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5. Vortrag.
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Fünfter Vortrag.
Nochmals über die Stelle: „Und ich erkannte ihn nicht“ usw. Joh. 1, 33.
Was Johannes Neues erfahren habe durch die Taube.
1.
Nach dem Willen des Herrn sind wir zu dem Tage unseres Versprechens gelangt; er wird auch dies verleihen, daß wir zur Einlösung eben dieses Versprechens gelangen. Dann nämlich ist das, was wir sagen, sowohl uns wie euch nützlich, wenn es von ihm ist; was aber vom Menschen ist, ist Lüge, wie unser Herr Jesus Christus selbst gesagt hat: „Wer Lüge redet, redet von dem Seinigen“120. Niemand hat von dem Seinigen etwas, außer Lüge und Sünde. Wenn aber der Mensch etwas von Wahrheit und Gerechtigkeit hat, dann ist es von jener Quelle, nach der wir in dieser Wüste seufzen müssen, damit wir, daraus gleichsam durch einige Tropfen benetzt und auf dieser Pilgerschaft inzwischen getröstet, um nicht auf dem Wege zu erliegen121, zu seiner Ruhe und Sättigung kommen können. Wenn also „wer Lüge redet, von dem Seinigen redet“, so redet, wer Wahrheit redet, aus Gott. Wahrhaft ist Johannes, die Wahrheit ist Christus; wahrhaft ist Johannes, aber jeder Wahrhafte ist durch die Wahrheit wahrhaft; wenn also Johannes wahrhaft ist und der Mensch nur durch die Wahrheit wahrhaft sein kann, durch wen war er dann wahrhaft, wenn nicht durch denjenigen, der gesagt hat: „Ich bin die Wahrheit“122? Es könnte also weder die Wahrheit gegen den Wahrhaften noch der Wahrhafte gegen die Wahrheit aussagen. Den Wahrhaften hat die Wahrheit gesandt, und deshalb war er wahrhaft, weil er von der Wahrheit gesandt war. Wenn die Wahrheit den Johannes gesandt hatte, dann hatte ihn Christus gesandt. Aber was Christus zugleich mit dem Vater tut, das tut der Vater, und was der Vater zugleich mit Christus tut, das tut Christus. Weder tut der Vater etwas getrennt vom Sohne, noch tut der Sohn etwas getrennt vom Vater: unzertrennlich ist die Liebe, unzertrennlich die Einheit, unzertrennlich die Majestät, unzertrennlich die Macht, gemäß den Worten, die er selbst sprach: „Ich und der Vater sind eins“123. Wer also sandte den Johannes? Wenn wir sagen, der Vater, reden wir die Wahrheit; wenn wir sagen, der Sohn, reden wir die Wahrheit; deutlicher aber drücken wir es aus, wenn wir sagen: der Vater und der Sohn. Den aber der Vater und der Sohn sandte, hat der eine Gott gesandt, da der Sohn gesagt hat: „Ich und der Vater sind eins“. Wie also kannte er den nicht, von dem er gesandt wurde? Er sagte ja: „Ich kannte ihn nicht, aber der mich gesandt hat, im Wasser zu taufen, der sprach zu mir“. Ich frage den Johannes: Der dich gesandt hat, im Wasser zu taufen, was sprach er zu dir? „Über welchen du den Geist herabsteigen siehst, wie eine Taube, und auf ihm bleiben, der ist es, welcher tauft im Heiligen Geiste.“ Das, o Johannes, sprach zu dir der, welcher dich gesandt hat? Ohne Zweifel dies. Wer also hat dich gesandt? Vielleicht der Vater. Wahrhaft ist Gott der Vater, und die Wahrheit ist Gott der Sohn; wenn der Vater ohne den Sohn dich gesandt hat, dann hat dich Gott ohne die Wahrheit gesandt; wenn du aber deshalb wahrhaft bist, weil du die Wahrheit redest und aus der Wahrheit redest, dann hat dich der Vater nicht ohne den Sohn gesandt, sondern der Vater und der Sohn haben dich zugleich gesandt. Wenn also auch der Sohn dich gesandt hat zugleich mit dem Vater, wie kanntest du den nicht, von dem du gesandt wurdest? Den du in der Wahrheit gesehen hattest, der hat dich gesandt, damit er im Fleische anerkannt würde, und gesprochen: „Über welchen du den Geist herabsteigen siehst, wie eine Taube, und auf ihm bleiben, der ist es, welcher tauft im Heiligen Geiste“.
2.
Hat Johannes dies gehört, damit er den erkenne, den er nicht kannte, oder damit er den vollständiger erkenne, den er bereits kannte? Denn hätte er ihn gar nicht gekannt, so würde er nicht zu ihm, als er an den Fluß kam, um sich taufen zu lassen, gesagt haben: „Ich muß von Dir getauft werden, und Du kommst zu mir?“124 Er kannte ihn also. Wann aber ist die Taube herabgestiegen? Erst als der Herr getauft war und aus dem Wasser stieg. Aber wenn der, welcher ihn gesandt hat, sprach: „Über welchen du den Geist herabsteigen siehst, wie eine Taube, und auf ihm ruhen, der ist es, welcher tauft im Heiligen Geiste“, und er ihn noch nicht kannte, sondern ihn erst beim Herabkommen der Taube erkannte, die Taube aber dann herabkam, als der Herr aus dem Wasser stieg, Johannes aber schon damals den Herrn erkannt hatte, als der Herr zu ihm an das Wasser kam, so erhellt daraus für uns, daß Johannes den Herrn in einer Beziehung kannte, in anderer noch nicht kannte. Wenn wir es aber nicht so verstehen, war er ein Lügner. Wie war er wahrhaft, da er, ihn erkennend, sagt: „Du kommst zu mir, um Dich taufen zu lassen, und ich muß (doch) von Dir getauft werden“? Ist er wahrhaft, da er dies sagt? Und wie hinwieder ist er wahrhaft, da er sagt: „Ich kannte ihn nicht, aber der mich gesandt hat, im Wasser zu taufen, der sprach zu mir: Über welchen du den Geist herabsteigen siehst, wie eine Taube und auf ihm bleiben, der ist es, welcher tauft im Heiligen Geiste“? Erkannt wurde der Herr durch die Taube, aber nicht von dem, der ihn überhaupt nicht kannte, sondern von dem, der an ihm etwas erkannte, etwas aber nicht. Es ist also unsere Sache, zu untersuchen, was Johannes an ihm noch nicht kannte und durch die Taube erst kennen lernte.
3.
Warum ist Johannes zu taufen gesandt worden? Dies habe ich, wie ich mich erinnere, so gut ich konnte, eurer Liebe bereits gesagt. Wenn nämlich die Taufe des Johannes zu unserem Heile notwendig war, dann müßte sie auch jetzt noch in Übung sein. Denn nicht werden jetzt die Menschen nicht selig oder jetzt nicht mehrere selig, noch auch war damals das Heil ein anderes als jetzt. Wenn Christus sich geändert hat, dann hat sich auch das Heil geändert; wenn aber das Heil in Christus ist, und Christus derselbe ist, ist auch das Heil für uns dasselbe. Aber warum wurde Johannes zu taufen gesandt? Weil Christus getauft werden mußte. Warum mußte Christus getauft werden? Nun, warum mußte Christus geboren werden? Warum mußte Christus gekreuzigt werden125? Wenn er nämlich gekommen war, den Weg der Demut zu zeigen und sich selbst zum Weg der Demut zu machen, so mußte er in allem verdemütigt werden. Auf diese Weise würdigte er sich,* seiner* Taufe Ansehen zu verschaffen, damit die Diener erkennen möchten, mit welcher Freudigkeit sie zur Taufe des Herrn eilen sollten, da er selbst sich nicht weigerte, die Taufe des Dieners zu empfangen. Denn Johannes erhielt die Vergünstigung, daß sie seine Taufe genannt wurde.
4.
Dies beachte und unterscheide und wisse eure Liebe. Die Taufe, welche Johannes empfing, ist die Johannes-Taufe genannt worden; er allein empfing einen solchen Vorzug; keiner der Gerechten vor ihm, keiner nach ihm empfing eine Taufe, welche die seinige hieße. Freilich hat er sie* empfangen*, denn aus sich könnte er nichts; denn wenn jemand aus sich redet, redet er Lüge von dem Seinigen126. Und woher empfing er sie, wenn nicht vom Herrn Jesus Christus? Von dem empfing er die Gewalt zu taufen, den er nachher taufte. Wundert euch nicht; denn so hat Christus dies an Johannes getan, wie er ein gewisses Etwas an seiner Mutter getan hat. Von Christus nämlich heißt es: „Alles ist durch ihn geworden“127; wenn alles durch ihn geworden ist, dann ist auch Maria durch ihn geworden, von welcher nachher Christus geboren wurde. Eure Liebe gebe acht: Wie er Maria schuf und durch Maria geschaffen wurde, so gab er dem Johannes die Taufe und wurde von Johannes getauft.
5.
Deshalb also empfing er die Taufe von Johannes, um durch Annahme des Niedrigeren von dem Niedrigeren zum Höheren die Niedrigeren aufzufordern. Aber warum ist nicht er allein von Johannes getauft worden, wenn Johannes deshalb gesandt wurde, daß durch ihn Christus getauft würde, damit er dem Herrn d. i. Christus den Weg bereite? Auch das haben wir bereits gesagt, allein wir wollen es nochmals erwähnen, weil es für die gegenwärtige Frage notwendig ist. Wenn nur unser Herr Jesus Christus mit der Taufe des Johannes getauft worden wäre ― behaltet, was wir sagen; nicht so viel soll die Welt vermögen, daß sie aus euren Herzen tilge, was dort der Geist Gottes geschrieben hat; nicht so viel sollen die Dornen der Sorgen vermögen, daß sie den Samen ersticken, der in euch ausgesät wird; denn warum sind wir gezwungen, dasselbe zu wiederholen, als weil wir bezüglich eures Gedächtnisses nicht sicher sind? ― wenn also einzig der Herr mit der Taufe des Johannes getauft worden wäre, so würde es nicht an solchen mangeln, welche dadurch zu der Meinung kämen, die Taufe des Johannes sei vorzüglicher als die Taufe Christi. Denn sie würden sagen: So sehr ist jene Taufe vorzüglicher, daß einzig Christus mit ihr getauft zu werden verdiente. Damit uns also vom Herrn ein Beispiel der Demut gegeben würde zur Annahme des Heiles, das aus der Taufe kommt, hat Christus empfangen, was für ihn nicht notwendig war, was aber für uns notwendig war. Und wieder, damit nicht eben das, was Christus von Johannes empfing, der Taufe Christi vorgezogen würde, durften auch andere von Johannes getauft werden. Aber die von Johannes getauft wurden, für diese war das nicht hinreichend; denn sie wurden auch mit der Taufe Christi getauft, weil die Taufe des Johannes nicht die Taufe Christi war. Jene, welche die Taufe Christi empfangen, begehren nicht die Taufe des Johannes; jene aber, welche die Taufe des Johannes empfingen, begehrten die Taufe Christi. Also für Christus genügte die Taufe des Johannes. Wie sollte sie nicht genügen, da nicht einmal sie notwendig war? Denn er bedurfte keiner Taufe, sondern um uns zum Empfang einer Taufe zu ermuntern, empfing er die Taufe des Dieners. Und damit nicht die Taufe des Dieners der Taufe des Herrn vorgezogen würde, wurden auch andere mit der Taufe des Mitknechtes getauft. Allein die getauft wurden mit der Taufe des Mitknechtes, mußten noch mit der Taufe des Herrn getauft werden; die aber getauft werden mit der Taufe des Herrn, haben die Taufe des Mitknechtes nicht nötig.
6.
Weil also Johannes die Taufe empfangen hatte, welche insbesondere die Taufe des Johannes heißen sollte, der Herr Jesus Christus aber seine Taufe niemand geben wollte, nicht damit niemand mit der Taufe des Herrn getauft würde, sondern damit immer der Herr selbst taufe, so ist dies bezweckt worden, daß der Herr auch durch die Diener taufe, d. h. daß diejenigen, welche durch die Diener des Herrn getauft werden sollten, der Herr taufe, nicht jene. Denn etwas anderes ist es, im Auftrage zu taufen, etwas anderes, aus eigener Machtvollkommenheit zu taufen. Denn die Taufe ist so beschaffen, wie der ist, in dessen Macht sie erteilt wird, nicht so, wie der ist, durch dessen Dienste sie gespendet wird. Die Taufe des Johannes war so, wie Johannes: eine gerechte Taufe, als die eines Gerechten, jedoch eines Menschen, der aber vom Herrn diese Gnade empfangen hatte, und zwar eine solche Gnade, daß er würdig war, vor dem Richter herzugehen und auf ihn mit dem Finger hinzuweisen und das Wort jener Weissagung zu erfüllen: „Stimme des Rufenden in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg“128. Die Taufe des Herrn aber ist so, wie der Herr; also ist die Taufe des Herrn göttlich, weil der Herr Gott ist.
7.
Es konnte aber der Herr Jesus Christus, wenn er gewollt hätte, irgend einem seiner Diener die Macht verleihen, seine Taufe gleichsam an seiner Statt zu spenden, indem er die Gewalt zu taufen von sich weggab und irgend einem Diener übertrug und der auf den Diener übertragenen Taufe dieselbe Kraft gab, welche die vom Herrn gespendete Taufe hätte. Das wollte er deshalb nicht, damit die Hoffnung der Getauften auf dem ruhte, von dem sie wußten, daß er sie getauft. Er wollte also nicht, daß der Diener seine Hoffnung auf den Diener setze. Und darum riet der Apostel, als er Menschen sah, die ihre Hoffnung auf ihn setzen wollten: „Ist etwa Paulus für euch gekreuzigt worden? Oder seid ihr im Namen des Paulus getauft worden?“129. Es taufte also Paulus als Diener, nicht als Machthaber; es taufte aber der Herr als Machthaber. Merket auf. Es konnte der Herr diese Macht den Dienern geben, aber er wollte nicht. Denn wenn er diese Macht den Dienern gegeben hätte, d. h. also, daß ihnen gehörte, was des Herrn war, dann gäbe es so viele Taufen, als Diener wären, so daß man, wie man von einer Taufe des Johannes spricht, auch von einer Taufe des Petrus, einer Taufe des Paulus, einer Taufe des Thomas, des Matthäus, des Bartholomäus reden würde; denn jene hieß die Taufe des Johannes. Allein vielleicht entgegnet einer und sagt: Beweise uns, daß jene den Namen „Taufe des Johannes“ hatte. Ich will es beweisen durch die Worte der Wahrheit selbst, als sie die Juden fragte: „Woher ist die Taufe des Johannes? Vom Himmel oder von den Menschen?“130. Also damit nicht so viele Taufen genannt würden, als Diener wären, die in der vom Herrn empfangenen Macht tauften, behielt der Herr die Macht zu taufen für sich, während er den Dienst den Dienern gab. Es sagt der Diener, er taufe; er sagt es mit Recht; wie der Apostel sagt: „Ich habe auch das Haus des Stephanus getauft“131, aber als Diener. Wenn er darum auch schlecht ist, aber den Dienst hat, so läßt Gott, wenn auch die Menschen ihn nicht kennen und Gott ihn kennt, durch ihn taufen, er, der die Macht für sich behielt.
8.
Dies aber kannte Johannes an dem Herrn nicht. Daß er der Herr war, wußte er; daß er von ihm getauft werden mußte, wußte er; und er bekannte, daß jener die Wahrheit war und er als wahrhaft von der Wahrheit gesandt war; das wußte er. Aber was kannte er an ihm nicht? Daß er die Macht der Taufe für sich behalten und sie nicht weggegeben und auf irgend einen Diener übertragen werde, sondern daß, ob nun ein guter oder ein schlechter Knecht im Dienste taufte, der Getaufte wissen sollte, er sei von keinem anderen getauft als von dem, der die Macht zu taufen für sich behielt. Und damit ihr wisset, Brüder, daß dies Johannes an ihm nicht kannte und dies erst durch die Taube kennen lernte ― denn den Herrn kannte er, aber daß er die Macht zu taufen für sich behalten und sie keinem Diener geben werde, wußte er noch nicht; demgemäß sagte er: „Und ich kannte ihn nicht“ ― damit ihr ersehet, daß er dies dort kennen gelernt hat, so beachtet das Folgende: „Aber der mich gesandt hat, im Wasser zu taufen, sprach zu mir: Über welchen du den Geist herabsteigen siehst, wie eine Taube, und auf ihm bleiben, der ist es“. Was ist der? Der Herr. Aber den Herrn kannte er bereits. Denket euch also, bis hierher habe Johannes gesprochen: „Ich kannte ihn nicht; aber der mich gesandt hat, im Wasser zu taufen, der sprach zu mir“. Wir fragen, was er gesagt hat. Es folgt: „Über welchen du den Geist herabsteigen siehst, wie eine Taube, und auf ihm bleiben“. Ich führe das Folgende nicht an; indes gebet acht: „Über welchen du den Geist herabsteigen siehst, wie eine Taube, und auf ihm bleiben, der ist es“. Aber was ist er? Was wollte der durch die Taube mich lehren, der mich gesandt hat? Daß er der Herr war? Ich kannte den bereits, von dem ich gesandt war; ich kannte den bereits, zu dem ich sprach: „Du kommst zu mir, um getauft zu werden? Ich muß von dir getauft werden“. Soweit also erkannte ich den Herrn, daß ich von ihm getauft werden wollte, nicht daß er von mir getauft werden sollte; und dann sprach er zu mir: „Laß es nur; es soll alle Gerechtigkeit erfüllt werden“132; ich kam zu leiden; soll ich nicht auch kommen, um getauft zu werden? „Es soll alle Gerechtigkeit erfüllt werden“, sprach mein Gott zu mir; es soll alle Gerechtigkeit erfüllt werden, ich möchte in vollem Maß Demut üben; Ich kenne Übermütige in meinem künftigen Volke, ich kenne gewisse Menschen, die irgendwie höher stehen werden in der Gnade, so daß sie beim Anblick der Unwissenden, die getauft werden, weil sie selbst sich für besser halten, sei es wegen Enthaltsamkeit oder Freigebigkeit oder Wissen, vielleicht sich weigern, das zu empfangen, was jene Niedrigen empfangen haben; ich muß sie heilen, damit sie es nicht verschmähen zur Taufe des Herrn zu kommen, da doch ich zur Taufe des Dieners kam.
9.
Bereits also kannte Johannes das und kannte den Herrn. Was also lehrte die Taube? Was wollte durch die Taube d. i.durch den in dieser Weise kommenden Heiligen Geist derjenige lehren, der den gesandt hatte, zu dem er sprach: „Über welchen du den Geist herabsteigen siehst, wie eine Taube, und auf ihm bleiben, der ist es“? Wer ist er? Der Herr. Ich weiß es. Aber hast du etwa das schon gewußt, daß jener Herr, der die Macht zu taufen hat, diese Macht keinem Diener geben, sondern sie für sich behalten werde, damit jeder, der durch den Dienst des Dieners getauft wird, die Taufe nicht dem Diener, sondern dem Herrn zuschreibe? Hast du dies etwa schon gewußt? Das wußte ich nicht, bis er zu mir sagte: „Auf welchen du den Geist herabsteigen siehst, wie eine Taube, und auf ihm bleiben, der ist es, welcher tauft im Heiligen Geiste“. Er sagt nicht: der ist der Herr; er sagt nicht: der ist Gott; er sagt nicht: der ist Jesus; er sagt nicht: der ist der aus der Jungfrau Maria Geborene, der nach dir kommt, aber vor dir war; dies sagt er nicht; denn das wußte Johannes bereits. Aber was wußte er nicht? Daß der Herr selbst die so große Macht der Taufe haben und für sich behalten werde, mag er auf Erden gegenwärtig sein oder dem Leibe nach im Himmel abwesend und der Majestät nach (buf Erden) gegenwärtig; daß er die Macht der Taufe für sich behalten werde, damit nicht Paulus sage: Meine Taufe, noch Petrus sage: Meine Taufe. Darum sehet zu, gebet acht auf das, was die Apostel sagen. Keiner der Apostel hat gesagt: Meine Taufe. Obwohl alle das eine Evangelium hatten, so findest du doch, daß einer sagte: Mein Evangelium, du findest aber nicht, daß einer gesagt hätte: Meine Taufe.
10.
Das also lernte Johannes kennen, meine Brüder. Was Johannes durch die Taube kennen lernte, das wollen auch wir kennen lernen. Denn nicht hat die Taube den Johannes gelehrt, die Kirche aber nicht gelehrt, zu welcher gesagt wurde: „Eine ist meine Taube“133. Die Taube lehre die Taube134; es erkenne die Taube, was Johannes durch die Taube kennen gelernt hat. Der Heilige Geist stieg in Gestalt einer Taube herab. Warum hat aber Johannes, was er durch die Taube kennen lernte, gerade durch die Taube kennen gelernt? Er mußte nämlich lernen, und vielleicht mußte er das eben nur durch die Taube lernen. Was soll ich von der Taube sagen, meine Brüder? Oder wann steht mit die Fähigkeit des Herzens oder der Zunge zu Gebote, so zu reden, wie ich möchte? Und vielleicht fehlt es mir am guten Willen zu reden, wie zu reden wäre, und ich kann auch nicht so reden, wie ich will135, um wieviel weniger, wie ich soll. Ich möchte dies von einem Fähigeren hören, nicht euch sagen.
11.
Es lernt Johannes den kennen, den er schon kannte; aber er lernt ihn darin kennen, worin er ihn nicht kannte. Und was kannte er? Den Herrn. Was kannte er nicht? Daß die Macht über die Taufe des Herrn auf keinen Menschen vom Herrn übergehen werde, wohl aber der Dienst; daß die Macht vom Herrn auf niemand, der Dienst auf Gute und Böse übergehen werde. Es schaudere die Taube nicht zurück vor dem Dienste der Bösen, sie schaue hin auf die Macht des Herrn. Was kann dir der böse Diener tun, wo der Herr gut ist? Was für Hindernisse kann dir ein boshafter Herold in den Weg legen, wenn der Richter wohlwollend ist? Johannes lernte dies durch die Taube kennen. Was ist das, was er kennen lernte? Er selbst wiederhole es: „Er sprach zu mir: Über welchen du den Geist herabsteigen siehst, wie eine Taube, und auf ihm bleiben, der ist es, welcher tauft im Heiligen Geiste“. Es mögen dich also, o Taube, nicht täuschen die Verführer, welche sagen: Wir taufen136. Taube, erkenne, was die Taube gelehrt hat. „Der ist es, welcher tauft im Heiligen Geiste.“ Durch die Taube werden wir belehrt, daß es dieser ist, und du meinst, daß du durch die Macht desjenigen getauft wirst, durch dessen Dienst du getauft wirst? Wenn du das meinst, bist du nicht im Leibe der Taube137, und wenn du nicht im Leibe der Taube bist, so ist es kein Wunder, daß du die Einfalt nicht hast. Denn die Einfalt wird besonders durch die Taube dargestellt.
12.
Warum erfuhr Johannes durch die Einfalt der Taube, daß „dieser es ist, welcher tauft im Heiligen Geiste“, meine Brüder, wenn nicht eben jene keine Tauben waren, welche die Kirche verunreinigten? Habichte waren sie, Geier waren sie. Die Taube zerfleischt nicht. Du siehst, wie jene uns anfeinden, gleich als ob es sich um Verfolgungen handelte, die sie erlitten haben. In körperlicher Beziehung haben sie zwar gewissermaßen Verfolgungen erlitten, obwohl es Geißeln des Herrn waren, der sie offenbar auf eine Zeitlang züchtigte, um sie nicht ewig verdammen zu müssen, falls sie die Züchtigung nicht erkennen und sich nicht bessern. Jene verfolgen die Kirche in Wahrheit, die sie mit Arglist verfolgen; jene treffen schwerer das Herz, welche mit dem Schwerte der Zunge verwunden; jene vergießen gefährlicher Blut, welche Christus, soviel an ihnen liegt, im Menschen töten. In Schrecken gesetzt scheinen sie gewissermaßen durch das Urteil der Obrigkeit. Was tut dir die Obrigkeit, wenn du gut bist? Wenn du aber böse bist, so fürchte die Obrigkeit: „Denn nicht umsonst trägt sie das Schwert“, sagt der Apostel138. Ziehe nur du nicht dein Schwert, womit du Christus triffst. Christ, was verfolgst du am Christen? Was hat in dir der Kaiser verfolgt? Das Fleisch hat er verfolgt; du verfolgst im Christen den Geist. Du tötest nicht das Fleisch. Und doch schonen sie auch das Fleisch nicht; so viele sie konnten, haben sie durch Niederhauen ums Leben gebracht; weder die Ihrigen noch Fremde haben Schonung bei ihnen gefunden139. Das ist allgemein bekannt. Gehässig ist die Obrigkeit, weil sie gesetzmäßig ist; gehässig handelt der, welcher nach Recht handelt; ohne Gehässigkeit handelt der, welcher gegen die Gesetze handelt. Es sehe ein jeder von euch, meine Brüder, was der Christ hat. Daß er ein Mensch ist, hat er mit vielen gemeinsam; daß er ein Christ ist, unterscheidet ihn von vielen; und mehr geht ihn an, daß er ein Christ ist, als daß er ein Mensch ist. Denn dadurch, daß er ein Christ ist, wird er erneuert zum Bilde Gottes, von dem der Mensch geschaffen ist zum Bilde Gottes140, sofern er aber ein Mensch ist, könnte er auch ein Bösewicht, könnte er auch ein Heide, könnte er auch ein Götzendiener sein. Du verfolgst im Christen sein Besseres, denn du willst ihm das rauben, wodurch er lebt. Er lebt nämlich in zeitlicher Beziehung durch den Lebensgeist, wodurch der Leib belebt wird; er lebt aber für die Ewigkeit durch die Taufe, welche er vom Herrn empfangen hat; du willst ihm das rauben, was er vom Herrn empfangen hat; du willst ihm das rauben, wodurch er lebt. Die Räuber wollen die, welche sie berauben, so berauben, daß sie selbst mehr haben und jene nichts haben; du beraubst diesen und hast selbst nicht mehr; denn dir wird nicht mehr zuteil, weil du diesen beraubst. Aber in der Tat tun sie das, was die tun, welche das Leben nehmen; dem anderen nehmen sie es, und sie selbst haben kein doppeltes Leben.
13.
Was also willst du wegnehmen? Warum mißfällt dir der, den du wieder taufen willst? Du kannst nicht geben, was er schon hat; sondern machst ihn zum Leugner dessen, was er hat. Was tat der Heide Schlimmeres, der Verfolger der Kirche? Es wurden die Schwerter gezogen gegen die Märtyrer, es wurden wilde Tiere losgelassen, Feuer an sie gelegt. Wozu das? Damit der, welcher solches litt, sage: Ich bin kein Christ. Was lehrst du den, den du nochmal taufen willst, als daß er zuerst sage: Ich bin kein Christ? Wozu der Verfolger einst das Feuer gebrauchte, dazu wendest du jetzt die Zunge an; durch Verführung suchst du zu erreichen, was jenem durch Tötung nicht gelang. Und was ist das, was du geben willst, und wem willst du es geben? Wenn er dir die Wahrheit sagt und nicht von dir verführt lügt, wird er sagen: Ich habe es. Du fragst: Hast du die Taufe? Ich habe sie, sagt er: Solange er sagt: Ich habe sie, sagst du, will ich sie nicht geben. Gib sie nicht: denn was du geben willst, kann an mir nicht haften, weil das, was ich empfangen habe, mir nicht genommen werden kann. Aber warte doch; ich möchte sehen, was du mich lehren willst. Sag, spricht er, zuerst: Ich habe sie nicht. Allein ich habe sie: wenn ich sage: Ich habe sie nicht, lüge ich; denn was ich habe, habe ich. Du hast sie nicht, sagt er. Zeige, daß ich sie nicht habe. Ein Sünder hat sie dir gegeben. Wenn Christus ein Sünder ist, hat sie mir ein Sünder gegeben. Nein, sagt er. Christus ist kein Sünder, aber Christus hat sie dir nicht gegeben. Wer also hat sie mir gegeben? Antworte: ich weiß, daß ich sie von Christus empfangen habe. Es hat sie dir, sagt er, irgend ein Auslieferer der heiligen Schriften (traditor) gegeben, nicht Christus. Werde ich wohl nachforschen, wer der Diener war; werde ich nachforschen, wer der Herold war? Um den Amtsdiener streite ich nicht; ich schaue auf den Richter, und vielleicht ist das, was du dem Diener vorwirfst, erlogen; allein ich will mich in keine Untersuchung einlassen; die Sache seines Dieners untersuche der Herr von beiden. Vielleicht kannst du, wenn ich einen Beweis verlange, deine Behauptung nicht beweisen; ja du lügst; es ist erwiesen, daß du es nicht beweisen konntest141; allein darauf stütze ich meine Sache nicht, damit du nicht, wenn ich anfange, unschuldige Menschen nachdrücklich zu verteidigen, auf die Meinung kommest, ich hätte meine Hoffnung wenigstens auf unschuldige Menschen gesetzt. Mögen die Menschen wie immer beschaffen gewesen sein, ich habe die Taufe von Christus empfangen, ich bin von Christus getauft worden. Nein, sagt er, sondern jener Bischof hat dich getauft und jener Bischof verkehrt mit diesen und jenen142. Von Christus bin ich getauft; ich weiß es. Woher weißt du es? Die Taube hat es mich gelehrt, welche Johannes sah. O du böser Geier, du kannst mich nicht losreißen vom Schoße der Taube; ich zähle mich zu den Gliedern der Taube; denn was die Taube lehrte, das weiß ich. Du sagst mir: der oder der hat dich getauft; durch die Taube wird mir und dir gesagt: „ Dieser ist es, welcher tauft“; wem glaube ich wohl, dem Geier oder der Taube?
14.
In der Tat gib du mir Antwort, damit du durch jene Leuchte beschämt werdest, durch die auch die früheren Feinde, die dir gleichenden Pharisäer, beschämt wurden, zu denen der Herr, als sie ihn fragten, in welcher Gewalt er das tue, sagte: „Ich will euch auch ein Wort fragen. Saget mir, woher ist die Taufe des Johannes? Vom Himmel oder von den Menschen?“ Und jene, welche Ränke zu schmieden sich anschickten, wurden durch die Frage wie im Netze gefangen, fingen an bei sich selbst nachzudenken und sprachen: „Wenn wir sagen: vom Himmel, so wird er uns fragen: Warum habt ihr ihm nicht geglaubt?“ Johannes hatte nämlich vom Herrn gesagt: „Siehe das Lamm Gottes, siehe, das da hinwegnimmt die Sünde der Welt“143. Was fragt ihr also, in welcher Gewalt ich das tue? O ihr Wölfe, in der Gewalt des Lammes tue ich, was ich tue. Aber warum habt ihr, um das Lamm kennen zu lernen, dem Johannes nicht geglaubt, welcher sagte: „Siehe das Lamm Gottes, siehe, das da hinwegnimmt die Sünde der Welt?“. Da sie also wußten, was Johannes von dem Herrn gesagt hatte, sprachen sie bei sich: „Wenn wir sagen, vom Himmel“ (ist die Taufe des Johannes), „so wird er zu uns sagen: Warum also habt ihr ihm nicht geglaubt? Wenn wir sagen: Von den Menschen ist sie, so werden wir vom Volke gesteinigt werden; denn sie halten den Johannes für einen Propheten“. Auf der einen Seite fürchteten sie die Menschen, auf der andern schämten sie sich, die Wahrheit zu bekennen. Die Finsternis antwortete Finsternis, aber sie wurde vom Lichte überwunden. Denn was antworteten sie? „Wir wissen es nicht.“ Was sie wußten, davon sagten sie: „Wir wissen es nicht“. Und der Herr erwiderte: „Auch ich sage euch nicht, in welcher Gewalt ich dies tue“144. Und so wurden die ersten Feinde beschämt. Wie? Durch die Leuchte. Wer war die Leuchte? Johannes. Können wir beweisen, daß er eine Leuchte war? Wir beweisen es. Der Herr sagt nämlich: „Er war eine brennende und Licht gebende Leuchte“145. Können wir beweisen, daß auch durch ihn die Feinde beschämt wurden? Höre den Psalm: „Ich habe“, sagt er, „meinem Christus eine Leuchte bereitet; seine Feinde will ich mit Schande bedecken“146.
15.
Noch wandeln wir in der Finsternis dieses Lebens an der Leuchte des Glaubens; halten auch wir uns an die Leuchte Johannes; beschämen auch wir damit die Feinde Christi; oder vielmehr er beschäme seine Feinde durch seine Leuchte. Fragen auch wir, was der Herr die Juden fragte, fragen wir und sagen wir: Woher ist die Taufe des Johannes? Vom Himmel oder von den Menschen? Was werden sie sagen? Sehet, ob nicht auch sie als Feinde durch die Leuchte beschämt werden. Was werden sie sagen? Wenn sie sagen: Von den Menschen, so werden selbst die Ihrigen sie steinigen; wenn sie aber sagen: Vom Himmel, so sagen wir zu ihnen: Warum also habt ihr ihm nicht geglaubt? Sie sagen vielleicht: Wir glauben ihm. Wie saget ihr nun aber, daß* ihr* tauft, und Johannes sagt doch: „Dieser ist es, welcher tauft“. Aber die Diener eines so großen Richters, sagen sie, müssen gerecht sein, um taufen zu können. Auch ich sage, und alle sagen wir, daß die Diener eines so großen Richters gerecht sein müssen; die Diener seien gerecht, wenn sie wollen; wenn aber die, welche auf dem Stuhle des Moses sitzen, nicht gerecht sein wollen, so macht mich mein Meister sicher, von welchem sein Geist gesagt hat: „Dieser ist es, welcher tauft“. Wie hat er mich sicher gemacht? „Die Schriftgelehrten und Pharisäer“, sagt er, „sitzen auf dem Stuhle des Moses; was sie sagen, das tut; was sie aber tun, das tut nicht; denn sie sagen es und tun es nicht“147. Wenn ein Diener gerecht ist, rechne ich ihn zu Paulus, rechne ich ihn zu Petrus; zu diesen rechne ich die gerechten Diener, weil wahrhaft gerechte Diener nicht ihre Ehre suchen; denn sie sind Diener, sie wollen nicht für die Richter gehalten werden; sie schaudern zurück, daß man die Hoffnung auf sie setze; also zu Paulus rechne ich einen gerechten Diener. Denn was sagt Paulus? „Ich habe gepflanzt, Apollo hat begossen, aber der Herr gab das Wachstum; weder der pflanzt ist etwas, noch wer begießt, sondern der das Wachstum gibt, Gott“148. Wer aber ein stolzer Diener ist, wird zum Teufel gerechnet; allein die Gabe Christi wird nicht befleckt, sie fließt durch ihn rein, geht durch ihn hindurch und kommt klar zum fruchtbaren Erdreich. Angenommen auch, daß er selbst steinern sei und aus dem Wasser keine Frucht hervorbringen könne, das Wasser geht auch durch einen steinernen Kanal, das Wasser gelangt zu den Beeten; im steinernen Kanal erzeugt es nichts, bringt aber doch den Gärten gar viele Frucht. Denn die geistige Kraft des Sakramentes ist wie ein Licht, sie wird von den zu Erleuchtenden rein aufgenommen und, wenn sie durch Unreine geht, nicht befleckt. Die Diener sollen freilich gerecht sein und nicht ihre Ehre suchen, sondern die Ehre desjenigen, dessen Diener sie sind; sie sollen nicht sagen: Meine Taufe ist es, weil sie nicht die ihrige ist. Sie sollen auf Johannes hinschauen. Siehe, Johannes war voll des Heiligen Geistes und hatte die Taufe vom Himmel, nicht von den Menschen, aber inwiefern hatte er sie? Er selbst hat gesagt: „Bereitet den Weg dem Herrn“149. Sobald aber der Herr erkannt war, ist dieser selbst der Weg geworden; es bedurfte nicht mehr der Taufe des Johannes, um durch sie den Weg zu bereiten.
16.
Doch was pflegen sie uns zu erwidern? Siehe,* nach* Johannes wurde getauft. Bevor nämlich diese Frage in der katholischen Kirche richtig behandelt wurde, haben viele darin geirrt, bedeutende und gute Männer150, allein weil sie zu den Gliedern der Taube gehörten, haben sie sich nicht getrennt und es erfüllte sich an ihnen, was der Apostel gesagt hat: „Wenn ihr anders urteilt, auch dies wird der Herr euch offenbaren“151. Darum sind die, welche sich trennten, ungelehrig geworden. Was also pflegen sie zu sagen? Siehe, nach Johannes wurde getauft; nach Häretikern soll nicht getauft werden? Denn einige, welche die Taufe des Johannes hatten, mußten sich auf Anordnung des Paulus nochmals taufen lassen152; sie hatten nämlich nicht die Taufe Christi. Was erhebst du also das Verdienst des Johannes und achtest gleichsam für nichts die unglückseligen Häretiker? ― Auch ich gebe dir zu, die Häretiker seien verbrecherisch, allein die Häretiker haben die Taufe Christi erteilt, die Johannes nicht erteilte.
17.
Ich komme auf Johannes zurück und sage: „Dieser ist es, welcher tauft“. So nämlich ist Johannes besser als ein Häretiker, wie Johannes besser ist als ein Trunkenbold, wie Johannes besser ist als ein Mörder. Wenn wir nach einem weniger Guten wieder taufen müssen, weil die Apostel nach einem Besseren tauften, dann sind alle wieder zu taufen, die bei ihnen153 getauft wurden von einem Trunksüchtigen, ich sage nicht von einem Mörder, ich sage nicht von dem Helfershelfer eines Frevlers154, ich sage nicht von einem Räuber fremden Gutes, ich sage nicht von einem Unterdrücker von Waisen, von einem Entzweier von Eheleuten, nichts von dem sage ich; was gewöhnlich ist, sage ich, was alltäglich ist, sage ich, wozu alle eingeladen werden, sage ich, auch in dieser Stadt, wenn zu ihnen gesagt wird: „Laßt uns unsinnig sein, tun wir uns ein Gutes an, und an einem solchen Januarsfesttage brauchst du nicht zu fasten“, solche leichte, tägliche Dinge meine ich; ― wenn von einem trunksüchtigen Menschen getauft wird, wer ist besser, Johannes oder der Trunksüchtige? Antworte, wenn du kannst, dein Trunksüchtiger sei besser als Johannes, du wirst dies niemals wagen. Also taufe du, weil du nüchtern bist, nach deinem Trunkenbold. Denn wenn nach Johannes die Apostel getauft haben, um wieviel mehr muß nach einem Trunkenbold ein Nüchterner taufen? Oder sagst du: Der Trunkenbold steht mit mir in Gemeinschaft155? Also war Johannes, der Freund des Bräutigams, nicht in Gemeinschaft mit dem Bräutigam?
18.
Aber dich selbst frage ich, wer immer du bist: Bist* du* besser oder Johannes? Du wirst dir nicht zu sagen getrauen: Ich bin besser als Johannes. Also sollen nach dir die Deinigen taufen, wenn sie besser sind als du. Denn wenn nach Johannes getauft wurde, so erröte, daß nach dir nicht getauft wird. Du wirst sagen: Aber ich habe und lehre die Taufe Christi. Erkenne also endlich einmal den Richter an und sei kein stolzer Herold. Die Taufe Christi spendest du, daher wird nach dir nicht getauft; nach Johannes wurde deshalb getauft, weil er nicht die Taufe Christi spendete, sondern die seinige, da er sie so empfangen hatte, daß sie die seinige war. Du bist also nicht besser als Johannes, aber die Taufe, welche durch dich gespendet wurde, ist besser als die des Johannes; denn jene ist die Taufe Christi, diese die Taufe des Johannes. Auch die von Paulus und die von Petrus gegeben wurde, ist die Taufe Christi, und wenn sie von Judas gegeben wurde, war sie die Taufe Christi. Es gab sie Judas, und es wurde nach Judas nicht getauft; es gab sie Johannes, und es wurde nach Johannes getauft; denn wenn sie von Judas gegeben wurde, war es die Taufe Christi, wurde sie aber von Johannes gegeben, so war es die Taufe des Johannes. Wir ziehen nicht den Johannes dem Judas, sondern die Taufe Christi, auch wenn sie durch die Hände des Judas gegeben wird, der Taufe des Johannes, auch wenn sie durch die Hände des Johannes gegeben wird, mit Recht vor. Heißt es ja vom Herrn, ehe er litt, daß er mehrere taufte als Johannes, worauf noch beigefügt wird: „Obwohl er nicht selbst taufte, sondern seine Jünger“156. Er und er nicht: er der Macht nach, jene durch den Dienst; die Beihilfe leisteten jene, die Macht zu taufen blieb bei Christus. Also tauften seine Jünger und damals war Judas noch unter seinen Jüngern; die nun aber Judas taufte, wurden nicht wiedergetauft, und die Johannes taufte, wurden wieder getauft? Allerdings wieder, aber nicht durch nochmalige Erteilung der Taufe. Denn die Johannes taufte, taufte Johannes, die aber Judas taufte, taufte Christus. So also, die ein Trunkenbold taufte, die ein Mörder taufte, die ein Ehebrecher taufte, taufte, wenn es die Taufe Christi war, Christus. Ich fürchte nicht den Ehebrecher, nicht den Trunkenbold, nicht den Mörder, weil ich auf die Taube schaue, durch die mir gesagt wird: „Dieser ist es, welcher tauft“.
19.
Übrigens, meine Brüder, ist es wahnwitzig zu sagen, es habe, ich will nicht sagen Judas, sondern ein beliebiger Mensch mehr Verdienst aufzuweisen gehabt als der, von welchem es heißt: „Unter den von Weibern Geborenen ist kein Größerer aufgestanden als Johannes der Täufer“157. Nicht ihm also wird irgend ein Diener, sondern die Taufe des Herrn wird, auch wenn sie ein schlechter Diener spendet, der Taufe selbst des dienenden Freundes vorgezogen. Höre, wie der Apostel von falschen Brüdern redet, die aus Neid das Wort Gottes predigten, und was er von ihnen sagt: „Ich freue mich darüber und werde mich auch ferner freuen“. Denn sie verkündeten Christus, aus Neid zwar, aber doch Christus158. Nicht wie, sondern wen, betrachte. Wird dir aus Neid Christus gepredigt? Siehe auf Christus, meide den Neid. Ahme nicht dem schlechten Prediger nach, ahme dem guten nach, der dir gepredigt wird. Christus also wurde von einigen aus Neid gepredigt. Und was ist der Neid? Ein verabscheuungswürdiges Laster. Gerade durch dieses Laster wurde der Teufel zu Fall gebracht, ihn stürzte tief hinab die verderbliche Pest; und an dieser litten gewisse Prediger Christi, und doch läßt sie der Apostel predigen. Warum? Weil sie Christus predigten. Wer aber neidig ist, haßt, und wer haßt, wie heißt es von dem? Höre den Apostel Johannes: „Wer seinen Bruder haßt, ist ein Menschenmörder“159. Siehe, nach Johannes wurde getauft, nach einem Mörder wurde nicht getauft, weil Johannes seine Taufe gab, der Mörder aber die Taufe Christi gab. Dieses Sakrament ist so heilig, daß es nicht befleckt wird, auch wenn es ein Mörder spendet.
20.
Ich verwerfe nicht den Johannes, sondern ich glaube vielmehr dem Johannes. Was glaube ich dem Johannes? Was er durch die Taube gelernt hat. Was hat er durch die Taube gelernt? „Dieser ist es, welcher tauft im Heiligen Geiste.“ Wohlan also, Brüder, haltet dies fest, präget es euren Herzen ein. Denn wenn ich heute eingehender darlegen wollte, warum durch die Taube, so reicht die Zeit nicht aus. Denn daß die zu erlernende Sache, welche Johannes an Christus nicht kannte, obwohl er Christus bereits kannte, dem Johannes durch die Taube mitgeteilt wurde, dies habe ich, wie ich glaube, eurer Heiligkeit dargelegt; aber warum diese Sache durch die Taube angezeigt werden mußte, würde ich, wenn es kurz erklärt werden könnte, gerne sagen. Allein weil noch lange darüber zu reden wäre und ich euch nicht belästigen möchte, so wird, wie ich durch eure Gebete unterstützt wurde, das gegebene Versprechen zu erfüllen, durch fortgesetzte fromme Bemühung und gute Gebete euch auch das noch klar werden, warum Johannes das, was er am Herrn kennen lernte, daß nämlich „er es ist, welcher tauft im Heiligen Geiste“ und daß er keinem seiner Diener die Macht zu taufen überließ, nur durch die Taube kennen lernen sollte.