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III. Rechtliche Anforderungen an die Durchführung von Heilversuchen
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Als ärztlicher Heileingriff unterfällt der Heilversuch den insofern einschlägigen straf- und zivilrechtlichen Regelungen. Aus strafrechtlicher Perspektive kommt daher eine Strafbarkeit eigenmächtig vorgenommener Behandlungen als Körperverletzung (§§ 223 ff. StGB), eine Strafbarkeit von Behandlungsfehlern als fahrlässige Körperverletzung oder fahrlässige Tötung (§§ 229, 222 StGB; ausf. dazu → BT Bd. 6: Detlev Sternberg-Lieben, Ärztliche Heilbehandlung und Fahrlässigkeitsstrafbarkeit, § 52) und schließlich – im Falle der Verweigerung einer an sich indizierten Behandlung – eine Strafbarkeit nach den Grundsätzen des Unterlassungsdelikts (§§ 13, 323c StGB) in Betracht.[104] In zivilrechtlicher Hinsicht ist der Heilversuch v.a. an den mit dem Patientenrechtegesetz[105] geschaffenen Vorschriften der §§ 630a ff. BGB zu messen, mit denen im Wesentlichen die vorherige Rechtsprechung der Zivilgerichte in Arzthaftungssachen kodifiziert wurde.
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Bei der rechtlichen Bewertung von Heilversuchen ist zunächst zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung jeder – also auch der medizinisch indizierte und lege artis durchgeführte – ärztliche Heileingriff als tatbestandsmäßige Körperverletzung einzuordnen ist, die zu ihrer Rechtfertigung der wirksamen Einwilligung des Patienten bedarf.[106] Die Wirksamkeit der Einwilligung setzt wiederum voraus, dass der Patient rechtzeitig[107] ordnungsgemäß über alle für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufgeklärt worden ist (vgl. §§ 630d Abs. 2, 630e Abs. 1 S. 1 BGB).[108] Zu den insofern wesentlichen Umständen gehören gemäß § 630e Abs. 1 S. 2 BGB insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Von besonderer Bedeutung für den vorliegend erörterten Zusammenhang ist die sog. Methodenaufklärung, deren Umfang dadurch begrenzt wird, dass die Wahl der Behandlungsmethode grundsätzlich Sache des behandelnden Arztes ist.[109] Dieser muss jedoch unter mehreren medizinisch anerkannten Heilverfahren dasjenige wählen, das einerseits die besten Heilungschancen eröffnet, andererseits die geringste Gefahr für den Patienten mit sich bringt und ihm die wenigsten Schmerzen bereitet.[110] Existieren mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden, die zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können, so liegt die Entscheidung beim Patienten, der daher entsprechend aufzuklären ist (§ 630e Abs. 1 S. 2 BGB).[111] Beim Heilversuch kommt hinzu, dass dieser sich bewusst vom erfahrungsbasierten medizinischen Standard löst und damit in besonderem Maße die Gefahr bislang unbekannter Komplikationen mit sich bringt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat daher der Arzt, der eine neue und noch nicht allgemein eingeführte Behandlung mit einem neuen, noch nicht zugelassenen Medikament mit ungeklärten Risiken vornehmen will, den Patienten nicht nur über die noch fehlende Zulassung, sondern auch darüber aufzuklären, dass unbekannte Risiken derzeit nicht auszuschließen sind.[112]
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Bei der Durchführung der Behandlung hat sich der Arzt an den bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu orientieren, soweit nicht etwas anderes zwischen ihm und dem Patienten vereinbart ist (§ 630a Abs. 2 BGB). Ausschlaggebend ist damit regelmäßig der sog. Facharztstandard,[113] der für das jeweilige Fachgebiet im Zeitpunkt der Behandlung maßgeblich ist; die Parteien des Behandlungsvertrages können jedoch auch einen abweichenden Standard der Behandlung vereinbaren und so insbesondere den Raum für einen Heilversuch oder die Anwendung einer Neulandmethode schaffen.[114] In der Anwendung eines noch nicht zugelassenen Medikamentes oder einer neuen Operationsmethode liegt dann nicht allein aufgrund der Standardabweichung ein haftungsrelevanter Sorgfaltspflichtverstoß; der Arzt ist jedoch – wie bereits dargelegt (Rn. 27) – verpflichtet, einen besonders sorgfältigen Vergleich der Risiko-Nutzen-Profile von Standardbehandlung und neuer Methode vorzunehmen.[115] Die zugrunde liegende Abwägung ist überdies zu aktualisieren, „sobald neue Erkenntnisse über mögliche Risiken und Nebenwirkungen vorliegen, über die sich der behandelnde Arzt ständig, insbesondere auch durch unverzügliche Kontrolluntersuchungen zu informieren hat“.[116]