Читать книгу Toni Taubenheimer - B. Andersen - Страница 5

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Eine Botschaft für Toni.

Atemlos lief Toni bis zu dem gepflasterten Weg, der zu dem schmalen, weißen Reihenhäuschen der Familie Taubenheimer führte. Hier stützte sie die Hände in die Seiten und schnaufte tief durch. Was war denn das gewesen?

Jetzt, wo sie einige hundert Meter Abstand von der blauen Mauer gewonnen hatte, erschien ihr ihr Schrecken auf einmal reichlich albern. Und doch: Diese Haut! Und die Haare! Die waren nicht grün gefärbt gewesen, soviel stand für sie fest. Sie hatten echt ausgesehen, ohne dass sie so recht sagen konnte, weshalb sie da so sicher war.

Langsam ging sie weiter, an den niedrigen Hecken und Zäunen entlang, die die Vorgärten der Häuschen von dem Gehweg trennten.

„Na, heute mal ohne deinen Bruder?“ hörte sie da eine schnarrende Stimme.

„Oh, nein, nicht gerade jetzt“, dachte Toni, aber da sah sie sie auch schon. Frau Badewasser. Die Nachbarin stand in ihrem geblümten Kleid neben dem kleinen Zierspringbrunnen in ihrem Vorgarten und schien diesen offenbar soeben gesäubert zu haben, denn sie hielt noch eine Abwaschbürste in der Hand.

„Guten Tag, Frau Badewasser“, sagte Toni höflich und wollte sich an ihr vorbeidrücken, denn für gewöhnlich erzählte Frau Badewasser viel und langatmig. Und seitdem sie einmal behauptet hatte, jemand hätte ihre Keramikgänse gestohlen, indem er sie lebendig davonwatscheln ließ, hielt Toni sie für ein wenig seltsam.

Fast hätte sie es geschafft, da erklärte die Nachbarin mit erhobener Stimme: „Übrigens, ich habe noch einen Ball von deinem Bruder in meinem Garten gefunden!“

Toni drehte sich zu ihr um: „Äh“, sagte sie, immer noch höflich, „Sie können ihn mir doch vielleicht gleich mitgeben, ich meine, dann müssen wir Sie nachher nicht noch einmal belästigen.“

„Dein Bruder soll ihn doch bitte persönlich abholen.“ Frau Badewasser lächelte süßlich, „oder war er es nicht, der ihn in meine Rosen geworfen hat?“

Toni entschloss sich zu einer Notlüge. „Nee, mein Vater war das, die beiden haben nämlich Fangen geübt.“

Das schien zu wirken, vor Herrn Taubenheimer hatte Frau Badewasser nämlich irgendwie Respekt, vielleicht weil er so seriös aussah, wenn er mit Anzug und Krawatte von der Arbeit kam.

„Nuun“, kam es etwas weniger süßlich zurück, „dann warte mal, ich hole ihn.“

Eine Minute später schloss Toni endlich die Haustür hinter sich, warf Schultasche, Schuhe und Arthurs Ball auf den Boden und lief in ihr Zimmer, um es sich in ihrem Nachdenk-Zelt gemütlich zu machen.

Die Kinderzimmer im Hause Taubenheimer waren schmal gebaut, und daher hatten die beiden Kinder Hochbetten, auf denen sie schliefen. Unter Tonis Bett stand ihr Schreibtisch, und über dem Bett hatte sie sich ein Zelt aus einem weißen feinen Schleier gespannt, auf den bunte Filzschmetterlinge genäht waren. An der Wand hing ein schmales Regal, in dem neben Heinrich, der alten Stoffpuppe, nur einige Bücher standen.

Sie zog ihr Tagebuch aus dem Regal und legte es auf ihre Knie. Tonis Träumereien fanden – wenn auch nicht alle - ihren Platz in diesem Buch, das ihr größter Schatz war (neben ihren Eltern und ihrem Bruder natürlich, überlegte sie), und es gab ein Kapitel mit der Überschrift: „Die blaue Mauer.“ Hier konnte sie jederzeit ihre Vermutungen, was sich hinter dieser befinden mochte, nachlesen. „Doch nun“, dachte sie entschlossen, „nach der Begegnung mit dem grünen Mädchen beginnt ein neues Kapitel.“ Sie überschlug die beiden Seiten mit ihren verwegenen Theorien und blätterte eine neue Seite auf.

Zehn Minuten später riss das Knallen der Haustür sie jäh aus ihren Gedanken.

„Toooniii! Wir sind daa-a!“ brüllte Arthur und rannte in ihr Zimmer.

„Arthur!“ rief ihr Vater, „nicht die Tür so knallen, du Lurch!“

Doch Arthur achtete gar nicht auf ihn und kletterte munter wie ein Äffchen die Leiter zu Toni hinauf.

„Was ist das? Ich will das haben!“ Arthur griff nach dem Tagebuch.

„Hehda!“ rief Toni und zog das Buch rasch weg. Unwirsch schob sie das Tagebuch zurück ins Regal. Nur zwei Sätze hatte sie zu Papier gebracht!

„Wie wäre es mit Malen?“ schlug sie vor.

„Nee, lieber eine Geschichte“, sagte Arthur.

„Geschichten sind für abends“, sagte Toni, die gerade nicht dazu in der Stimmung war, eine Geschichte zu erfinden, wie sie es manchmal tat, wenn ihre Eltern abends ausgingen, „aber wir könnten malen.“

„Bagga?“, fragte ihr kleiner Bruder begierig.

„Meinetwegen auch Bagger“, sagte Toni. Sie gingen in die Küche.

Tonis Vater stand in der Küche und öffnete die Post. „Na, Toni“, murmelte er beiläufig, als seine Kinder den Raum betraten, „ist Mama noch weg?“

„Die ist doch noch beim Arzt“, sagte Toni, „schon vergessen?“

„Achja“, Herr Taubenheimer knisterte mit den Papieren.

Toni malte eine junge Frau mit leuchtend grünen Haaren aufs Papier, Arthur malte bunte Kringel.

„Äh, Toni“, sagte ihr Vater, „könntest du wohl eine Stunde auf Arthur aufpassen? Ich, ähm, ich hatte vergessen, dass Mama beim Arzt ist, und ich habe noch einen Termin.“

„Mmh, ja, klar“, sagte Toni, „wir gehen dann nochmal raus, ok?“

Sofort ließ Arthur seinen Stift fallen und sprang auf: „Ich will zu den Spielplatz mit den großen Auto! Und ich will ein Schokobrötchen!“

Toni ließ sich von ihrem Vater noch einen Euro vierzig geben („Wofür denn das schon wieder?“) und versprach Arthur, zuallererst beim Bäcker vorbeizugehen. „Und dann“, so überlegte sie, „ist er beschäftigt, und ich kann nochmal bei der Mauer vorbeischauen.“

Tonis Plan funktionierte. Damit es schnell ging, packte sie Arthur, der nicht protestierte, in den Buggy, schob ihn ruckzuck zum Bäcker und weiter zur Mauer. Die Tür war wieder fest geschlossen. Nur einige abgerissene Pflanzenstängel wiesen darauf hin, dass sie erst kürzlich geöffnet worden war. Toni stellte den Buggy ab und glitt mit ihren Händen über das Metall der Tür, griff kurzentschlossen nach der Klinke und drückte sie halbherzig nach unten. Ein Zettel, der zwischen Türkante und Mauer eingeklemmt gewesen sein musste, fiel zu Boden. Darauf war ein Gesicht gemalt, ein Gesicht, das von glatten schwarzen Haaren gesäumt war und blaue Augen hatte. Es war Tonis Gesicht.

Toni Taubenheimer

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