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I. 3. Todesplan

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Herrlicher als Kleist ist keiner gestorben, urteilt Zweig: er rühmt die konsequente Selbstbestimmung des Dichters zu einem Zeitpunkt, an dem er noch an eine Wende glaubt und am Leben festhält, es nahezu an sich reißt.

Von Kleists bis ins letzte Detail inszenierter Tod ist mit dem Begriff Selbstmord nicht vollständig oder befriedigend erfasst. Die Tötung Henriette Vogels, Frau des Rendanten Friedrich Ludwig Vogel ist nach den Begriffen der Zeit ein Mord, die Selbsttötung eine Konsequenz von unerhörter Sachlichkeit. Zudem kann dem Doppel-Mörder Kleist nicht sein tiefer christlicher Glaube abgesprochen werden.

Sein fröhlicher Spazier-Gang in den Tod gleicht dennoch einer Hinrichtung, Selbstbestrafung und Anklage. In der Literatur kündigt er sie ohnehin an; kaum ein Werk kommt ohne gewaltsames Sterben aus. In von Kleists Dichtungen sind Konsequenzen rechtlichen Charakters aus vorangegangenen Taten. Nicht ohne Bedeutung auch der Ort: auf einer leichten Anhöhe, nahe der Brücke, die den heutigen Kleinen und Großen Wannsee trennt, in Sichtweite der großen Heerstraße zwischen dem militärischen und dem politischen Zentrum des Staats, zum immer währenden Gedenken für alle, zum fortdauernden Vorwurf aber an das Königshaus. Das hat man dort gewusst und verstanden; die Prinzessin Marianne deutet es am 8.1.1833 in ihrem Tagebuch an.

Der komplizierte, verstörende Vorgang wirft tiefe Schatten auf von Kleists ganze Wirkungsgeschichte, insbesondere einer grotesken Heroisierung während des Nationalsozialismus. Der Vorwurf, eine der reichsten Begabungen der deutschen Dichtung sei an Gleichgültigkeit und Unverstand der Öffentlichkeit, der Kritik, der Obrigkeit zugrunde gegangen, ist Bestandteil des Kleist-Mythos geworden, die Kunst weiter zu gehen (Cuonz) oder die Sehnsucht kein Selbst zu sein (Kehlmann) führen zu einem entstellten Ideal (Ruprecht).

Nekrolog: Zwei Masken, die sich beäugen, kriegerisch sich zugetan, ein Bild mitten im nunmehr vollendeten Rätsel. Unbegreiflich bleibt sein Leben, fassbar nur der Tod. Schweigsam beredt und bedeutsam in den Lücken, den Punkten und Auslassungen, der Morgentau glänzend, wo Raureif die Gräser streichelt. Wie im Rausch ist der Mensch, im Fieber liebt und stirbt sich´s am besten. Abschied von der Qual. Auf Erden nie, im Himmel vielleicht, eher in der Hölle wird ihm zu helfen sein. Wo ist sie hin, die mächtigste Stunde seines Lebens, die ihm zeigt, dass der Zeiger springt, die Zeit klemmt, wenn sie sich ins Mechanische gesperrt sieht. Hört er die Zeit gehen, als das Mondlicht den Schatten seiner Lippen küsst? Oder ist es doch am helllichten Tag, inmitten von Eselslärm, als die Kutsche wankt und schließlich fällt, er überlebt, doch gleichsam nur als ein anderer. Der Vernunft erster Diener will er sein, am Ende ist alles Liturgie, nur noch Musik hat der Gewaltige in seiner Brust, wenn er die Sirenen schweigen und den Seraphim Posaune blasen hört. Sprache gleicht einem inneren Verhör, einem Tasten und Stolpern, endlos müht er sich, das Geschrei des Esels zu vergessen, doch es sind zu viele Esel unter ihm. Ulrike leuchtet in bunten Träumen aus dunklen Schlössern mit ihren fahl leuchtenden Gräbern.

Heinrich von Kleist

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