Читать книгу Mit Leichtigkeit ins neue Leben - Beatrice Bellmann - Страница 29

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9. November

Ich schlief seit Wochen in den Nächten maximal drei Stunden, und das noch nicht einmal am Stück. Ich sah aus wie der Tod auf Latschen und aß kaum. Damit ich wenigstens ein paar Kalorien zu mir nahm, trank ich jeden Abend einen halben Liter Kakao mit Vollmilch, bevor ich zum Rotwein griff. Mein erster Gedanke beim Aufwachen war: Metin ist weg! Mein zweiter Gedanke: Er hat eine andere! Es fühlte sich an wie Messerstiche, der ganze Körper schmerzte, in meinem Kopf hämmerten Millionen von Gedanken, und ich fühlte mich unendlich schuldig. Ich hatte das Gefühl, nichts wert zu sein. So ging ich durch den Tag. Ich konnte niemandem mehr zuhören, ich schaute nicht mehr fern, las nichts mehr, nichts interessierte mich. Im Büro war ich oft aggressiv. Ich konnte es nicht ertragen, wenn mir jemand etwas erzählte, da ich mich auf gar nichts mehr konzentrieren konnte und oft unhöflich das Gespräch abwürgte oder verkürzte. Ich dachte immer nur: Mein Mann, den ich von Herzen liebte, hatte mich verlassen und lag nun mit einer anderen Frau im Bett! Ich nahm alle seine Vorwürfe an und verurteilte mich deshalb. Ich saß oft vor dem Internet und googelte Worte wie „Liebeskummer“, „Lückenfüllerin“ oder „Verarbeitung Liebeskummer“ und las stundenlang in der Hoffnung, dass es mir danach besser gehen würde. Ich las, auf welch unterschiedliche Weisen Frauen und Männer Liebeskummer verarbeiteten. Ich fand weitere Erste-Hilfe-Anleitungen für Liebeskummer-Kranke. Ich druckte mir vieles aus, was ich diesbezüglich an Literatur aus dem Internet bekam, und verschlang diese. Die beste Rache sollte übrigens sein, ein glückliches Leben zu beginnen. Davon war ich noch weit entfernt, wollte es aber gern. In der Mittagspause kaufte ich drei Bücher über Liebeskummer. In einem Buch war ein Kapitel den Lückenfüllern gewidmet. Besonders Männer nahmen sich schnell eine, um sich abzulenken und die innere Einsamkeit zu überdecken. Zweisamkeiten mit Lückenfüllern halten aber nicht lange. In den meisten Fällen nur so lange, bis es dem Getrennten emotional wieder gut geht. Es war meine Hoffnung, dass es bei Metin und seiner Neuen auch so war.

Nachmittags ging ich zu meiner Hausärztin, da ich die unentwegten Magenschmerzen nicht mehr ertragen konnte. Ich konnte mich bei ihr nur mühsam beherrschen, nicht in Tränen auszubrechen. Sie schaute immer wieder auf meinen Ehering, den ich auf jeden Fall im Büro bis zum Tag der Scheidung tragen würde. Dann gab sie mir etwas gegen die Bauchschmerzen, ein Antidepressivum und eine Broschüre mit Namen von Psychotherapeuten in meinem Bezirk.

Meine Mutter hatte mir eine Broschüre von Selbsthilfegruppen in den Briefkasten gesteckt. Darauf hatte sie geschrieben: „Du bist wer!“

Ich brauchte so schnell wie möglich Hilfe. Ich saß niemals depressiv herum, außer wenn ich Rotwein trank und Zigaretten rauchte (ich wunderte mich, wie schnell aus einem Nichtraucher ein Raucher werden konnte), ich lief immer wie eine Gehetzte herum, immer unruhig und immer überlegend, was ich als Nächstes tun könnte.

Abends fuhr ich zu Katja zum Essen. Ihre Schwester Vanessa war auch da, sie hatte sich gerade von ihrem Ehemann getrennt. Katja hatte nach wie vor Kummer mit ihrem Freund. Es tat uns allen drei so gut, sich gegenseitig auszusprechen. Ich musste immer reden, etwas anderes als mein Kummer und der meiner Freundinnen interessierte mich zurzeit nicht.

Mit Leichtigkeit ins neue Leben

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