Читать книгу Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle - Astrid Rauner - Страница 8

Prolog

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Über den Wiesen leuchtete blasses Zwielicht. Die Morgensonne hatte bisher kaum ihre ersten Strahlen über den Horizont geschickt, sodass die Schatten der Nacht noch nicht gewichen waren.

Aigonn fröstelte, als das nasse, hohe Gras seine nackten Arme streifte. Der kleine Junge ärgerte sich, dass er in all der Heimlichtuerei weder einen Mantel noch ein längeres Hemd mit sich genommen hatte, sondern stattdessen nur einen leichten Kittel, der in einem heißen Sommer wie diesem bei Tag vollkommen ausreichte. Die Sommersonne jedoch war mit all ihrer Wärme erst im Erwachen begriffen, sodass die Luft noch frisch und feucht war vom Morgentau.

Nebelschwaden krochen lautlos über das feuchte Gras. Aigonn jagte ein Schauer über den Rücken, als er den Geschichten seines Vaters gedachte, die man sich abends über die Geister und Wesen der Dämmerung erzählte. Wenn der Junge aber ehrlich war, fürchtete er sich viel mehr vor den wilden Tieren …

Es knackte. Aigonn fuhr zusammen. Sein Atem versiegte gleichzeitig, während sein Körper zu versteinern schien. Angsterfüllt lauschte er in das Zwielicht.

Das Gras raschelte leise. Die kleinen Tiere der Wiese waren erwacht, Hasen, Mäuse, vielleicht sogar ein Fuchs. Nichts deutete auf ein Raubtier hin. Aigonn wusste aber, ein Wolf würde sich nicht durch ein unbedachtes Geräusch auf der Jagd verraten. Wenn jetzt doch …

Du furchtbarer Hasenfuß!, schalt er sich in Gedanken. Du möchtest ein Krieger sein wie dein Vater und fürchtest dich vor Hasen? Immerhin war Aigonn bereits zehn – alt genug, um vielleicht in fünf oder sechs Jahren schon die Weihe zum Krieger zu erhalten. Fraglich war nur, was ihm all dies jetzt nutzte. In der Eile, in welcher er sich aus dem Haus seiner Eltern geschlichen hatte, hatte er es nicht gewagt, an den Waffen seines Vaters zu rühren.

Aigonn nahm einen tiefen Atemzug, um das Zittern in seinen Händen zu unterdrücken. Er war kein dummer Junge mehr! Sicherlich, es hatte einen Grund, warum sein Vater ihm verboten hatte, zu einer solchen Tageszeit die große Siedlung zu verlassen. Doch eine andere Chance hatte er nicht gehabt. Nicht, wenn er dem Donnerwetter entgehen wollte, das ihm so gut wie sicher war.

Aigonns Vater war Schäfer. Er hatte oft genug bei der Arbeit geholfen, während die Tiere auf den nahen Wiesen und in den Wäldern geweidet hatten. Und es hatte nicht lange gedauert, bis sein Vater ihn mit Schafen und Hunden allein hatte lassen können. Sicher, Aigonn war ja schon groß! Und bisher war es ihm immer gelungen, alle Tiere wohlbehalten zurück zum Hof seiner Eltern zu führen. Immer – bis auf gestern. Aigonn hatte so lange in der Abenddämmerung gewartet und in seinen Gedanken versunken zum Sonnenuntergang gesehen, dass er den Dachs erst bemerkt hatte, als dieser sich zähnefletschend unter die Schafe gemischt hatte. Panisch waren die Tiere auseinander gestoben, während die beiden besten Hunde von Aigonns Vater den Kampf mit dem Raubtier aufnahmen.

Aigonn selbst hatte sich einige böse Kratzer geholt, bis er das junge Raubtier mit seinem Speer und den Hunden vertrieben hatte. Doch während er danach in Eile mit allen Tieren nach Hause aufgebrochen war, hatte er völlig vergessen, dass er im Wald etwas zurückgelassen hatte.

Das Jagdmesser seines Vaters war im Tumult mit dem Dachs aus der Scheide am Gürtel gefallen. Aigonn war so durcheinander gewesen, dass er erst im Haus seiner Eltern mit Schrecken bemerkt hatte, dass er das kostbare Messer verloren hatte. Sein Vater hatte es ihm zur Jagd auf kleinere Tiere gegeben. Gestern noch hatte dieser nicht daran gedacht und den Verlust nicht bemerkt. Aigonn jedoch war sich sicher, dass er spätestens heute, wenn er wieder selbst mit seinen Schafen in den Wald aufbrechen wollte, das Messer verlangen würde.

Aigonn hatte keine Wahl. Er wusste, wo das Messer zu Boden gefallen sein musste. Und deshalb war es auch gar nicht schwer. Er würde einfach zurück in den Wald gehen, das Messer suchen, holen, zu der Siedlung zurücklaufen, die nun im Nebel hinter ihm verborgen lag, und auf seinem Lager den Schlafenden mimen, bis seine Eltern erwacht wären. So etwas musste doch schnell zu machen sein!

Doch während er sich zitternd seinen Weg durch das taunasse Gras suchte, schienen seine Beine mit jedem Schritt schwerer zu werden. Trotzig hatte er seine Arme ineinander verschränkt. Es war albern, sich so weichlich zu benehmen! Doch trotz allem Mut, den Aigonn sich einzureden versuchte, stach die Kälte weiter in seine nackte Haut.

Der Wald war eine schwarze Silhouette über der grauen Wiese. Aigonn fühlte, wie sein Herz immer fester zu schlagen begann, als er das erste Flüstern der Bäume hörte. Du bist schon so oft hier gewesen! Du gehst einfach zur alten Hainbuche, wo die Schafe geweidet haben, und suchst nach dem Messer. So nah am Waldrand gibt es keine gefährlichen Tiere. Hier gibt es nur Hasen, und Rehe, und Füchse …

Ein Rascheln. Aigonn wirbelte so schnell herum, dass er seinen erstickten Schreckensschrei nicht mehr bremsen konnte. Er stürzte beinahe zu Boden, als blitzschnell ein Tier an seinem Bein vorbeijagte. Grasbüschel bogen sich. Dann mischte sich in das Raunen des Windes das panische Quieken einer Ratte, bevor man Knöchelchen knacken hörte.

Aigonn schien das Herz bis in die Kehle zu pochen. Die Erleichterung wagte einen kläglichen Versuch, seine Angst zu vertreiben, als er die Silhouette der Wildkatze erkannte, die soeben ihre Beute zerlegte. Doch es gelang ihm nicht.

Es dauerte nicht lange, bis der Waldrand in Sicht kam. Er brauchte kaum fünfzig Schritte, um die Weidestelle mit dem einsamen Felsen auszumachen, der neben der gewaltigen Hainbuche ruhte. Hier hatte er das Messer verloren. Er rannte fast, bis er endlich die Stelle erreichte, wo er mit dem Dachs gekämpft hatte. Das Laub war noch immer aufgewühlt, doch da die Schafe die niedrigen Pflanzen abgefressen hatten, würde er das Messer schnell gefunden haben.

Die Kälte stach Aigonn wie Nadeln in die Haut, als seine Hände über den Boden fuhren. Im Wald war es so dunkel, dass er kaum mehr als helle und dunkle Schatten erkannte. Seine Ohren, Hände und Füße ersetzten nun seine Augen, denn bis hierhin war das blasse Morgenrot noch nicht durchgedrungen. Lediglich die Nebel hingen in silbrigem Dunst über dem Dickicht. Aigonn fühlte ihren klammen, feuchten Griff auf seiner Haut. Es fröstelte ihn wider Willen, während er weiter durch das Unterholz kroch.

Doch das Messer war nicht zu finden. Allmählich brach Panik in ihm aus. Sein Vater würde es ihm niemals verzeihen, wenn die wertvolle Waffe unter Laub begraben im Dickicht liegen bleiben würde. Er musste sie finden! Ganz egal, wie viel er sah oder spürte. Vielleicht lag sie noch auf dem Felsen, wo er gesessen hatte. Aigonn raffte sich auf und wollte im Laufschritt hinüber rennen. Er hatte ihn fast erreicht …

Plötzlich erstarrte er. Der Felsen war mit Nebeln umhüllt, als wollten diese den gewaltigen Stein verschlingen. Die ersten, blassen Strahlen der Morgenröte brachen durch das Blätterdach in den Bäumen und beleuchteten im Zwielicht eine Gestalt.

Eine Frau saß in anmutiger Haltung auf dem flachen Felsen. Aigonns Blick schien mit ihrem Anblick verwachsen, so starr stand er zwischen den Bäumen und wagte nicht, auch nur ein einziges Mal einzuatmen. Die Haut der Frau war bleich wie das Mondlicht. Ihre Konturen schienen so weich, dass sie mit den Nebeln zu verschwimmen begannen. Spinnweben gleich fielen ihre Haare über den ganzen Körper hinab, berührten den Felsen und verfingen sich einzeln in den Ästen der alten Hainbuche. Ihre Gestalt, ihr ganzer Körper war im Grunde zart wie der eines Mädchens, doch in ihren Augen erkannte Aigonn die Schwere und das Wissen unzähliger Jahre.

Aigonn war wie versteinert. Innerlich erschrak er ein zweites Mal, als er erkannte, wie die seidigen, schneeweißen Finger der Frau Erdkrümel von der Schneide eines kunstvoll geschmiedeten Jagdmessers wischten.

„Ich habe gefunden, was du suchst.“

Ihre Stimme war ein Raunen, das mit dem Wind widerzuhallen schien. Aigonn brachte kein Wort über die Lippen, als sie entspannt ihren Kopf hob, und ihre Augen seinen Blick einfingen. Die pechschwarzen Iris durchbohrten ihn. Es lag weder Feindlichkeit noch Abneigung in ihnen, doch Aigonn glaubte, unter der uralten Macht in ihnen zusammenzubrechen.

Sie ist kein Mensch. Er wagte kaum, diesen Gedanken zu Ende zu denken. Die Frau begann zu lächeln, als hätte sie seine lautlose Schlussfolgerung gehört, neigte leicht den Kopf und fragte herausfordernd: „Weißt du, wer ich bin?“

Aigonns Zunge schien mit seinem Gaumen verwachsen. Die Frage erschreckte ihn so sehr, dass er am liebsten auf der Stelle kehrtgemacht hätte und ohne das Messer in den Wald gerannt wäre. Doch er wagte nicht, seine Beine zu bewegen. Schweigend wartete die Frau auf seine Antwort. Es machte ihn so nervös, dass er stotternd hervorbrachte: „Ihr … seid eine Nebelfrau? Die … die Geister, die aus Nebeln geboren werden.“

Ihr Lächeln wurde breiter. „Wenn ihr es in eurem Volk so nennt, … hast du ganz recht.“ Federleicht wendete sie das schwere Jagdmesser zwischen ihren Fingern. „Du fürchtest dich vor mir?“

Aigonn antwortete nicht. So blind konnte sie nicht sein, dass sie es sich nicht selbst hätte denken können!

Doch sie wartete und schwieg. Die Nebelfrau schien längst zu wissen, dass er nicht antworten würde, und er wollte es nicht. Er wollte nach Hause laufen, sich unter seinem Schlaflager verkriechen. Doch sie schien ihn zu hypnotisieren, während sich das Jagdmesser zwischen ihren Fingern drehte. Die Nebelschwaden umgarnten lautlos ihre Züge, umspielten das zarte Lächeln auf ihren Lippen. Und je länger Aigonn ihre pechschwarzen Augen fixierte, desto mehr schien es ihm, als hauchte sie ihm einen Funken seiner Zukunft entgegen.

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