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Kapitel 2

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Während ich für meine Familie zwischen Hundeplatz und Feierabend hastig ein Essen kochte, saß ich auf dem kleinen blauen Küchenstuhl und tippte mit Philipp. „Die Spülmaschine kann ich auch später noch ausräumen.“ Ich grinse: „Warum nur macht das so viel Spaß?“

Er:

Darf ich erfahren wie alt du bist? Jetzt geht’s bissl ins Persönliche

-Tränen lachender Smiley-

Ich:

47, und du?

Er:

Bissl jünger ,

-Smiley-

aber das habe ich jetzt ni cht gedacht..., bist halt so ne Sonne, weiter so

Ich:

Hey, dein Alter!

Er:

30, jetzt geht’s langsam ans Eingemachte

Ich hatte ihn auf dreißig geschätzt. Dass er überrascht war, tat gut. Es schmeichelte. Das Essen brannte fast an. Es war mir egal!

...Bist halt so ne Sonne!...

Wenige Worte, aber die Wirkung war groß. Auch wenn es mich zu dem Zeitpunkt lediglich lächeln ließ. Es ging nicht spurlos an mir vorüber.

Ich bin ein intelligenter Mensch, bisschen faul, mit Talenten, die ich in der Regel immer nur so lange verfolge, bis sie irgendwann mühselig werden oder sich ein gewisser Leistungsdruck aufbaut, den ich nicht ertragen will. Ich habe keine vollwertige Berufsausbildung, dafür einen recht erfolgreichen Mann und man kann die Sache auf den Punkt bringen: Ich habe ein Problem mit meinem Selbstbewusstsein.

Ein klitzekleines Kompliment, empfangen auf dem blauen Küchenstuhl sitzend, der eigentlich dazu dient, an die oberen Regalfächer zu kommen, inmitten einer wahnsinnig unordentlichen Küche, könnte der Wendepunkt der ganzen Geschichte werden.

Sollte ich das Flirten wirklich anderen überlassen? Sicherlich war mir zu diesem Zeitpunkt die Tragik dieses Komplimentes nicht bewusst. Ich glaube auch, dass Philipp das nicht beabsichtigt hatte und es tut auch gar nichts zur Sache. Fakt ist, es hat etwas mit mir gemacht; ein lang verschwundenes Gefühl geweckt.

...Bist halt so ne Sonne!...

Philipp beobachtete mich. Er sah mir beim Training mit meinen eigenen Hunden zu, hospitierte, ohne seinen eigenen Hund dabei zu haben, und wenn er danach ein paar Zeilen tippte, merkte ich, dass er nicht nur die Hunde beobachtete. Er bemerkte meine pinken Socken, wie ich die Arme in die Hüften stemmte, um Shannon bewusst nicht mit der Hand zu führen, meine Mimik, meine Gestik, wenn ich mit viel Freude trainierte und statt es einfach nur wahrzunehmen, schrieb er es mir. Seltsam. Ich hasse es, beobachtet zu werden. Es setzt mich unter Druck. Druck mag ich nicht.

Und wieder ließ es mich einfach nur lächeln. Ich hatte kein schlechtes Gefühl, obwohl ich wahrscheinlich nicht vorschriftsmäßig gekleidet war. Wenn er meine Socken wahrnahm, obschon ich Wanderschuhe anhatte, hing bestimmt wieder irgendein Hosenbein auf Halbmast. Ich achte nicht wirklich auf mich. Nicht dass es mir egal ist, ich finde es lediglich lästig.

Er nahm Dinge wahr und sagte sie mir, die mir eigentlich peinlich gewesen wären. Er schrieb sie mir aber so unbefangen positiv, dass sie das Gegenteil auslösten. Er schaffte es, mich einfach lächeln zu lassen, und zwar über mich selbst.

Habe ich erwähnt, dass ich ein Problem mit meinem Selbstbewusstsein habe? Er tat mir gut! Er betrachtete mich und ich sah mich plötzlich aus einer völlig anderen Perspektive. Es gefiel mir!

Er hat kein Selbstbewusstseinsproblem, so scheint es wenigstens. Oder doch, denn er hat zu viel davon, was ja auch nicht ganz unproblematisch ist. Ich tue mich ein wenig schwer, mir wirklich ein Bild davon zu machen, eventuell auch, weil ich es für unwichtig halte.

Er sagte, dass er mit Menschen oft Schwierigkeiten habe. Sie würden ihn nicht mögen, ihn für ein Arschloch halten und mir kommt es ein wenig so vor, als kokettiere er damit. Ich hoffe, ich tue ihm nicht unrecht.

Er ist nachdenklich und eventuell ähnlich direkt wie ich. Das stößt bei anderen auf Widerstand. Ich kann ein Lied davon singen. Auch mich mögen nicht alle. Im Gegenteil, manchmal ist das alles ein Kampf, hinterher tut es mir dann leid, aber Klappe halten ist in vielen Situationen nicht meine Stärke. Ich nehme mir dann immer vor, das nächste Mal doch diplomatischer zu sein, aber ist der Wutpunkt einmal berührt, läuft die Rage ohne den Verstand von alleine weiter.

Ich habe Glück. Ich kenne Philipp hauptsächlich alleine und nur durch Worte. Die sind witzig, nett und keineswegs die eines Arschloches. Was andere über ihn denken, kümmert mich nicht. Ich beurteile nur, was ich sehe und lese. Und das gefällt mir. Wir denken in vielen Dingen ähnlich und haben ein gemeinsames Thema. Der Austausch scheint ehrlich.

Es ist nicht das typische Gespräch des werbenden Männchens um eine Sexualpartnerin. Es könnte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein.

Variationen einer Buchstabenaffäre

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