprochen hatte. Doch als er sie erkannte, begann er wissend zu lächeln.

Die junge Frau stand mit einem Korb voller Wäsche unter dem Arm im Schatten des Hauses und beobachtete Aigonn mit Interesse. Sie schmunzelte matt, als dieser anmerkte: „Schön, dich wiederzusehen. Mir sind Gerüchte über deine Anwesenheit zugetragen worden. Doch wahrhaft glauben wollte ich es noch nicht.“

„Du kannst es glauben.“ Sie kam auf Aigonn zu, stellte den Korb beiseite und packte das entflohene Schaf so an Rücken und Brust, dass es ihr nicht entkommen konnte. Widerstrebend blökte es. Doch als Aigonn noch immer unbewegt dastand, forderte die junge Frau ihn auf, mit seiner Arbeit fortzufahren.

„Wie geht es dir?“ Aigonn schob mit dem Fuß das Schafsfell beiseite. „Du scheinst den Glauben aufrechterhalten zu wollen, dass du selbst die wiedergekehrte Lhenia bist und niemand sonst.“

„Ich brauche deine Hilfe!“ Auf einmal war ihr Ton gedämpft. Ohne auf Aigonns Anmerkung einzugehen, erläuterte die junge Frau: „Ich kann nicht einschätzen, wem ich in diesem Dorf vertrauen kann. Die Erinnerungen in diesem Körper sind so schwammig, als ob diese Lhenia sie alle mit sich genommen hätte. Ich kann nicht sagen, wer mit mir sein Spiel treibt. Meine Menschenkenntnis hat gelitten, während ich in der Anderen Welt geweilt habe, deshalb bin ich vorsichtig. Und bei der Art, wie der Schamane mich empfangen hat, scheint mein Misstrauen berechtigt.“

„Oh ja. Du glaubst gar nicht, wie sehr!“ Die Abfälligkeit, mit welcher Aigonn diese Worte ausgesprochen hatte, ließ die junge Frau innehalten und bedeutungsvoll aufsehen. Ein Hauch von Furcht blitzte in ihren Augen auf. Aigonn mäßigte sich augenblicklich, sich bewusst darüber, dass seine Probleme nicht ihre waren und er ihr vielleicht mehr Zeit zum Eingewöhnen geben sollte. Wenn man es genau nahm, war sie eine Neugeborene, die das Überleben erlernt hatte, mit den Umgangsformen unter Menschen aber ungeübt war.

Die junge Frau ließ zwei Atemzüge vergehen, dann setzte sie ihre Rede fort: „Was ich eigentlich sagen wollte, betrifft Lhenia. Ich gedenke, die Rolle mitzuspielen, die man mir zugeteilt hat. Nur kann ich nicht im Geringsten einschätzen, wer sie war, diese Frau …“

„Mädchen“, korrigierte Aigonn. „Ihr Körper war zum Heiraten reif gewesen, nur ihr Geist hat nicht mithalten können. Sie war ausgesprochen naiv. Kein schlechter Mensch, aber fast – ohne unhöflich zu sein – ein bisschen dümmlich. Oder zumindest ausgesprochen liebenswert, wenn man es positiv ausdrücken will.“

Die junge Frau zog angestrengt die Augenbrauen in die Höhe. Aigonn konnte nicht sagen, was hinter ihrer Stirn vorging – dem Gesicht, das so fremdartig erschien, allein durch den Charakter dieser Person, die nun von ihm Besitz ergriffen hatte.

Wie alt sie wohl wirklich sein mag?, schoss es Aigonn durch den Kopf. Die junge Frau erschien ihm sehr reif. Vielleicht war sie dreißig, oder sogar vierzig gewesen, als sie starb. Starb. Ohne zu wissen woher, bereitete Aigonn der Gedanke Unbehagen, vor einer Person zu stehen, die den ewigen Wandel von Tod und Wiedergeburt so plastisch werden ließ. Er wollte gerade das letzte Bauchfell des Schafes wegschneiden, als ihn abfälliges Getuschel aufblicken ließ. Zwei junge Frauen, Töchter zweier Bauern, standen vor Aigonns Elternhaus und beobachteten ihn verstohlen mit seiner Gehilfin die Arbeit verrichten.

„Habe ich grünen Ausschlag im Gesicht, oder warum gafft ihr wie die alten Tratschweiber?“

Nun sah auch die junge Frau an Aigonns Seite auf. Er selbst hatte eigentlich nicht ausfallend werden wollen, doch die Art, wie man ihn im Moment behandelte, ließ Zorn in ihm hochkochen. Die Bauerntöchter zogen ertappt ihres Weges weiter, doch der Ausdruck auf ihren Gesichtern verriet offenen Spott. Aigonn wurde klar, was an dieser Szenerie so ausgefallen wirken musste. Er und die vermeintliche Lhenia schoren gemeinsam die Schafe. Der Geisterjunge und die wiederauferstandene Tote. Wie passend! Wie einleuchtend für Rowilan, wenn er sie beide hätte beobachten können.

Aigonns Ton war gedämpft, als er der jungen Frau zuraunte: „Ich danke dir für deine Hilfe. Aber ich fürchte, es ist besser, wenn du gehst. Das ganze Dorf hält mich für einen gemeingefährlichen Geisterbeschwörer. Wenn wir zu häufig zusammen gesehen werden, werden alle vermuten, dass nicht nur ich ein Geheimnis zu verbergen habe. Zumal ich Zeit ihres Lebens Lhenia ohnehin nicht sehr mochte.“

Die junge Frau antwortete nicht, sondern bedachte Aigonn nur mit einem intensiven, vielsagenden Blick. Als sie weitere Menschen näher kommen hörte, fragte sie schnell: „Kann ich dich treffen, allein, irgendwann?“

„Rowilan schickt mir Spitzel hinterher. Sie beobachten mich nicht ununterbrochen, doch ebenso wenig lassen sie mich aus den Augen. Es könnte schwierig werden.“

Der jungen Frau lag eine Antwort auf den Lippen. Sie wollte gerade zu sprechen beginnen, als erregte Stimmen vom Tor her alle Aufmerksamkeit auf sich zogen. Überrascht sah Aigonn auf. Die Wolle sammelte er zügig in einem Korb, bevor er sich die Sichel in den Gürtel steckte und bis zum Erdweg lief, um besser sehen zu können.

Am Eingang der Siedlung versammelte sich eine Menschentraube. Aigonn konnte Torwachen erkennen, die versuchten, die Ankommenden in Palisadennähe zu halten, während andere Behlenos und seine Berater aus den Häusern riefen.

Es waren Fremde. Nur vereinzelte Gesichter blitzten in Erinnerungen auf, verschwommen, flüchtig, teilweise um Jahre gealtert. Doch mit Namen kannte er keinen von ihnen. Es sind Bärenjäger aus dem Osten. Die große Anzahl an Frauen und Kindern verriet ihr Schicksal an die Außenwelt. Im Kampf gegen die Eichenleute hatten vor allem die abgelegenen Siedlungen den größten Teil ihrer Männer verloren. Denn obgleich alle von ihnen die Kriegerweihe erhalten hatten, waren die wenigsten für den Kampf wahrlich vorbereitet gewesen. In seiner Verzweiflung hatte Behlenos jeden, ob Bauer, Schmied, Hirte oder Töpferlehrling, zusammengerufen, um den anrückenden Feinden zumindest zahlenmäßig angemessen gegenübertreten zu können – ganz gleich, wie groß die Übermacht der Eichenleute trotz allem gewesen war.

Es dauerte einen Moment, bis Behlenos die Flüchtlinge aus den entlegenen Siedlungen seines Einflussgebietes begrüßte. Schon von weitem konnte Aigonn das Missfallen erkennen, das er für Fremde zwar gut zu unterdrücken wusste, durch seine Gestik jedoch allen Vertrauten unverhohlen zuteil werden ließ. Als Aigonn die junge Frau an seiner Seite spürte, trat er mit ihr einige Schritte vor, um das Gespräch besser verstehen zu können. Das halbe Dorf schien sich währenddessen um den kleinen Platz vor dem Tor versammelt zu haben und es ihm nachzutun – zu lauschen.

Die geflüchteten Bärenjäger waren armselige Gestalten. Schmutz, Wunden und abgenutzte Kleidung, ob an Frau, Mann oder Kind, verdeutlichten die Anstrengungen, die sie auf sich genommen hatten, um den Weg in diese Siedlung zu finden. Eine hochgewachsene Frau mit selbstbewusstem Auftreten schien sich zur Wortführerin der Gruppe erklärt zu haben, trat vor Behlenos und berichtete ihm, nachdem sie förmliche Grüße ausgetauscht hatten: „Die Eichenleute haben nicht von der Idee abgelassen, Rache an uns zu nehmen. Vor vier Tagen hat ein kleiner Trupp von ihnen unsere Siedlung nachts in Brand gesteckt. Wir konnten das Feuer löschen, aber ohne die Krieger ist es sinnlos, den Kampf gegen die Eichenleute aufzunehmen.“

Behlenos presste verbissen die Lippen aufeinander. Er suchte nach den richtigen Worten, bevor er so höflich wie möglich entgegnete: „Wenn ihr von den Eichenleuten behelligt werdet, werde ich nach Kriegern senden, die euch verteidigen. Die meisten, die mir in der letzten Schlacht beigestanden haben, sind heimgekehrt. Es mögen nicht viele übrig geblieben sein. Aber hinter Wällen und Palisaden seid ihr den Angreifern entschieden im Vorteil.“

„Behlenos!“ Ihr scharfer Ton ließ den Fürsten aufsehen. Mit Nachdruck blickte die Frau zu dem Mann hinauf, der sie gut und gern um zwei Köpfe überragte, und verdeutlichte langsam: „Behlenos, wir haben unsere Heimat verloren. Das Feuer konnte gelöscht werden, aber die Wälle sind beinahe restlos zerstört. Kurz nachdem wir die Siedlung verlassen haben, sind die Eichenleute über unsere Häuser hergefallen und haben alles vernichtet, das sie finden konnten. Sie waren wie wahnsinnig! Als gäbe es Dämonen zu verjagen!“

Behlenos schwieg. Aigonn konnte an seinen Augen erkennen, wie es hinter seiner Schädeldecke arbeitete. Das Anliegen dieser Menschen war offensichtlich. Sie waren Angehörige der Bärenjäger, des Volkes, dem Behlenos als Fürst Schutz und Verantwortung geschworen hatte. Als hätte Aigonn in den Kopf dieser Frau gesehen, wiederholte sie fast wörtlich, was er für sich dachte: „Ich bitte dich! Ich weiß, dass es euch nicht weniger schwer getroffen hat als uns, aber die Kinder und Frauen müssen irgendwo leben. Zurück können wir nicht. Wenn du etwas verlangst, dass wir als Gegenleistung erbringen können, sag es, aber bitte …“

„Ja!“ In der Stimme des Fürsten schwang so viel Missbilligung mit, dass er sich dafür hätte schämen müssen. Doch ganz gleich, ob Behlenos der Mensch war, derartige Gewissensbisse zu entwickeln, in diesem Moment tat er es nicht. Ein kurzer Blick über die Menschenmenge vor ihm verschuf ihm Zeit, um nach den richtigen Worten zu suchen: „Ich fürchte, wir können nicht alle von euch in Häusern einquartieren. Wie viele seid ihr?“

„Siebenunddreißig.“

„Siebenunddreißig …“, wiederholte er. „Nein, das wird nicht funktionieren. Wenn ihr Bekannte oder Freunde habt, die euch in ihre Häuser aufnehmen wollen, dann sucht diese auf. Allen anderen kann ich nur anbieten, Jägerzelte zu errichten, die als notdürftige Unterkunft dienen müssen. Seht nach, wo ihr Platz findet!“

Ein dünnes Lächeln umspielte die Lippen der Frau. Bei näherem Hinsehen schien die Wortführerin der Geflüchteten Behlenos ein wenig ähnlich zu sehen. Aigonn schätzte sie beide etwa auf das gleiche Alter. Vielleicht waren sie verwandt. Er konnte sich entsinnen, dass die Cousine seines Fürsten die Fürsprecherin einer eigenen Siedlung war. Doch Aigonn konnte sich auch täuschen.

Während Behlenos die Flucht ergriff, traten seine Berater und andere Einwohner des Dorfes zu den Leidensgenossen vor und verwickelten sie in erregte Gespräche. Die Geschichte über den Überfall und die Eichenleute musste mehrmals erzählt werden, bis man die erschöpften Bärenjäger endlich zu Häusern und Hütten führte, um sie willkommen zu heißen.

Die junge Frau musterte Aigonn schweigend von der Seite. Er selbst wusste nicht, wie viel sie von den Umständen des Krieges erfahren hatte. Doch als er ihrem Blick begegnete, erfasste ihn das unsägliche Gefühl, dass hinter diesem Gesicht viel größeres Wissen und viel ältere Erinnerungen ihren Weg zurück zu ihrer Besitzerin fanden, als er es selbst auch nur ahnen konnte.

Als sich der Marktplatz allmählich geleert hatte und schon wieder die ersten Blicke auf dem ungleichen Paar hafteten, raffte die junge Frau ihren Rock, suchte den Korb mit der Wäsche und klemmte sich diesen wieder unter den Arm. Der Schatten des Hauses verschuf ihr für kurze Zeit Schutz vor den Blicken der Außenstehenden, sodass sie leise sagen konnte: „Oran möchte die Wiederkehr seiner verschwundenen Tochter feiern. Dazu will er sämtliche Bewohner des Dorfes heute Abend in sein Haus einladen, wie auch immer das möglich sein soll. Vielleicht können wir dort ungestört reden.“

Aigonn zog die Augenbrauen in die Höhe. Es erschien ihm ebenso fragwürdig, wie der weniger gut situierte Bauer Oran gut und gern siebzig Menschen in seinem winzigen Haus unterbringen wollte – die unerwarteten Gäste von außerhalb nicht eingerechnet –, als auch, wie man in dieser Menschenmenge ein unbemerktes Gespräch führen sollte. Doch Aigonn gab keinen Einwand. Es hatte keinen Sinn, diese Frage auszudiskutieren – und die junge Frau ließ ihm dafür ohnehin keine Zeit.

Sie verabschiedete sich nur mit einem kurzen Nicken, rückte den Korb zurecht und verschwand schließlich zwischen den Häusern in Richtung des Baches. Aigonn blieb zurück und starrte versonnen zu dem Schaf, das sich – größtenteils geschoren – das von der Sonne strapazierte Gras zu Gemüte führte. Er seufzte. Es hätte ihn nicht gestört, wenn die junge Frau geblieben wäre, um ihm beim Scheren der übrigen Schafe zu helfen.

Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle

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