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1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen für Compliance in Organisationen

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Das angelsächsische Recht (common law wie z.B. in UK, den USA und in anderen Ländern) machte seit jeher keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen natürlichen und juristischen Personen. Die Verantwortlichkeit von juristischen Personen für (bestimmte) Straftaten war deshalb in diesem Rechtssystem immer gegeben. In kodifizierten Rechtssystemen (wie z.B. in kontinentaleuropäischen Staaten) gilt ein anderer Grundsatz, nämlich: Societas delinquere non potest – „eine Gesellschaft kann sich nicht vergehen“.[3] Erst die Entwicklungen in den letzten 20 Jahren haben dazu geführt, dass eine Verantwortlichkeit für juristische Personen in diesem Rechtssystem eigens begründet wurde.[4] Zahlreiche zwischenstaatliche Rechtsakte innerhalb und außerhalb der EU verpflichten Mitglieds- und Vertragsstaaten, eine Verantwortlichkeit von juristischen Personen für bestimmte Straftaten vorzusehen.

Der erste Rechtsakt, der eine solche Verpflichtung vorsieht, ist das Zweite Protokoll zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft.[5] Die strafrechtliche Verantwortung von Organisationen wird gefordert, wenn Betrug, Bestechung oder Geldwäsche zu ihren Gunsten von Personen, allein oder als Teil der Organisation der juristischen Person, begangen wurde. Organisationen müssen insbesondere dafür verantwortlich gemacht werden, wenn mangelnde Aufsicht oder Kontrolle die Tat ermöglicht hat. Neben dem Zweiten Protokoll gibt es zahlreiche weitere Rechtsakte, die für ca. 100 Straftatbestände eine Verantwortung von juristischen Personen vorsehen (z.B. Vermögensdelikte wie Betrug, Untreue; Subventionsmissbrauch oder Absprachen bei Vergabeverfahren; Korruptions- und Umweltdelikten; Tatbestände im Urheberrecht, Börsengesetz, Finanzstrafgesetz oder Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb).[6]

Von Rechtsakten außerhalb der EU ist das im Rahmen der OECD geschlossene Übereinkommen für die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr aus 1997 zu erwähnen. Die Verantwortung von juristischen Personen sehen des Weiteren drei im Rahmen des Europarates abgeschlossene Vereinbarungen vor (Schutz der Umwelt 1998; Cyber-Crime 2001; Terrorismusbekämpfung 2005). Zur Bekämpfung von Geldwäsche werden wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen gegenüber juristischen Personen in den Empfehlungen der FAFTA verlangt.[7] Schließlich enthalten die UN-Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus (2000)[8] und von Korruption (2005)[9] weitere Vorschriften für die straf- oder verwaltungsrechtliche Verantwortung von juristischen Personen.

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