Читать книгу Handbuch des Strafrechts - Bernd Heinrich - Страница 243

b) Neue psychoaktive Stoffe als Arzneimittel („Designerdrogen“)

Оглавление

40

Während sich die Arzneimitteleigenschaft verschreibungsfähiger und im Einzelfall auch verordneter Betäubungsmittel aufdrängt, ist es eine gänzlich andere Frage, ob jedweder Stoff, der pharmakologisch wirkt, aber trotz seiner stimulierenden, sedativen, halluzinogenen oder sonst psychoaktiven Wirkung noch nicht in die Anlagen des BtMG aufgenommen worden ist, zumindest als (Funktions-)Arzneimittel klassifiziert werden kann. Jedenfalls der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG setzt keine therapeutische, sondern lediglich eine pharmakologische Wirkung auf die physiologischen Funktionen voraus, sodass eigentlich jeder aufbereitete Stoff, der chemisch wirkt, unter den Begriff des Arzneimittels fällt (mithin auch: Gifte, Rauschgifte, Reinigungsmittel und sonstige Chemikalien). Bei solch einer Betrachtung könnte die strafrechtliche Verfolgung des Handels mit Drogen stets auch unter die Strafvorschriften der §§ 95 ff. AMG subsumiert und das Betäubungsmittelgesetz müsste als lex specialis für gelistete Betäubungsmittel gedeutet werden.

41

Diese Frage ist vor allem im Bereich der Designerdrogen von besonderer Bedeutung. Hierzu zählen etwa synthetische Cannabinoide (die allenfalls partiell in ihren Wirkweisen Cannabis gleichen): Besonders bekannt wurde als „Vorläufer“ der neuen Designerdrogenwelle zur Jahrtausendwende der Wirkstoff JWH-018 sowie das CP-47, die in dem unter dem Namen „Spice“ vermarkteten Cannabimimetikum enthalten waren. Daneben nehmen die echten „research chemicals“ – vornehmlich Tryptamin- und Phenylethylaminderivate (Cathinone und Piperazine) – eine bedeutsame Rolle ein. Derartigen neuen psychoaktiven Stoffen ist gemeinsam, dass ihre chemische Zusammensetzung ohne Aufwand „umgestellt“ bzw. erweitert werden kann.[99]

42

Dies führt zu einem Katz-und-Maus-Spiel zwischen dem Verordnungsgeber bzw. Strafverfolgung und den Produzenten jener neuen chemischen Verbindungen. Bis man auf diese aufmerksam wird und dazu kommt, sie in die Anlagen des BtMG aufzunehmen, unterfällt der Handel mit den neu synthetisierten Stoffen nicht dem Erlaubnisvorbehalt des § 3 BtMG (und ist damit auch nicht strafbar nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG). Dies war der Grund dafür, dass man diese Stoffe auch als „legal highs“ bezeichnete. Eben diese entstehende – freilich immer nur vorübergehende – Lücke ließe sich mit einer Einordnung derartiger Stoffe als Arzneimittel schließen.[100] Der BGH hatte solch ein Vorgehen in zwei Entscheidungen abgesegnet[101] und wurde in seiner Auffassung vom BVerfG bestätigt.[102] Da der (zwischenzeitlich novellierte) Begriff des „Funktionsarzneimittels“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG) ausweislich seines Wortlauts nur eine pharmakologische Wirkung erfordert, die beim Konsum derartiger Stoffe unzweifelhaft gegeben ist, sprach zumindest der Wortlaut nicht gegen solch einen Ansatz.[103]

43

Die Auffassung war aber sowohl systematisch als auch teleologisch Kritik ausgesetzt, zumal sie der restriktiven Haltung des EuGH im Hinblick auf den Arzneimittelbegriff kaum gerecht wurde,[104] stattdessen einen „provisorisch“ materiell-rechtlichen Betäubungsmittelbegriff schuf und das AMG in ein Auffangbecken für „Betäubungsmittel in spe“ umwandelte. Der EuGH lehnte solch einen extensiven Arzneimittelbegriff (retrospektive wenig überraschend) ab, als er die Frage zur Entscheidung vorgelegt bekam,[105] ob neue psychoaktive Substanzen als Arzneimittel klassifiziert werden könnten. Demnach seien vom Funktionsarzneimittelbegriff keine Stoffe erfasst, deren Wirkungen sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränken, ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein; die nur konsumiert werden, um einen Rauschzustand hervorzurufen, und die dabei gesundheitsschädlich sind.[106] Obergerichte[107] und auch der BGH haben die Auffassung des EuGH im Anschluss übernommen.[108]

Handbuch des Strafrechts

Подняться наверх