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Das Mädchen am Sandhaufen
ОглавлениеMein Name ist Alexander Braun, für Freunde und Bekannte auch Alex. Aufgewachsen bin ich auf dem Land, irgendwo in Süddeutschland. Ich bin jetzt einundfünfzig. Viele der Erfahrungen, die ich in meinem bisherigen Leben gesammelt habe, konnte ich in den letzten Monaten auswerten und dabei hat sich eine Erkenntnis herauskristallisiert, von der ich bislang weder von der Kirche noch von Wissenschaftlern oder sonstigen Schriftgelehrten je gehört habe. Ich bin auf einen unglaublichen Zusammenhang zwischen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft, zwischen Leben und Tod, zwischen Körper und Geist und zwischen Gott und der Welt gestoßen. Und davon möchte ich …, nein, ich muss Ihnen jetzt davon berichten! Zunächst aber von ganz vorne:
In meinen Gedanken existieren Bilder, in denen ich als Kind mit einem etwa gleichalten Mädchen zusammen bin und an einem Sandhaufen spiele. In dieser Erinnerung blickt sie mich an, wie ich das so seither nicht mehr erlebt habe, außer bei meiner Frau. Ihr Blick war lieb, durchdringend und hypnotisierend gleichzeitig, voller Freude und Erwartung und noch viel, viel mehr, was sich nicht oder nur sehr schwer beschreiben lässt. Wer dieses Mädchen war und wann und wo diese Bilder entstanden sind, das kann ich nicht sagen, genauso wenig, wie oft und wie lange wir uns überhaupt gesehen haben, oder ob wir uns gegebenenfalls auch zu anderen Gelegenheiten getroffen haben als nur zum Spielen am Sandhaufen. Ich kann mich nur noch an dieses eine Bild erinnern und natürlich an den Blick dieses Mädchens.
Ich frage mich nun, wer war sie? Möglicherweise bin ich ihr sogar in meinem späteren Leben wieder begegnet, vielleicht unbewusst, das jedenfalls entzieht sich meiner Kenntnis. Vielleicht trägt sie sogar in gleicher Weise Bilder in sich, die sie auch an mich erinnern. Sie trug übrigens ein dunkelrotes Kleidchen, das mit bunten Blümchen geschmückt war. Und sie stand einfach nur da, auf dem Sandhaufen, und hat mich angesehen. Dieses Bild existiert einfach, klar und deutlich, in meiner Erinnerung – und das schon seit einer Ewigkeit.
Ob ich sie geküsst habe? Vermutlich war ich im Spielkind-Alter; und als ein im Sand spielendes Kind habe ich wohl eher auf andere Dinge Wert gelegt. Aber, vielleicht habe ich dieses Mädchen ja gemocht, und vielleicht bestand diese Zuneigung sogar gegenseitig. Mit Sicherheit aber gingen keine tieferen Sehnsüchte, Gedanken und Gefühle einher, wenn es tatsächlich eine Zuneigung gegeben haben sollte. Vielleicht entwickelte sich ja später eine intensivere Verbindung, bei der wir uns vielleicht auch geküsst haben. Hierzu fehlt mir aber jegliche Erinnerung und Kenntnis zu möglichen Zusammenhängen.
Übrigens: Wer küsst zeigt dem Anderen seine Zuneigung. Das bekommt man auch in jungen Jahren schon mit. Und wenn man sehr viel Zuneigung zeigt, kann Liebe dahinter stecken. Und Liebe ist etwas Schönes. Das kapieren auch Kinder. Wer liebt, lebt gesünder, ist zufriedener und vielleicht sogar erfolgreicher, also insgesamt besser. Liebe ist also erstrebenswert. Wer küsst, ist demzufolge auf dem richtigen Weg.
Heute – möchte ich behaupten – küsse ich viel bewusster als noch vor einigen Monaten, bevor ich mit dem Schreiben meines Buchs begann. Und wie sieht das bei Ihnen aus, heute? Wie küssen Sie Ihren Partner? Wann und wie oft? Was steckt gegebenenfalls hinter dem Kuss, den Sie mit Ihrem Partner tauschen? Haben Sie darüber schon mal nachgedacht? Ist es Leidenschaft, Gewohnheit, Freundschaft, Liebe, ein Friedenszeichen, Freude oder gar Verrat? Überlegen Sie sich die Art des Kusses, bevor Sie küssen? Wahrscheinlich überlegen Sie nicht, das geht nämlich von alleine und ist immer schön, hoffentlich!
Ich kann mich nicht daran erinnern, dieses vorhin beschriebene Mädchen in den ganzen Jahren noch einmal wiedergesehen zu haben. Vielleicht bin ich ihr inzwischen im erwachsenen Alter ja wieder begegnet, ohne es zu bemerken. Dies entzieht sich jedenfalls gänzlich meiner Erkenntnis! Nur die Bilder von damals sind noch in meinem Gedächtnis vorhanden: Das Mädchen mit diesem unbeschreiblichen Blick im dunkelroten Kleidchen auf dem Sandhaufen.
Ich frage mich nur: Wo war das, wann war das, wer war sie damals, lebt sie noch und falls ja, wer ist sie heute und kenne ich sie sogar?