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1. Legitimer Zweck

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Zunächst lassen sich – ausgehend von einem großzügigen Maßstab – alle Rechtsgüter als „Gemeinschaftsbelange“ verstehen, die sich unter den verfassungsrechtlichen Begriff des legitimen Zwecks fassen. Auf dieser Ebene hat die Verfassungsrechtsdogmatik kaum einschränkende Wirkung, weil die grundsätzliche Schutzbedürftigkeit von Gemeinschaftsbelangen kaum in Frage gestellt wird.

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Die objektivrechtliche Funktion eines Grundrechts (also die Funktion als „Schutzbelang“) kommt jedenfalls dann nicht zum Tragen, wo der Wesensgehalt eines grundrechtlichen Verfassungsguts, auf das der Grundrechtsberechtigte verzichten möchte, nicht berührt wird.[278] Bei den meisten Drogen, deren einmaliger Konsum nicht lebensgefährlich ist (mangels Toxizität, vgl. bereits Rn. 35), kann damit aus dem verfassungsrechtlichen Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verankerten objektiven Lebensschutz keine grundrechtliche Schutzpflicht hergeleitet werden.[279] Hinsichtlich der körperlichen Unversehrtheit dagegen könnte man – eine niedrige Schwelle des Wesensgehalts zugrunde legend – davon ausgehen, dass das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen zurücktritt, wenn die körperliche Unversehrtheit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf Dauer beeinträchtigt werden könnte.[280] Dies ist auch der Grund, warum im Rahmen der kriminalpolitischen Erwägungen derart intensiv über die Auswirkungen des Cannabiskonsums und zur Wahrscheinlichkeit dauernder Schäden bei dessen Konsum diskutiert wird (hierzu Rn. 117 ff.). Dabei dreht sich die Lehre vom Wesensgehalt auch im Kreis, da die Frage, ob der Wesensgehalt des Grundrechts berührt ist, wiederum vom Grundrechtsträger abhängt (insbesondere der Art und Weise wie und was er konsumiert, den Mengen, dem Reinheitsgrad etc.).[281]

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Der Gefährlichkeitsprognose kann man allerdings „entgehen“, wenn man in der freien Verfügbarkeit einer Substanz stets die Gefahr sieht, dass sie in die Hände eines unverantwortlich agierenden Dritten gelangen könnte. Dementsprechend wird – um der paternalistischen Ausgestaltung etwas die Schärfe zu nehmen – häufig darauf hingewiesen, dass der Erwerb und Besitz von Substanzen – mögen diese auch zum Eigenkonsum bestimmt sein – stets die Gefahr mit sich brächte, dass der Stoff in die Hände einer unverantwortlichen Person gerät. Mit solch einer Argumentation könnte jedoch jede gefährliche Substanz und jeder gefährliche Gegenstand ohne Einschränkungen verboten werden. Umso erstaunlicher ist es, wenn Drogen in diesem Zusammenhang mit Waffen verglichen werden[282] und damit postuliert wird, das Verbot eine Waffe zu besitzen, verfolge hauptsächlich den Zweck, dass unverantwortlich agierende Personen nicht in den Besitz der Waffe gelangen sollen, statt potentielle Verletzungs- und Tötungshandlungen zu verhindern.

Handbuch des Strafrechts

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