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VII Von der Neuzeit bis zur Französischen Revolution – das 17. und 18. Jahrhundert
Оглавление460 Santa Maria delle Colonne (Fassade 17./18. Jh.); Syrakus
Ist jede Epochenbegrenzung eine strittige Angelegenheit, so erscheint die Festlegung des Beginns der Neuzeit besonders schwierig. Bereits das 15. Jh. gilt mit den Fortschritten in den Wissenschaften, mit seinem Humanismus und mit der Profilierung des Individuums als Achsenzeit.
Die Renaissance fand in Italien 1527 ein abruptes Ende: Truppen Karls V. meuterten wegen ausstehender Soldzahlungen und plünderten eigenmächtig die Hauptstadt im Sacco di Roma. Kunstschätze in ungeheurem Ausmaß wurden dabei zerstört. 1494 waren in Florenz die Medici gestürzt worden, die der Renaissance solchen Glanz verliehen hatten. 1530 krönte ein letztes Mal – diesmal in Bologna – ein Pontifex Maximus den Imperator Romanorum, nämlich Karl V.
Ende des 16. Jh.s wurde die europäische Peripherie attraktiv. Sevilla, Amsterdam und Antwerpen waren angesagter als Rom, Florenz und Venedig. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – steigerte sich die Magie Roms, was in der Neuzeit in eine geradezu nostalgisch-mythische Verehrung umschlug.
Die prägnanten Daten in der Geschichtsschreibung für den Beginn der Neuzeit – ebenso willkürlich wie symbolträchtig – reichen von 1492, der Entdeckung Amerikas, über den Thesenanschlag Luthers 1517 bis zu dem sehr späten Datum 1789, dem Jahr der Französischen Revolution. Geistes- und ideengeschichtlich könnte man, zumal wenn man die Renaissance bis 1600 reichen lässt, den Philosophiehistorikern folgen. Sie versammeln sich einhellig um René Descartes und sein um 1637 im Discours de la Methode formuliertes Motto der Selbstvergewisserung des vernünftigen Subjekts: cogito, ergo sum. Philosophisch liegt dieser programmatischen Losung ein harter Bruch zwischen Natur (res extensa/ausgedehntes Ding) und Verstand (res cogitans/denkendes Ding) zugrunde, den es gewissermaßen hinterher durch eine metaphysische Systemerzählung zu reparieren galt. Descartes war ein Vertreter des Rationalismus, neben dem Empirismus die zweite große philosophische Schule der Neuzeit, jene tendenziell etwas früher als diese anzusetzen. Beide Schulen formulierten den für die europäische Kultur so prägenden und wichtigen Gedanken der Aufklärung.
Philosophiegeschichtlich lässt sich die hier betrachtete Periode ohne größere Brüche zusammenfassen, kunsthistorisch umfasst sie so widersprüchliche Stiloptionen wie den Barock und den Klassizismus. Heinrich Wölfflin sah ab 1520 in Rom kein »reines Werk« der Renaissance mehr und ab 1580 könne man mit Fug und Recht vom neuen Stil (des Barock) sprechen. Der Barock hatte eine Lebensdauer von etwa 200 Jahren, verlief sich im Rokoko oder wurde vom Klassizismus abgelöst, der sich freilich längst parallel entwickelt hatte. Verschiedentlich weist man auf eine mit dem Tod Giovanni Lorenzo Berninis im November 1680 verbundene Zäsur hin, die sich nahezu mit der Jahrhundertwende deckt. Es trat eine neue Künstlergeneration an, diesseitsorientierter, aufgeklärter, einerseits von kühler Effizienz, andererseits auch genussorientiert.
Heinrich Wölfflin ortete um 1630 einen Mentalitätswandel im Barock selbst. War dieser am Anfang massig und schwer, »hebt sich der Druck allmählich, der Stil wird leichter, fröhlicher und der Schluss ist die spielende Auflösung aller tectonischen Formen, die wir als Rococo bezeichnen.« Aber auch da ist vieles regional unterschiedlich und für jede Behauptung lassen sich Gegenbeispiele finden.
Wölfflin 1888, 13
Wollte man spezifische Charakterisierungen für die Jahrhunderte benennen, könnte man das 17. Jh. als eines des emotionalen Barock und das 18. Jh. als eines der Aufklärung und des anhebenden Klassizismus bezeichnen. Beide Bewegungen waren zudem in eigenartiger Weise verbunden mit der Metaerzählung des Rationalismus der frühen Neuzeit.