Читать книгу Mit Leichtigkeit ins neue Leben - Beatrice Bellmann - Страница 40
Оглавление22. November
Es war der erste Morgen, an dem ich erwachte und über ihn hinausschaute, das heißt an mich und die Zukunft dachte. Ich wollte nicht mehr zurückdenken, sondern nach vorn, an ein Leben ohne ihn, und ich wollte wieder lachen.
Am Vormittag rief Jürgen an, ein langjähriger Bekannter, der zwanzig Jahre älter war. Wir hatten uns während meiner Ehe aus den Augen verloren, und ich hatte ihn neulich angerufen, als ich mit einem Mann sprechen wollte. Er hatte nach seiner Trennung zwei Jahre gelitten. Er wollte wissen, wie es mir ging. „Renn’ ihm nicht hinterher. Das turnt ihn nur noch mehr ab und nervt ihn und bringt ihn nur noch mehr weg von dir. Mit der Frau lenkt er sich ab. Auf keinen Fall hinterherlaufen! Wie kann man eine schöne und intelligente Frau wie dich verlassen! Arbeite, geh aus, lenk dich ab. Sitz nicht zu Hause. Ich rufe dich von Zeit zu Zeit an.“ Seine Worte taten mir so gut, dass ich anfing zu weinen, was mir etwas unangenehm war, weil er mich immer nur gut gelaunt erlebt hatte. Es tat sehr gut, mit ihm zu sprechen und seine Worte zu hören.
Ich rief Lisa an. Ihr Freund Markus war am Apparat. Er fragte mich, wie es mir ginge. Er sagte: „Frauen grübeln zu viel. Man muss rausgehen, sich ablenken. Nicht immer daran denken, was man selber falsch gemacht hat. Auch daran denken, welche Fehler der andere gemacht hat.“ Ich fragte ihn, warum es bei Männern schneller geht mit der Schmerzbekämpfung. Seine Antwort: „Sie grübeln nicht so viel.“ Es ging mir danach besser. Mein Magen beruhigte sich etwas.
Abends ging ich zu einer Selbsthilfegruppe, die ihre erste Stunde hatte. Wir waren zu fünft. Ein netter Mann ließ uns uns nacheinander vorstellen und den Grund unseres Hierseins nennen. Dann sollte jeder die zentrale Frage seines Problems nennen, die anderen sollten antworten. Ich lernte auch andere Schicksale kennen, die ich interessant fand, aber vor allem: Ich war mit meinem Kummer nicht allein. Da war zum Beispiel Bettina, deren Mann, mit dem sie seit zwanzig Jahren verheiratet war, sich plötzlich zu einem anderen Mann hingezogen fühlte. Oder Miriam, die verheiratet war und drei Kinder hatte, weswegen sie noch bei ihrem unausstehlichen Mann blieb, der eine Freundin hatte, aber dennoch täglich Sex mit Miriam haben wollte. Meine zentrale Frage war: Wie machen es Männer, dass sie nicht so lange leiden beziehungsweise gleich eine andere haben? Jeder sagte irgendetwas daraufhin, die Antworten stellten mich nicht zufrieden, und mein Eindruck war, dass jeder von uns so tief in sein Problem beziehungsweise seinen Kummer vertieft war, dass wir uns nicht gut in die anderen hineinversetzen konnten. Dennoch wollte ich in der nächsten Woche wieder dabei sein.