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Philipp Kapitel 1

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Ich habe noch nicht einmal angefangen, diese Geschichte zu schreiben, ich befinde mich noch in der Planungsphase, und schon ändert sie sich in eine Richtung, die mir gar nicht gefällt. Es ist aber meine Geschichte, ich sollte also in der Lage sein, während sie passiert, Einfluss zu nehmen. Ich wünsche mir ein Happy End, wäre aber mit einem offenen Ende, das bei dem Leser den Wunsch nach einem weiteren Buch hinterlässt, auch zufrieden. Bevor ich aber über das Ende nachdenke, muss ich erst einmal beginnen.

Es ist der verrückte Versuch, aktuelle Realität in eine Geschichte zu fassen und sie dadurch zu beeinflussen. Anders als ein Tagebuch, das der Erinnerung und Verarbeitung der Vergangenheit dient, soll diese Geschichte die Gegenwart und Zukunft beleben.

Ich muss ein wenig ausholen und erst einmal an den Anfang zurück, in der Hoffnung, dass ich mit dem Schreiben bald aufgeholt habe, um die Gegenwart bewusst zum Höhepunkt zu steuern. Ich will dabei sein, wenn die Geschichte eskaliert...

...

Ich bekam eine E-Mail mit der Anfrage, ob Philipp mittrainieren könne. Er und sein Hund Django seien gut, weit genug, um im Sommer die Begleithundeprüfung zu laufen.

Es ist immer schwer, jemanden mittrainieren zu lassen, der nicht weiß, wie wir trainieren, aber ich bin offen und lud ihn ein. Was ich sah, gefiel mir. Django ging schön am Bein, himmelte seinen Partner an, ohne dabei die Energie zu verlieren und setzte zügig um, was von ihm verlangt wurde. Was mir nicht gefiel war, wie es verlangt wurde. Ein rauer Ton, obwohl Django es freiwillig und mit Freude tat und Philipp ihn genauso gut freundlich und leise hätte auffordern können, sich ins „Platz“ zu legen.

Wir sind doch nicht beim Militär!

Nach der Stunde sprach ich mit Philipp. Ich bin ehrlich, immer ehrlich, sage grundsätzlich was ich denke und vergesse dabei manchmal den Takt oder die Angemessenheit.

Ich sagte also, was mir gefiel, was mir nicht so gefiel und wir hatten im Ansatz eine kleine Diskussion über die Ausbildungstechnik. Wenn man sich in einem Verein niederlässt, der bestimmte Techniken auf der Fahne stehen hat, sollte man sich zumindest ihnen gegenüber öffnen, auch wenn man sie selber nicht umsetzen möchte. Philipp dankte mir für meine Ehrlichkeit, was mich erstaunte. Wir begannen über Facebook zu kommunizieren, damit ich ein paar Videos von Djangos Training schauen konnte und wir fingen an zu plaudern.

Wir plauderten. Tagelang.

Meistens über Hunde, deren Halter, Ausbildung, teilten Dinge, die uns aufregten oder freuten und zwischendurch stellte meistens Philipp eine subtile persönliche Frage. Ich antwortete. Ein grundsätzliches Problem von mir. Ich bin nicht wirklich neugierig, was nicht am fehlenden Interesse liegt, sondern mehr daran, dass ich lieber kommen lasse. Erzählen tu ich gern. Dabei schweife ich auch schon mal ab. Stellt man mir eine Frage, kann es passieren, dass man mehr erfährt, als einem lieb ist.

Wie dem auch sei. In Philipps und meiner schriftlichen Auseinandersetzung war ich nicht die Einzige, die erzählte, er kann es auch. Oft kamen wir vom Hölzchen aufs Stöckchen und innerhalb von wenigen Tagen hatte zumindest ich das Gefühl, dass diese Unterhaltung ein Eigenleben entwickelte. Der Unterschied zu allen anderen Chats, die ich mit Freunden und Bekannten habe, war schon sehr schnell deutlich. Es kam zu keinem Ende. Und auch ein vermeintliches Ende, wie ein „Gute Nacht“ oder „Wir sehen uns auf dem Platz“ schloss die Unterhaltung keineswegs ab. Kaum war man wieder zu Hause oder hatte ein wenig Luft zwischen irgendwelchen Verpflichtungen, gab es etwas, das man teilen wollte. Sei es, dass er mir ein Video seines Hundes vom Training schickte oder ich von dem alltäglichen Umgang mit schwer erziehbaren Hundehaltern berichtete. Unser Chat bekam etwas Kontinuierliches. Wir beschnupperten uns, auf meiner Seite mehr aus Versehen als mit Absicht, weil es einfach Spaß machte, mit ihm zu schreiben. Egal über was. Es war ein freudiger Austausch von Worten, Gedanken und auch Gefühlen, ohne irgendwelche Hintergedanken oder Absichten.

Kein Small Talk, just Talk, just for fun!

Er ist dreißig, sieht gut aus und ist Single. Ich bin siebzehn Jahre älter, habe drei quasi erwachsene Söhne und bin verheiratet mit einem Mann, der schon so lange an meiner Seite ist, wie Philipp lebt. Unschuldiger kann eine Unterhaltung doch nicht sein! Da selbst wenn die Fantasie mit einem durchgeht, ein Flirt bei der Kombination einfach unwahrscheinlich ist.

Meine Ehe ist stabil, ich bin glücklich und ich habe inzwischen tatsächlich so etwas wie eine gewisse Reife erlangt. Seit ich mich um meinen kranken Vater kümmere, bin ich endlich erwachsen. Flirten? Das überlasse ich anderen. Es würde viel zu viel Unruhe stiften.

Variationen einer Buchstabenaffäre

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