Читать книгу Toni Taubenheimer - B. Andersen - Страница 11

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Mira holt Toni ab.

Eine Woche lang passierte nichts. Rein gar nichts. Toni wartete auf eine Nachricht von Tilia und sah täglich auf dem Schulweg (möglichst unauffällig) nach, ob vielleicht ein Zettel aus dem Türspalt lugte. Nichts.

Allmählich verblassten die Erinnerungen, und Toni begann sich zu fragen, ob sie sich den Besuch in der Anderen Welt nur eingebildet hätte.

Sie wollte Tilia so gerne wiedersehen, nicht nur, weil sie mehr von ihr erfahren wollte, sondern auch, weil sie sie, so kurz ihre Begegnung auch verlaufen war, irgendwie mochte. Dass dies auch umgekehrt genauso war und Tilia nur aus lauter Vorsicht zögerte, ihr eine Nachricht zu schreiben, wusste Toni nicht.

Mit ihrer Mutter hatte sie sich darauf geeinigt, noch die nächste Deutscharbeit abzuwarten, ehe sie sie zur Nachhilfe anmelden würde, und Toni hatte beschlossen, alles daran zu setzen, um dies zu verhindern.

Es war nicht leicht, sich auf den Unterricht zu konzentrieren, besonders auf Geschichte. Sie belohnte sich damit, dass sie sich jeden Abend erlaubte, reichlich zu träumen. Sie zog ihr Tagebuch heraus und las. Jede Klitzekleinigkeit hatte sie dort notiert und sogar Bilder gemalt, von Mira, der Schweinedame, von den bunten Häusern, den watschelnden Gänsen und natürlich von Tilia mit den grünen Haaren

An einem Sonntagmorgen, als alle noch im Bett lagen und schliefen, sogar Arthur, der ein Frühaufsteher war, träumte Toni von hohlen Bäumen und Vorhängen aus raschelnden Blättern. Linde Sommerluft drang in ihre Nase, und eine weiche Schweineschnauze kitzelte sie am Ohr: „Toni! Toni, bist du wach?“

Sie wollte die Stimme vertreiben, weil sie weiterträumen wollte, und wedelte unwirsch mit der Hand. Und traf einen weichen Körper. Sie riss die Augen auf. Mira! Wie war die denn hierhergekommen?

„Mira! Wie hast du mich gefunden? Wie bist du hereingekommen? Und wenn man dich hier sieht!?“

Mira lachte sie an. „Keine Angst, es ist noch ziemlich früh, und dich zu finden, war schweinebabyeierleicht. Jeden Tag läufst du an der Mauer vorbei und dann hierher, und wir Schweine, auch wenn ich nicht echt bin...“ (hier verzog sie ein wenig den rosigen Rüssel) „ …haben halt einen guten Riecher. Außerdem stand dein Fenster offen.“

„Ist was passiert?“ fragte Toni. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Mira einfach so hier auftauchte. Dann hätte Tilia doch auch einen Zettel an die Tür klemmen können. Oder war ihr das zu riskant? Oder hatte sie selbst einen Zettel übersehen? Aber Mira in diese Welt zurückzuschicken, war doch ungleich gefährlicher, oder?

Mira ließ die Schweineohren hängen.

„Tilia hat gestern früh einen Zettel in die Tür geklemmt. Hast du den nicht gesehen?“

Familie Taubenheimer war den ganzen Tag unterwegs gewesen, weil Tante Lore geheiratet hatte. Toni erklärte Mira, dass sie gestern gar nicht an der blauen Mauer vorbeigelaufen war.

Mira nickte. „Achso. Na, jedenfalls hat Tilia hat einen Brief gekriegt. Von Rufin, also eigentlich von ihrer Großmutter, aber der Fuchs hat ihn gebracht. Jedenfalls steht dort drin, dass ihr Vater, ähm, also, dass es ihm nicht gut geht. Und dass sie ihre Mutter finden soll. Weil es Liebeskummer ist, was er hat. Und nur ihre Mutter ihm helfen kann. Aber die ist ganz Mensch, und Wyllheld ist ein Baumur. Jedenfalls kann Tilia nicht in deine Welt gehen, das wäre zu gefährlich.“

Offensichtlich höchst zufrieden, dass sie alles, was Tilia ihr aufgetragen hatte, behalten hatte, beendete Mira ihren Bericht.

Toni hatte ehrlich gesagt, nicht viel von alldem verstanden. Etwas ratlos saß sie in ihrem Bett.

„Bitte, was soll ich tun!? Tilias Mutter finden!?“ Mira nickte zufrieden.

Toni wollte die Schweinedame zwar nicht kränken, fand es aber doch irgendwie wichtig, genau zu verstehen, was sie da machen sollte.

„Hm, Mira“, sagte sie, „vielleicht sollte ich noch einmal mit Tilia sprechen, äh, damit ich keinen Fehler mache oder so.“

Mira wackelte mit ihrem rosa Kopf.

„Oh, das hatte ich vergessen, sie wartet schon im hohlen Baum auf dich. Hier ist der Schlüssel zu der Tür in der Mauer.“ Sie ruckelte mit dem Kopf, und Toni sah, dass ein alter, ziemlich großer rostiger Schlüssel an einem dicken Lederband um ihren Hals gewickelt war. Toni nahm ihn ab.

„Tilia fand es sicherer, wenn sie die Tür wieder verschließen kann.“

„Und was machen wir mit dir? Wenn dich jemand sieht?“

„Ich stelle mich einfach steif und stumm, dann denken die Leute, ich wäre dein Stofftier.“

Toni nickte zweifelnd, aber was blieb ihr anderes übrig?

Rasch zog sie sich an, nahm Mira unter den Arm und schlich sich die Treppe hinunter. Oh, Mann! Hoffentlich wurde Arthur nicht wach! Er würde sofort versuchen, mit Mira zu sprechen, und ihre Mutter würde dann vermuten, dass sie sich wieder Hirngespinste ausgedacht hatte.

Endlich war sie draußen und rannte fast Frau Badewasser um, die, ihr hellblau berocktes Hinterteil in die Luft gestreckt, mit einer Gartenschere ihre Buchsbaumhecke beschnitt. Mira quietschte vor Schreck.

„Äh, guten Morgen“, wünschte Toni und versuchte so auszusehen, als wäre es das Normalste der Welt, am Sonntag früh mit einem rosa Schwein unter dem Arm aus dem Haus zu rennen.

Frau Badewasser wirkte einigermaßen sprachlos und starrte das Schwein an. Hatte es sich nicht eben bewegt und ein Geräusch gemacht?

„Ähm, das, ähm, das muss ich gerade ganz dringend jemandem zurückbringen“, sagte Toni und wurde rot.

„Das Schwein“, sagte Frau Badewasser tonlos „hat es nicht eben gequietscht?“

Toni wurde noch röter. „Aber nein! Es, es hat so ein Dingsbums im Bauch. Wenn man da draufdrückt, dann quietscht es. Sehen Sie: so!“

Sie drückte Miras Bauch ein, die empört quiekte.

„Ich muss jetzt aber wirklich los!“ rief Toni Frau Badewasser noch zu und ließ die völlig verdutzte Nachbarin mit offenem Mund stehen. Sprachlos hatte Toni sie noch nie erlebt, und sie musste ein wenig grinsen. Dann kam ihr ein übler Gedanke: Hoffentlich klingelte die Nachbarin jetzt nicht bei ihren Eltern! Andererseits fand sie die Taubenheimers sowieso nicht besonders „normal“ und würde sich durch das rosa Schwein vermutlich nur in ihrer Meinung bestätigt sehen.

So rasch wie möglich lief Toni zu der blauen Mauer. Sie war verschlossen, ja klar, Mira war auf dem Hinweg sicherlich über die Mauer geflogen.

Sie setzte sie neben sich ab und schloss die schwere Türe auf, natürlich nicht ohne sich vorher zu vergewissern, dass sich niemand sonst auf der Straße befand.

Toni drückte sich durch den Spalt und lief durch das hohe Gras zu dem Loch im Boden. Mira flog zuerst hindurch, dann glitt Toni hinterher.

Toni Taubenheimer

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