Читать книгу Der Traum von Kalifornien - Barbara Bayer - Страница 4
Kapitel 2
ОглавлениеDie ersten Tage nach diesem Gespräch gingen vorbei und ich hatte immer öfter an die Möglichkeit gedacht, in die Staaten zu gehen. Leicht verzweifelt suchte ich nach Mitteln und Wegen, die diesen Schritt möglich machen könnten. Vorher aber musste ich mich einigen meiner eigenen Dämonen stellen. Primär meine Beziehung zu Geld verbessern, neu aufbauen und ihr positiv gegenüberstehen. Überhaupt musste ich mir zuerst sicher sein, was ich tue. Dazu fand ich ein geniales Buch. Ein Sachbuch zur Persönlichkeitsbildung. Positives Denken, Umweltschutz, Unternehmensgründung im Sinne unserer Erde und Geld waren einige der Schlüsselthemen. Ich hatte es schon zur Hälfte gelesen und ausgearbeitet. Penibel beantwortete ich jede Frage, die sich im Laufe des Buches stellte. Damit füllte ich bald ein ganzes Journal. Rückblickend gesehen, war es nicht nur mein Traum und das Drängen von Leah, was mich zu meinem Entschluss, nach Kalifornien zu gehen, bewegte, sondern auch dieses Buch. Es gab mir vielleicht nicht den Anstoß, es zu versuchen, aber bestimmt den richtigen Plan und eine Portion Unterstützung vom Universum.Eine Passage aus dem Buch beschäftigt sich mit der Frage, ob man anderen etwas schuldig war. Ob man sich vor anderen, vor allem der Familie und engen Freunden rechtfertigen muss. Ich beantwortete diese Frage für mich immer mit einem klaren Ja. Bis zu diesem Buch. Bis es mir wie Schuppen von den Augen fiel. Emilia, du bist niemandem außer dir selbst und deiner Tochter etwas schuldig. Du hast Verantwortung für dich und Leah zu tragen. Aber nicht für den Rest der Welt. Nur für euch beide. Also mach gefälligst auch, was euch glücklich macht. Und zwar nur, was euch glücklich macht! Das war der Moment, in dem ich Leah rief, sie zum Laptop holte und mit ihr gemeinsam eine geeignete Agentur für die Green Card Lottery suchte. Ich wusste, dass die Chancen gering waren. Ich wusste, dass ich noch nie Glück im Spiel oder der Liebe hatte. Ich wusste aber auch, dass ein Funke Hoffnung bestand, und den wollte ich nicht verschenken. Wir fanden eine geeignete Agentur, der wir Vertrauen schenkten. Ich wollte nichts dem Zufall überlassen. Die Regeln der Lottery sind unglaublich streng. Passt das Foto nicht, das man mitschicken muss, wird man ausgeschlossen. Vergisst man den Mittelnamen anzugeben, wird man ausgeschlossen. Besitzt man keinen geeigneten Schulabschluss oder Reisepass, kann man nicht teilnehmen. In dem Moment war ich überaus froh, dass ich meine Matura nachgemacht hatte und sogar ein paar Monate Uni für mich verbuchen konnte. Es war so weit. Wir kümmerten uns noch um die Fotos für den Antrag, überprüften alle Angaben doppelt und schickten das Formular ab. In dem Moment sendeten wir beide ein Stoßgebet an das Universum. Bitte lass unseren Traum wahr werden.
Bis zur Auslosung würden noch rund 12 Monate vergehen. Die Ergebnisse der Lottery wurden jedes Jahr im Mai oder Juni verkündet. Die Tage zogen ins Land und ich setzte mich mehr und mehr mit der Zukunft in Amerika auseinander. Ich schrieb einen 10-Jahres Plan. Ich recherchierte stundenlang über Visa-Möglichkeiten. Ich fand Wege, die wir gehen konnten, falls uns die Green Card Lottery nicht die gewünschten Tickets bringen würde. Ich sog alle Informationen, die ich kriegen konnte, auf wie ein Schwamm. Lange machte ich mir Gedanken darüber, mit welcher Firma ich durchstarten könnte, damit ich eines der begehrten Visa für Unternehmen bekommen könnte. Jeden Cent legte ich auf die Seite. Jede Möglichkeit zog ich in Betracht und jeden Menschen, den ich kannte und der mir irgendwie helfen konnte, sprach ich an. Ich legte meine ganze Energie in dieses Vorhaben.
In die Operation Auswandern mit einem Teenager.
Leah war begeistert. Sie fing sofort an ihr Zimmer auszumisten. Dinge zu verschenken, die sie nicht mehr benötigen würde, oder von denen sie wusste, dass sie sie nicht nach San Diego mitnehmen würde. Sie war aufgekratzt und liebte diese neue Perspektive. Gleich wie ich.
Auch ich begann damit, meine Sachen zu sortieren. San Diego, nicht San Diego, vielleicht San Diego, auf keinen Fall San Diego. Mitten in einem meiner Sortier-Anfälle, läutete mein Telefon. Es war Julie.
»Na, meine Liebe, wie geht’s dir? Wie kommst du mit deinen Pläne voran? Hast du deinen Antrag schon abgeschickt? Wie stehen die Chancen?«
Man merkte, dass sie abgesehen von der Arbeit, nicht viel Neues zu erzählen hatte. Immer, wenn es in ihrem Leben ruhig zuging, fragte sie mich tausend Dinge gleichzeitig.
»Hey Julie! Wie schön von dir zu hören. Uns geht’s wahnsinnig gut. Wir freuen uns so sehr auf das nächste Jahr. Die Formulare sind abgeschickt und jetzt heißt es warten und vorbereiten. Natürlich hoffe ich auf den einfacheren Weg über die Lottery. Aber dir muss ich ja nicht erzählen, wie die Chancen stehen. Nicht wirklich gut, um ehrlich zu sein. Wir spazieren viel in der Siedlung und stellen uns dabei vor, schon am Strand entlangzugehen. Wir tun so, als wären wir schon im sonnigen San Diego. Diese Minuten tun uns wahnsinnig gut.«
Ich spürte, wie sie am anderen Ende der Leitung lächelte. Ich wusste, dass ihr das schwer fiel, weil Amerika auch immer einer ihrer großen Träume war. Bis jetzt hat es aber noch nicht sein sollen. Aber wer weiß, was noch kommt. Ich versuchte, nicht taktlos rüberzukommen, aber ich spürte so eine große Vorfreude. Ich war mir einfach so sicher, dass es funktionieren würde.
»Was tut sich bei dir im Krankenhaus?«
»Es ist alles wie immer. Stundenlange Operationen, kurze Pausen und wenig Anerkennung«, erwiderte sie und klang dabei müde.
»Also alles beim Alten. Schade, dass sich hier nicht endlich einmal was tut. Dass ihr nicht endlich die Anerkennung bekommt, die euch gebührt.«
Ich konnte nicht mehr viel dazu sagen und wusste, dass es für sie, durch mein Jammern über ihre Situation, nicht besser werden würde.
»Was macht die Liebe?«, fragte ich, um vom Thema abzulenken. Ebenfalls ein heikles Thema, das wusste ich. Sie hatte sich kurz zuvor von der Liebe ihres Lebens getrennt.
»Ach die Liebe, da tut sich nichts. Wer braucht schon einen Mann.«
»Meine Rede! Wer braucht schon einen Mann!«
Ich war seit zwei Jahren – wenn auch zum ersten Mal seit ich ein Teenager war – Single und vermisste, speziell bei unseren neuen Plänen, keinen Mann an meiner Seite. Ich genoss die Freiheit.
»Emilia, ich finde es wahnsinnig mutig, wie du an die Sache mit dem Auswandern herangehst«, sagte sie unvermittelt, als eine kurze Gesprächspause entstand.
»Ich weiß das sehr zu schätzen, Julie. Bei dir weiß ich wenigstens, dass du es ernst meinst.«
»Hast du es deiner Mutter schon erzählt?«, fragte sie zögerlich.
»Nein, habe ich noch nicht. Ich weiß, wie sie reagieren wird, und schiebe dieses Gespräch gerne noch auf die lange Bank.«
Ein langer Seufzer beendete die Stille nach meinem Satz.
»Emi, du musst es ihr sagen. Sie muss sich darauf vorbereiten. Genauso wie du dich darauf vorbereiten musst. Was ist mit Leahs Vater? Weiß er Bescheid?«
Sie fragte, obwohl sie die Antwort schon kannte. Ich spürte, wie es in mir zu brodeln begann. Sie kannte mich doch. Musste es sein, mich jetzt so einem Verhör zu unterziehen?
»Julie, ich weiß, du meinst es gut. Aber es ist schon meine Sache, wann ich alle in meine Pläne einweihe«, warf ich ihr etwas gereizt an den Kopf.
»Ist ja gut, Emi. Ich verstehe dich vollkommen. Ich kann mich gut erinnern, als ich das erste Mal für ein paar Monate in die Staaten ging und es meiner Mama beibrachte. Glücklich war sie nicht darüber.
Fass dir doch ein Herz und warte nicht zu lange.«
»Du hast recht. Ich werde es in den nächsten Tagen hinter mich bringen. Versprochen. Hab noch einen wundervollen Abend und lach dir endlich einen McDreamy an.«
Wir lachten beide herzlich, wohlwissend, dass sie sich wohl niemals in einen Arzt verlieben würde. Das war nicht ihre Art.