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3. Betäubungsmittelrecht de lege ferenda

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Die Tatsache, dass die Argumente gegen eine Legalisierung den derzeitigen Rechtszustand nicht zugleich bekräftigen, müsste Anlass genug sein, die Überprüfung, ob gleich geeignete, aber weniger einschneidende Mittel existierten, zuzulassen, mithin das „Sozialexperiment“ des Verzichts auf das Strafrecht. Damit würde man nicht nur dem Bürger ein Stück Freiheit zurückgeben und Vertrauen in die Rechtsgemeinschaft signalisieren, sondern könnte bereits nach kurzer Zeit auf (evidenzbasierte) Forschung zurückgreifen. Zudem sind gesetzgeberische Schritte nicht unumkehrbar. Eine Teillegalisierung bzw. Entkriminalisierung stellt keine Einbahnstraße dar; verspielt der Bürger das Vertrauen, besteht wiederum die Möglichkeit das Verbot erneut zu erlassen. Dass sich der Einfluss des gesetzgeberischen Eingriffs wahrscheinlich erst langfristig bemerkbar machen wird, spricht nicht gegen derartige Vorstöße, sondern macht deutlich, dass kurzfristig ohnehin keine erheblichen Gefahren für die Gesellschaft bzw. Rechtsgemeinschaft zu prognostizieren sind.

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Die Palette denkbarer Neukonzeptionen (Entkriminalisierung, Legalisierung) kann und muss an dieser Stelle auch nicht detailliert dargestellt werden;[345] der Gesetzgeber sollte sich jedoch im Klaren sein, dass zahlreiche Baustellen der Drogenpolitik angegangen werden können, ohne das geltende System in Frage zu stellen. Neben einer Implementierung weiterer harm-reduction-Maßnahmen (wie z.B. dem drug-checking[346]), sollte über eine deutlichere Abkoppelung der medizinischen Versorgung nachgedacht, ein garantierter Zugang zur Notfallmedizin, insbesondere Naloxon-Kits[347] gewährleistet und auf verbesserte Bedingungen für Drogenabhängige in der Haft hingewirkt werden.[348] In Drogennotfällen sollte sich die Strafandrohung auf diejenige, die aus der Verletzung der Hilfspflicht resultiert (§ 323c StGB, ggf. §§ 212, 13 StGB), beschränken, mithin sollte der gemeinsame Konsument nicht aus Angst vor Aufdeckung des eigenen Drogenbesitzes davon absehen, Menschenleben zu retten.[349]

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Auch was den Handel angeht, besteht, wie sich aus den Ausführungen bei Rn. 60 ff. ergeben haben dürfte, dringender Handlungsbedarf. Die mit der ausufernden Auslegung des Handeltreibens einhergehenden dogmatischen Friktionen erfordern eine gesetzgeberische Klarstellung. Die Qualifikationstatbestände müssen neu geordnet, die Versuchs- und Fahrlässigkeitsstrafbarkeit auf wenige (dogmatisch sinnvolle) Fälle beschränkt werden.[350] Darüber hinaus oder alternativ ist über spezifische Strafzumessungsvorschriften nachzudenken, welche Strafrahmenverschiebungen für in der Rechtsprechung bereits anerkannte Konstellationen beinhalten, etwa beim Handeln als Kurier, bei einem geringen Gewinn oder bei der Eigenschaft als „social supplier“.[351] Den Anfang könnte man mit der Einfügung einer tätigen Reue Vorschrift (in einem neuen § 30c BtMG-E) machen, welcher den „Rücktritt“ vom Handeltreiben einerseits, die besondere Situation des agent provocateur bzw. Lockspitzels andererseits angemessen erfasst.[352]

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