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1.5.2. Spanien und Portugal

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Spaniens König Karl I. konnte 1517 endgültig die beiden Reiche Kastilien und Aragon zum Königreich Spanien vereinen und übernahm 1520 als Karl V. die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reichs. Die Habsburger bauten an nichts Geringerem als einem Weltreich. Dieses Reich sollte zudem ein dezidiert katholisches sein. Türken und religiös Andersdenkende wurden unterdrückt. Auch sein Sohn Philipp II. von Spanien verstand sich als Verteidiger der katholischen Sache und fand in Elisabeth I. von England seine Gegnerin. Diese Frontstellung war eine zwischen Katholizismus und der weltlichen Lebensauffassung des Protestantismus. Elisabeth war mehr an der Entwicklung des Landes als an Konfessionsstreitigkeiten gelegen. Zwischen 1563 und 1584 entstand die größte Schlossanlage der frühen Neuzeit, der Escorial (Real Sitio de San Lorenzo de El Escorial/Königlicher Sitz Sankt Laurentius von El Escorial), gebaut von Juan Bautista de Toledo und Juan de Herrera. Vorbild war einerseits Bramantes ursprünglicher Plan für St. Peter in Rom, andererseits der maurische Alcázar (Reales Alcázares de Sevilla). Arabische Einflüsse gab es auch in der Ornamentik, die geradezu ein Charakteristikum der spanischen Architektur wurde. Von Herrera ist bekannt, dass er sich mit Okkultismus beschäftigte, darunter mit den Zahlenspiele reien von Raimundus Lullus. Man kann daher vermutlich auch mathematische Symbolik in die Anlage hineindeuten. Besonders das prominente Auftauchen des Kubus wird in der Literatur angeregt diskutiert.

Spanien

Escorial

Der Escorial war ein Symbol des Katholizismus. Er bezog sich auf den Sieg Spaniens über Frankreich in der Schlacht bei Saint-Quentin 1557 am 10. August, dem Tag des Hl. Lorenz. Daher war der Grundriss wie ein Rost entworfen, dem Folterwerkzeug nachempfunden, mit dem Lorenz im 3. Jh. das Martyrium erlitten hatte. Gegenreformation, Zentralismus, ungetrennte weltliche und geistliche Macht sind Schlüssel, die dieses Martyriumsmemorial – begonnen im Jahr des Abschlusses des Tridentinischen Konzils – als Bedeutungsträger aufschließen lassen. Zudem wurde der Bau mit dem Salomonischen Tempel verglichen, nicht zuletzt deshalb, weil Philipp II. ein Förderer von Rekonstruktionsversuchen des Tempels war. Zahlreiche Klosterbauten des Barock nahmen sich den Escorial als Vorbild. Klöster wurden wie Residenzen nach dem Vorbild solcher Schlossbauten angelegt.

Ashley 1983, 14

Philipp hinterließ, als er in einem kleinen Zimmer im Escorial starb, ein Riesenreich, zu dem weite Teile Italiens, das ehemalige Burgund, Besitzungen in Afrika, Süd-, Mittel- und Nordamerika (Kalifornien) und in Asien gehörten. Zugleich zehrten die Ausgaben für die (v.a. religiösen) Prestigeprojekte und die zahlreichen Kriege zur Mehrung des Reiches an der Substanz, trieben das Land mehrmals in die Staatspleite und 1588 in eine schmerzliche Niederlage gegen England, wobei die gesamte Flotte verloren ging. England hatte sich des schärfsten Rivalen entledigt und stieg zur Weltmacht auf. Aber der Abstieg des Landes wurde noch lange, besonders unter Philipp IV., von einer kulturellen Blüte begleitet, die vom prachtvollen, die Kultur fördernden Königshof ausstrahlte. Der letzte Teil des Goldenen Zeitalters Spaniens (Siglo de Oro) war angebrochen. Das Siglo de Oro umfasste auch die überseeischen Gebiete, das Vizekönigreich Neuspanien (Mexiko und Mittelamerika) und das Vizekönigreich Peru (große Teile Südamerikas). Dort bildeten sich Malerschulen und ganze Malerdynastien (die Ibarra, Echave oder die Juárez) heraus. Im Vordergrund bei ihren Arbeiten standen religiöse Themen und die Porträtmalerei. Ab 1810 erklärten sich die Staaten für unabhängig.

In Spanien selbst hatten sich neben Madrid noch andere wichtige kulturelle Zentren etabliert, etwa Sevilla, die Hauptstadt Andalusiens. Mehrere Orden besaßen dort ihre Stützpunkte. Maler wie der am längsten am Caravaggismus festhaltende Francisco de Zurbarán mit seinen unkonventionellen Heiligenbildern und Bartolomé Esteban Murillo, der neben sakralen Bildern auch heitere Genreszene malte, gehörten zur Sevillaner Schule. In Sevilla geboren wurde auch Diego Rodriguez de Silva y Velázquez, der bedeutendste Barockmaler Spaniens. Nach den Anfängen in seiner Geburtsstadt unter dem Einfluss von Caravaggio wurde er auf Empfehlung des Duque de Olivares 1623 Hofmaler Philipps IV. 1629 (ein weiteres Mal 1649) ging er – vermutlich auf Drängen von Rubens, der ihn auf einer diplomatischen Mission in Madrid kennen und schätzen gelernt hatte – nach Italien. Es waren diese Reisen, die ihn zu einem gesamteuropäischen Maler reifen ließen. Juan Bautista Maíno aus dem kastilischen Pastrana, ebenfalls aus dem Umfeld des Hofes, gilt als Wegbereiter des Klassizismus (nach dem Vorbild der Carracci) in Madrid und zugleich als Anhänger des Naturalismus Caravaggios. Aber der Glanz täuschte. Das Land war dermaßen ausgeblutet, dass vielerorts wieder der Tauschhandel Einzug hielt. Missernten und Pestepidemien verschärften die triste Situation noch weiter. Die Hauptstadt Madrid verlor die Anziehungskraft auf Künstler, zumal sie keinen vergleichbaren sozialen Status hatten wie in Italien oder in den Niederlanden. Künstler galten nach wie vor als Handwerker. Mag sein, dass der in Spanien immer noch herrschende mittelalterliche Geist, gepaart mit tiefer Religiosität, dafür verantwortlich war. Während, wie berichtet, in Italien die Signaturen auf den Bildern im 16. und 17. Jh. zurückgingen, wurde in Spanien ebenso wie in den Niederlanden noch eifrig signiert. Karin Hellwig sieht den Grund dafür genau im immer noch bestehenden Handwerkerstatus der Künstler. Velázquez, der Maler von europäischem Rang, war dabei eine Ausnahme. Von seinen rund 120 Gemälden sind nur 10 signiert, darunter die berühmte lange Signatur im Porträt Innozenz’ X. von 1650.

Velázquez


467 Velázquez, Las Meninas, Ausschnitt; MP

Hellwig 2012

Die Kirche war in Spanien nach wie vor die größte Auftraggeberin der Künstler. Immer noch wurden neue Klöster gegründet und reich ausgestattet. Aus diesem Grund gehören die Klosterzyklen des 17. Jh.s in Spanien noch zur europäischen Renaissancemalerei, ja sogar zu deren größten Leistungen. Es wurde bereits auf die Eigenheit spanischer Sakralarchitektur hingewiesen, auf die, teilweise gewaltige Ausmaße erreichenden, Aufbewahrungsbauwerke des Allerheiligsten (Sagrario) oder einer Reliquie (Camarín), die geradezu zu dem sie bergenden Bau in Konkurrenz treten und unnachahmlich den »Körper« der Kirche simulieren.

1.3.

In den riesigen Übersee-Besitzungen Spaniens, von den Philippinen mit ihren Sakral- und Festungsbauten bis zum spanischen Südamerika mit wichtigen Meisterwerken, gibt es zahllose Beispiele einer regen Kunsttätigkeit. In weiten Teilen regten die Jesuiten die Bauwerke an und holten die Baumeister aus Spanien und Zentraleuropa. Gleichzeitig fanden viele Architekturtraktate, darunter Übersetzungen der Klassiker, den Weg über den Atlantik.

Nach dem Tod Karls II. endete die Herrschaft der spanischen Habsburger und das Land versank im blutigen Bemühen europäischer Herrscherhäuser, sich ein möglichst großes Stück davon anzueignen. Der Spanische Erbfolgekrieg (1701–1714) und der Nordische Krieg (1700–1721) führten zu einer größeren Neuordnung Europas. Im Frieden von Rastatt und Baden 1714 gingen die Bourbonen mit den meisten Vorteilen aus dem Ringen um das spanische Erbe hervor. Während es im Krieg um Spanien keine großen Sieger und keine wirklichen Verlierer gab, endete der Nordische Krieg um die Vorherrschaft im Nordosten Europas mit einer klaren Niederlage Schwedens und einem Sieg Russlands, das neben Preußen als neuer Machtfaktor in die europäische Geschichte eintrat. Es ging hier nicht um konfessionelle Interessen, sondern um solche von Herrscherhäusern. Die Kluft zwischen den konservativen geistlichen und den auf Machtgewinnung ausgerichteten weltlichen Ständen vergrößerte sich, was den Zusammenhalt des Heiligen Römischen Reiches untergrub und den Souveränitätsanspruch der einzelnen Dynastien steigerte. Selbst die Habsburger betrieben ihre Hausmachtpolitik auf Kosten des Reichs. Das Ringen um nationale Machtansprüche trieb die Nationalstaatswerdung voran.

Portugal wusste seine hervorragende strategische Lage für die neue Zeit zu nutzen. Es besaß überseeische Gebiete im fernen Orient, in Brasilien und im Inneren Lateinamerikas. Geprägt wurde der portugiesische Stil, der sich in den abgelegensten Gebieten des Globus findet, von den katholischen Orden der Benediktiner und Jesuiten und lange Zeit von Spanien, unter dessen Königsherrschaft sich Portugal im 16. Jh. stellte. Nach mühsamem Ringen gewann Portugal seine Unabhängigkeit im 17. Jh. zurück. Wie auch in Spanien ist eines der Charakteristiken eine üppige Ornamentierung, die manchmal auf islamische Einflüsse in der Vergangenheit zurückgeführt wird.

Portugal

Lissabon erlitt im 18. Jh. einen besonders intensiv kommentierten Schicksalsschlag. Am Allerheiligentag des Jahres 1755 zerstörten ein Erdbeben, die nachfolgenden Feuer und der vom Erdbeben ausgelöste Tsunami die glänzende Hauptstadt des Weltreichs innerhalb von Minuten vollständig. Diese Katastrophe, die 100.000 Menschen das Leben kostete, wurde von Intellektuellen und Philosophen zum Gegenstand von Reflexionen. Voltaire verspottete die optimistische Rede von der besten aller Welten des Philosophen Leibniz und die Religion. Städtebaulich stand Lissabon nach dieser Katastrophe vor einem Neustart. Es wurde als Rasterstadt mit großen Straßenachsen und Plätzen neu konzipiert und unter Berücksichtigung von Hygiene, Brandschutz, Wasserversorgung und Einheitlichkeit der Architektur erstaunlich schnell wiederaufgebaut. Diese logistische Meisterleistung war vor allem ein Verdienst des zuständigen Ministers José de Carvalho e Melo, des späteren Marquis de Pombal. Zum raschen Wiederaufbau wurden Bauelemente in Serie produziert und in modularer Bauweise ökonomisch verbaut. Die ungewohnte Herausforderung veränderte das Selbstverständnis der Architekten. Die Orientierung an den Vorgaben der Klassiker wich einem neuen Pragmatismus. »Nicht mehr der ›geniale‹, die Wünsche des Fürsten erahnende Künstler wurde gesucht, sondern der Pragmatiker, der Ingenieur, der für die rationale Konzeption, für die professionelle Umsetzung und schließlich für die ›serielle Produktion‹ einer in hohem Grade zweckmäßigen Architektur verantwortlich zeichnete.« Dieses neue Profil deckte sich mit dem Stellenwert, den die Aufklärung in Lissabon einnahm. Die Stadt wurde zu einem Zentrum der Ästhetik der Aufklärung.

7.0.

Borngässer Barbara in Toman 2009, 140

Kunstphilosophie und Ästhetik

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