Читать книгу Lost & Dark Places Schwarzwald - Benedikt Grimmler - Страница 12

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ANFÄNGE IM NICHTS – Der »Stern«, die »Bunte«, »Freundin« und »Brigitte«, »Hör zu«, »Quick«, aber auch das »Time Magazine«, die Kursbücher der Bundesbahn, Telefonbücher und Rowohlts legendäre Rotationsromane, sie alle waren auf dem hochwertigen Albbrucker Papier gedruckt, stolz verkündete eine Firmenbroschüre, »heute ist es eine Ausnahme, wenn eine deutsche Illustrierte (speziell bei den heiklen Farbseiten) nicht Albbrucker Tiefdruckpapier enthält« – und natürlich war auch diese selbstbewusste Aussage auf einer Albbrucker Spezialanfertigung – »Alpasol« – zu lesen. Doch es sollte nicht mehr allzu lange dauern, bis keine einzige deutsche Illustrierte mehr auf Albbrucker Papier gedruckt werden würde. Damit ging eine jahrhundertelange Tradition zu Ende, die allerdings mit einem ganz anderen Produkt begonnen hatte: Eisen. Bereits 1681 hatte der Schweizer Abraham Chemilleret, Landvogt der österreichischen Regierung im Aargau, die Genehmigung zum Bau eines Eisen- und Hammerwerks an der Alb erhalten, ein Standort, der zwar einsam in der Landschaft lag, außer der namengebenden Alb-Brücke gab es dort nichts, der jedoch für das Vorhaben gleich mehrere Vorteile hatte: Das Gebiet unterstand ebenfalls der österreichischen Regierung, die Wasserkraft der Alb konnte zur Energiegewinnung genutzt werden, vor allem aber gab es durch die Nähe des Schwarzwalds Holz in Hülle und Fülle, dazu waren die Wege zu Erzen in der Umgebung, insbesondere der Schweiz, recht kurz. Der zur Verhüttung nötige Kalk lag günstigerweise genau gegenüber: in Schwaderloch, wohin ein Fährbetrieb eingerichtet wurde. Die ersten hundert Jahre waren geprägt von vielen Pächterwechseln, auch kam es hin und wieder zu Problemen bei der Rohstofflieferung, doch insgesamt hielt sich das Eisenwerk Albbruck gut, eine kleine Siedlung gehörte inzwischen dazu, schließlich sogar ein Kirchlein, denn das Schwarzwaldkloster Sankt Blasien, seit 1755 Pächter, hatte das Werk schließlich 1778 von Österreich gekauft.

EIN NEUES PRODUKT – In der Säkularisation wurde das Kloster aufgehoben, Nachfolger und damit auch Werksbesitzer in Albbruck wurde der badische Staat, der sich nicht nur entschloss, den Betrieb zu erhalten, sondern auch auszubauen. Albbruck wurde das wichtigste Eisenwerk des Großherzogtums, das Geschäft florierte. Problematischer waren die sozialen Verhältnisse, Albbruck war noch immer keine eigenständige Gemeinde, aber auch keinem der umliegenden Orte angeschlossen. Wer direkt vor Ort bei der Fabrik lebte, hatte kein »Heimatrecht«, war folglich kein vollgültiger Bürger und durfte zum Beispiel nicht heiraten. Witwen, verunglückte oder zu alte Arbeiter lebten in bitterer Not, nicht selten wanderten sie aus. Erst spät griff der Staat ordnend ein, als er Albbruck zur Stabhalterei erklärte, sozusagen der Beginn der heutigen Gemeinde. Mit dem Eisenwerk ging es dann allerdings bald bergab, die Schweiz verhängte Einfuhrzölle, die Eisenbahn brachte nicht Aufschwung wie sonst so oft, sondern billigere Konkurrenz. 1866 war das Eisenwerk Albbruck am Ende. Über Jahre stand es nun leer. Und wieder war es ein Schweizer, der für Veränderung sorgte. Nikolaus Kaiser von Grellingen, eidgenössischer Nationalrat, kaufte die Gebäude und baute sie völlig um. Denn ein Rohstoff war ja weiterhin billig zu haben: Holz. Von Grellingen richtete erst eine Holzschleiferei ein, die anfangs nur den Grundstoff für Papier lieferte, bald ging man aber dazu über, dieses selbst vor Ort herzustellen. Aus dem Eisenwerk war eine Papierfabrik geworden.


Sichtbares Überbleibsel der Papierfabrik: das Wärmekraftwerk

DIE LETZTE SEITE – Und zwar eine sehr erfolgreiche. 1883 übernahm die »Gesellschaft für Holzstoffbearbeitung Basel« die Firma, Albbrucker Papier wurde zum Qualitätsmerkmal, das Eigenlob der oben zitierten Broschüre war durchaus berechtigt. Der Betrieb wuchs und wuchs, Kraftwerke zur Energiegewinnung sowohl mit Wasser als auch Kohle wurden gebaut, ein eigener Gleisanschluss mit Betriebsbähnchen kam hinzu, die erste Papiermaschine I wurde jeweils nach und nach ergänzt durch modernere und leistungsfähigere bis zu Nummer VII, bekannt wurde Albbruck vor allem auch als Ort immer neuer innovativer Verfahren, die Firma war international ein Begriff in der Branche. Dazu passte, dass sie schließlich von einem finnischen Konzern übernommen wurde, immerhin ein Land mit unzweifelhafter Expertise – Holz gab es auch dort in rauen Mengen. 2011 folgte ein weiteres finnisches Unternehmen, UMP. Und dann diese Nachricht, deren schockartige Wirkung der Pressemeldung des Bürgermeisters noch immer zu entnehmen ist: »Was uns am 31.08.2011 als geplante Schließung der Papierfabrik durch den UPM Konzern übermittelt worden ist und für uns alle unfassbar war, wird nun Realität. Die Papierfabrik Albbruck, die auf eine 140-jährige Geschichte zurückblicken kann, wird geschlossen. Albbruck verliert damit sein Herz und ein Stück seiner Identität.« Über 560 direkt Beschäftigte verloren 2012 ihren Arbeitsplatz, alle Verhandlungen über den Fortbestand waren erfolglos. Nicht einmal zehn Jahre nach dem plötzlichen Ende ist von dem einstigen Vorzeigebetrieb nur wenig geblieben: eine große Brachfläche am Rhein und um die Bahnlinie, darin der Koloss des früheren Wärmekraftwerks mit seinem aufragenden Schlot. Einzelne Abraumhalden und herumstehende Maschinenteile erinnern ebenfalls noch an die prägende Vergangenheit der Fabrik, ohne die der Ort Albbruck nicht einmal – oder zumindest nicht in dieser Form – existieren würde. Das Gelände wurde größtenteils verkauft, wohlklingende Pläne für das riesige Areal liegen seit Langem auf dem Tisch, getan hat sich jedoch in den letzten Jahren kaum etwas. Rasch voran ging lediglich der Abriss der meisten Gebäude.

Das besondere Erlebnis


Mit der Schließung des großen Werkes 1866 war die Tradition des Eisengießens in Albbruck noch nicht vorbei. Der Schmelzmeister Anton Nägele machte sich in unmittelbarer Nachbarschaft selbstständig, sein Familienbetrieb wuchs ständig, als ENA GmbH beschäftigte er schließlich mehrere Dutzend Arbeiter, und war neben der Papierfabrik einer der wichtigsten Arbeitgeber vor Ort. War. Denn auch die Eisengießerei Nägele ist Geschichte, 2018 erfolgte die Schließung. Die Gebäude in der Alten Landstraße stehen noch – ihre Zukunft ist ungewiss.

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