Читать книгу Handbuch des Strafrechts - Bernd Heinrich - Страница 285

2. Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit im Einzelnen

Оглавление

114

Diese Entmachtung eines systemkritischen Rechtsgutsbegriffs auf der Ebene des legitimen Zwecks setzt sich auf den weiteren Stufen der Verhältnismäßigkeitsprüfung weiter fort. Im (insgesamt noch unausgegorenen) „Strafverfassungsrecht“[283] wird die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers in den Mittelpunkt gerückt, die den Eingriff (Verbot von Substanzen) weitestgehend gegen jegliche Alternativen und vorgebrachten Bedenken immunisiert. So kann die Kritik gegen die mangelnde Gefährdung der Gemeinschaftsbelange kaum Berücksichtigung finden, wenn der Gesetzgeber vom Gegenteil überzeugt ist (besserer Jugendschutz, Gefährlichkeit eines bestimmten Stoffs).[284] Das ist prekär, weil sich dann keine Maßstäbe für die Überzeugung entwickeln können und die „Überzeugung“ auch nicht verteidigt werden muss.

115

Gerade die jüngere Strafgesetzgebung hat gezeigt, dass man von einem sehr großzügigen Beurteilungsspielraum der Legislative auszugehen scheint, was zur Verschiebung der Begründungslasten führt, wenn der Eingriff in Freiheitsrechte postuliert wird. Besonders deutlich wird dies, wenn in verfassungsrechtlichen Abhandlungen die Legitimität bzw. verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Entkriminalisierung des Cannabiskonsums auf den Prüfstein gelegt wird (!), und man nach Bejahung dieser Frage (Legalisierung von Cannabis verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig) dazu übergeht, die rechtspolitische Zweckmäßigkeit der Legalisierung zur Diskussion zu stellen.[285] Zwar bedeutet die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Legalisierung nicht zwingend eine Verfassungswidrigkeit der Kriminalisierung bzw. des Verbots. Aber abgesehen davon, dass man die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Eingriffs (also des Verbots) prüfen müsste, spricht doch viel für eine Verfassungswidrigkeit des Verbots, wenn im Rahmen der „umgekehrten Prüfung“ (die sich an der lex lata orientiert) alle Argumente für und wider abgehandelt wurden. Die geschilderte Umkehr der Begründungslast lässt sich anhand einzelner Belange, die das Verbot zu schützen bezweckt, anschaulich demonstrieren:

Handbuch des Strafrechts

Подняться наверх