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Ich lass es richtig krachen

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Eines steht fest: Meine Eltern hatten es in der Pubertät nicht leicht mit mir. Ich war ein echtes »Hormon-Monster«. Mit allen Wassern gewaschen. Und das wäre ich bestimmt auch ohne das Transding gewesen.

Etwas galt als verboten oder gefährlich? Tausend Prozent, dass Melzer-Junior ganz vorn am Start dabei war. Beispielsweise bin ich mit Vorliebe nachts ausgebüxt. Alle anderen durften eh immer länger unterwegs sein als ich. Da wir so abgeschieden wohnten und ich durch den Wald musste, gab es bei uns die eiserne Regel: zu Hause sein, wenn die Laternen angehen. Das fand ich irgendwann überhaupt nicht mehr witzig. Und frisch verliebt in Melina, war ich wie ein rolliger Kater. Einfach nicht mehr zu halten, und schon gar nicht durch Regeln und verschlossene Türen. Jede Nacht wartete ich, bis meine Eltern pennten. Tagsüber hatte ich bereits unauffällig eine Flasche Wein, unseren Liebestrunk, aus dem Spirituosenlager meines Vaters mitgehen lassen.

Dass ich mit meiner Omma, wie wir im Pott sagen, auf einer Etage wohnte, entpuppte sich als Glücksfall, denn so konnte ich durch ihr Badezimmer entkommen. Dann nur noch auf Socken die Treppe hinunter und aus Ommas Haustür hinaus. Mein persönlicher Schleichweg. Das Grundstück war zwar mit Bewegungsmeldern ausgestattet, aber ich kannte mich aus, wusste, um welche Ecken ich mich wie herumdrücken musste, damit kein Licht anging. Nun die Mauer hoch und über das Garagendach in unseren Garten. Erst gegen fünf kam ich nach Hause.

Nach ein paar dieser langen Knutschnächte war ich richtig fertig. Hundemüde. So müde, dass ich bei meiner Rückkehr vergaß, meinen Antiquietschtrick an der Haustür anzuwenden.

»Jetzt bist du wohl völlig übergeschnappt, was?!«, brüllte mein Vater auf mich ein, während ich nur noch ins Bett wollte.

Es folgte eine wortgewaltige Standpauke, die mich aber nicht davon abhielt, meine nächtlichen Touren fortzusetzen. Man versuchte zwar, mich zu stoppen, indem die Zwischentür abgeschlossen und der Schlüssel für mich unerreichbar verwahrt wurde, aber die Tür konnte ich nach einer Weile knacken, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen.

Hatte ich mal wieder aus irgendeinem Grund Hausarrest und Handyverbot, kamen die Mädels zu mir. Sie gaben mir Lichtzeichen, wenn sie im Busch auf mich lauerten. Dann haben wir uns im Gartenhäuschen getroffen, gechillt und geknutscht.

Auch die Schule mit ihren Regeln und Verboten lieferte mir wunderbar viele Möglichkeiten, mich antimäßig so richtig auszutoben. Immer öfter machte ich mit meiner Clique zusammen blau, und ich entwickelte mich zum Meister des Bescheißens. Mein persönliches Catch me if you can. Meistens hingen wir dann am Kanal mit Alcopops ab und spielten Fußball. Brachte meine Mutter mich zur Schule, bin ich manchmal gar nicht erst rein, sondern wartete, bis sie mit ihrem Golf außer Sichtweite war, und machte mich aus dem Staub. War ja kein Problem mit der Entschuldigung, schließlich hatte ich die Unterschrift meiner Mama inzwischen perfekt drauf. Selbst unsere Stimmen klangen ähnlich. Eines Tages rief mein Mathelehrer bei uns zu Hause an, weil ich schon seit ein paar Tagen fehlte. Nun wollte er von meiner Mutter wissen, was los sei – und hatte mich am Telefon. Wie immer meldete ich mich mit »Melzer«.

»Hallo, Frau Melzer, ich wollte mal fragen, wie es Ihrer Tochter geht.«

Wie praktisch, dachte ich, da spiele ich doch mit.

»Yvonne geht es tatsächlich nicht gut«, kam es mir mühelos über die Lippen. »Ein Magen-Darm-Virus, aber sie ist bald wieder auf dem Damm.«

Die Nummer hat er mir voll abgekauft.

Dann aber flog ich leider doch noch auf. Eine Lehrerin enttarnte mich anhand irgendeines saublöden Rechtschreibfehlers, der ihr komisch vorkam; und so hakte sie bei meiner Mutter nach. Dummerweise war sie diesmal selbst am Apparat.

Neben Mädels und Sport hatte ich ein Faible für Motorroller. Vierzig Stundenkilometer waren mir jedoch zu lahm. Per Internet lernte ich, wie man das Ding frisieren konnte. Der Variomatik-Ring musste entfernt werden. Zwei Stunden lang frickelte ich an meinem Roller herum, bis ich blutige Hände hatte. Aber es hat sich so was von gelohnt. Mit stolzen neunzig Sachen düste ich durch die Gegend. Den Variomatik-Ring hatte ich zu einem Schlüsselanhänger umfunktioniert.

Alles klappte wie am Schnürchen, bis mein Vater auf die glorreiche Idee kam, eine Runde mit meinem Roller zu drehen. Der hat vielleicht Augen gemacht!

»Yvonne, hast du einen Vogel? Was meinst du, was passiert, wenn dich die Polizei erwischt?«

Gnadenlos ließ er mich den bekloppten Ring sofort wieder einbauen. Es dauerte allerdings nicht lange, da war ich so geübt darin, dass ich ihn an der nächsten Ecke kurzerhand wieder abfummeln konnte – und auf dem Rückweg dann das Spiel einfach andersherum. Meine Bestzeit pro Umbau: zehn Minuten. Yes! Irgendwann aber muss mir der Ring bei so einer Aktion verrutscht sein, denn der Roller fuhr plötzlich auch mit dem Ding achtzig Sachen.

Meine pubertär-kriminellen Ambitionen krönte ich mit einem Autoklau. Ich war 17 und hatte einige Freunde zu Besuch. Meine Eltern waren ausgeflogen. Da wir plötzlich Bock auf eine Spritztour hatten, mopste ich den Golf meiner Mama. Und dann ab damit durch die Felder. Fenster runter, Musik bis zum Anschlag. Dann schön zum Kiosk gedüst, dort zwei Kisten Bier geholt für die geplante Gartenparty und zurück nach Hause. Dumm nur, dass an unserer Auffahrt schon meine Eltern auf uns warteten! Die Freunde wurden vom Hof gejagt, und dann gab es richtig Ärger. Sogar meine sonst so sanfte Mama kam richtig aus der Höhle. Sie war pottsauer. Vor allem aus Sorge.

»Bist du eigentlich bescheuert? Was da alles hätte passieren können!«

Nach ihrer ungewöhnlich lauten Moralpredigt rauschte sie empört ab.

»Und«, fragte mein Vater, als wir allein waren, »wie fährt er sich?«

Verschwörerisch zwinkerte er mir zu. Das fand ich mal richtig cool von ihm. Trotzdem musste ich die Suppe mit einem sechswöchigen Handyverbot auslöffeln.

Endlich Ben

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