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[17] 2 Kurze Buchtypenkunde

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Wer ein Manuskript – sei es die Doktorarbeit oder eine Einführung in die Sozialwissenschaften – fertiggestellt hat, ist stolz darauf. Ein Manuskript abzuschließen ist eine große schöpferische Leistung, und jedes Manuskript ist einzigartig. Nun hat man all die Gedanken, Arbeit und Zeit in dieses Werk gesteckt, und spätestens jetzt beginnt die Suche nach einem geeigneten Publikationspartner. Seit der ersten Auflage dieses Buches (2009) hat sich mit Blick auf Publikationskanäle viel getan. Die Vielfalt der Möglichkeiten ist einerseits explodiert, andererseits hat sich der Fokus verschoben: Waren in den Sozial-, Geistes- und Erziehungswissenschaften bislang wissenschaftliche Monografien die Hauptpublikationsorte, haben sich diese Wissenschaften der komplexen Gedankengebilde, die sich differenziert nur in Worten ausdrücken lassen, in vielen Bereichen den Gepflogenheiten der Naturwissenschaften angepasst, deren komplexe Ergebnisse sich typischerweise trefflich in Formeln präsentieren lassen. Aus intensiven Monografien, aus langen Texten werden auf diesem Wege knappe, konzise Zeitschriftenaufsätze (Hagner 2015). Die Notwendigkeit in englischsprachigen, gerankten und peer-reviewten Zeitschriften zu veröffentlichen, spiegelt sich in vielen Bewertungsverfahren im Wissenschaftsbereich wider. Mehr zu diesem Themenkomplex in Kapitel 4.

Zum anderen ist Publizieren so einfach geworden, dass über Plattformen, Dienstleistungsanbieter aller Art mehr oder weniger Self-Publishing betrieben werden kann: ohne Qualitätskontrollen, ohne Begleitung, Beratung, ohne den Blick darauf, ob diese Publikation der wissenschaftlichen Karriere wirklich förderlich ist. Die Rezeption dieser Veröffentlichungen ist sehr unterschiedlich, um es neutral auszudrücken.

Wenngleich also die klassische Monografie, zumal als gedrucktes Buch, deutliche Konkurrenz bekommen hat, ist dies für viele Autor*innen aus der Wissenschaft nach wie vor die präferierte Publikationsform. Und es ist mit Blick auf die eigene Wissenschaftskarriere von Vorteil, in einem renommierten Wissenschaftsverlag zu veröffentlichen.

[18] Über Verlage und Verleger ist von Autor*innen viel gesagt worden – meist wenig Schmeichelhaftes. Und das meiste stimmt. Vor allem stimmt es, dass Verleger wie auch Verlegerinnen nahezu immer auf den Markt schielen und immer darauf bedacht sind, nur solche Bücher zu verlegen, die Geld bringen. Lassen Sie es mich noch ein wenig differenzierter sagen: Verleger*innen wollen nur solche Bücher verlegen, die zumindest das Geld wieder einbringen, das sie kosten! In Verlagen gibt es zur Kostendeckung Rechenmodelle, die i. d. R. den Buchtypus berücksichtigen. So ist grundsätzlich zu erwarten, dass eine Diplomarbeit – von deren Veröffentlichung ich Ihnen abraten möchte – am Markt eine Verkaufskurve hat, die sich deutlich von der eines erfolgreichen Lehrbuchs unterscheidet. Das ist trivial – wenn man mal darüber nachgedacht hat.

Es gibt Gründe, warum ein Verlag ein Manuskript akzeptiert, auch wenn die kalkulatorische Seite möglicherweise wenig erfolgversprechend aussieht. Wenn der Verlag einen bestimmten thematischen Schwerpunkt in seinem Programm hat, ist er vielleicht bereit, die sogenannte Mischkalkulation zu bemühen: Der wirtschaftliche Erfolg eines Titels wiegt den fehlenden Erfolg anderer Titel auf. So können auch schwächere Titel in einem insgesamt stärkeren Umfeld publiziert werden.

Es gibt eine weitere Möglichkeit, nach der Verlage die Qualität und Publikationswürdigkeit von Projekten einschätzen: nach ihrem Wert für die Vermarktung eines – vor allem digitalen – Gesamtpakets. Konzernverlage sind dazu übergegangen, massenhaft Manuskripte einzusammeln, deren Publikationswürdigkeit in der Regel kaum oder gar nicht geprüft wird, um sie zusammengeschnürt als „Masse“ an Bibliotheken zu verkaufen. Das einzelne Werk ist dabei weitestgehend irrelevant. Wichtig ist, dass einzelne, qualitativ hochwertige „Must Have“-Werke für die Bibliotheken in teuren Gesamtpaketen enthalten sind. Dieses Geschäftsmodell, das mit der Verlegerei im eigentlichen Sinne nichts gemein hat, vernachlässigt die wirtschaftliche Einzelkalkulation, also die Verkäuflichkeit, des einzelnen Titels und richtet sich ausschließlich auf die profitable Masse (mehr zu diesem Vorgehen im Bericht der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW 2015)).

Im Zeitschriftenbereich sind die Kosten für Abonnements vor allem im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) derart in die Höhe getrieben worden, dass die Bibliotheken einen anderen Weg zu gehen versuchen. Anstatt den Verlagen die teuren Pakete [19] abzukaufen, bekommen die Verlage für ihre Zeitschriften im Rahmen von DEAL von einem Zusammenschluss großer Wissenschaftseinrichtungen einen sehr hohen Betrag ausgezahlt. Dieser Betrag ermöglicht auf der einen Seite den Nutzer*innen den Zugriff auf diese Zeitschriften über ihre Bibliotheken. Auf der anderen Seite bekommen die Autor*innen der beteiligten Institutionen die Möglichkeit, ohne Zusatzkosten Open Access in den entsprechenden Zeitschriften zu publizieren. Für die einzelnen Wissenschaftler*innen entsteht damit der Eindruck, dass die Zeitschriftenangebote der Großkonzerne kostenlos verfügbar seien. Und dass sogar die Publikation im Open Access kostenfrei möglich ist. Dass aus staatlicher Hand enorme Summen fließen, bleibt der und dem Einzelnen verborgen.

Doch zurück zu den eigentlichen wissenschaftlichen Fachverlagen.

Für den wissenschaftlichen Fachverlag, den ich hier deutlich von diesen Konzernverlagen abgrenzen möchte, gibt es idealiter die in Übersicht 2.1 dargestellten drei Buchtypen zu unterscheiden.


Unabhängig vom jeweils aktuellen Umfang eines Buches ist zu bedenken, dass die Bücher in der Autorenbetreuung (Telefonate, Mails, Beratungszeiten etc.), in der Produktion (Layout, Druck, Buchbinder), im Vertrieb [20] (Metadatenverwaltung, Lagerkosten, Porti, Kosten der Rechnungstellung etc.) und in der grundlegenden Werbung (Aufnahme in Kataloge, Anzeigen, Pflege im Internet etc.) zunächst einmal alle gleich teuer sind. Natürlich kosten größere Auflagen absolut gesehen mehr Geld, aber es gibt Sockelbeträge – wie zum Beispiel die Covergestaltung –, die zunächst einmal unabhängig von der Auflagenhöhe entstehen. Es mögen dann Unterschiede auftreten, wenn für die Bücher, bei denen es den Absatz fördern könnte, besondere Aktionen veranstaltet werden; so kommt ein Verlag nicht ohne Weiteres auf die Idee, den Autor einer normalen Dissertation auf eine Lesereise durch die Hochschulen oder Buchhandlungen der Republik zu schicken; bei anderen – durchaus auch – wissenschaftlichen Büchern mag dies gelegentlich vorkommen.

Bleiben wir zunächst mit Blick auf die Kosten beim demokratischen Prinzip, dass alle Bücher aus der Verlagsperspektive grundsätzlich die gleichen Kosten verursachen. Wie aber sieht der Verkauf aus?

Die Verkaufszahlen der einzelnen Buchtypen sind unterschiedlich und lassen sich grafisch in etwa so darstellen, wie in Übersicht 2.2 gezeigt. Hier ist klar zu sehen, dass der Buchtyp III des Verlegers „liebstes Kind“ ist: Er lässt die längste Lebenszeit bei höchsten Absatzzahlen erhoffen.

Buchtyp III also ist die Gattung Buch, von der ein Verlag lange zehren kann – wenngleich die Darstellung in Übersicht 2.2 natürlich überidealisiert. Ein verlegerisches Problem ist, dass ein Buch unter Umständen zwar Buchtyp III zugeordnet werden, es aber durchaus sein kann, dass der erwartete Erfolg ausbleibt. Beispielsweise kann ein Lehrbuch zu voraussetzungsreich sein – und der Lektor hat dies nicht erkannt. Oder ein Wissenschaftszweig, für den die Einführung gedacht war, hat keinen Zulauf mehr. Oder das Fach entwickelt sich in eine andere Richtung weiter, als die im Buch zugrunde gelegte. Oder es kommt ein großes Konkurrenzwerk, das dem eigenen Buch das Wasser abgräbt usw.

Beim Buchtyp I ist bei der Einschätzung der Absatzzahlen weniger falsch zu machen, obschon es auch Bücher gibt, die sich in noch geringerer Stückzahl verkaufen als in Übersicht 2.2 dargestellt. Ist dies im Vorfeld absehbar, wäre es ratsam, über andere Veröffentlichungskanäle nachzudenken: Eine Open Access-Publikation oder ein Aufsatz in einer entsprechenden Fachzeitschrift können Alternativen sein.


[21] Bevor wir in die Buchtypenkunde einsteigen, lassen Sie uns einen Blick auf zwei Faktoren werfen, die unabhängig von der Buchtypen-Zuordnung eine Rolle spielen können.

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