Читать книгу Hermeneutische Ethik - Bernhard Irrgang - Страница 11
Оглавление[Menü]
1.
Hermeneutik des Sittlichen als Interpretationskunst im Horizont des pragmatischen „Sowohl – als auch“
Interpretationskunst im Sinne eines Kunstkonzeptes ist zwischen einem Alltagsverständnis von Sittlichkeit und einem Wissenschaftsverständis von Ethik, wie es der Utilitarismus oder Kants Metaethik anbieten, angesiedelt. Das eine Wissenschaftskonzept reduziert Ethik auf Ökonomie (Kosten-Nutzen-Kalkulationen, Entscheidungstheorie oder Spieltheorie), das andere auf Transzendentalphilosophie und Metaethik (Selbstbegründung von Ethik). Wissenschaftliche Ethik glaubt, weitgehend ohne die Alltagserfahrungen sittlicher Verpflichtung auskommen zu können, Common Sense – Moral hält wissenschaftliche Ethik für unmöglich oder zumindest für unnötig. Hermeneutische Ethik glaubt auf der Basis einer selbstkritischen Common-Sense Position und einer Wissenschaftskonzeption ohne Letztbegründungsanspruch (aber auf der Basis der Lebensweltproblematik) und einer darauf aufbauenden Konzeption einer hermeneutischen Interpretationskunstlehre daran, im pragmatistischen Sinne nicht ein „Entweder-oder“, sondern ein „Sowohl-als auch“ stark machen zu müssen. Auch wenn Hermeneutische Ethik manchmal eher noch wie Arbeit, Handwerk und Maloche aussieht, ihr Ziel ist Interpretations-Kunst unter Einbezug wissenschaftlicher Argumentation. Zu einer Kunst gehören Regeln genauso wie die Freiheit des Probierens und von Gedankenexperimenten. Hermeneutische Ethik ist daher eher Forschung als kodifizierte Wissenschaft oder Katechismus, hat schon von daher eine gewisse Ähnlichkeit zum Pragmatismus, versteht sich manchmal als Kritik an Alltagsmoral oder moralischen Vorurteilen, aber auch an wissenschaftlichen und ethischen Irrtümern, indem sie insbesondere die Genese von Problemen erforscht und rekonstruiert. Ganz zentral dafür ist eine Erweiterung der Hermeneutik, „Expanding Hermeneutics“ (Ihde 1998), eine „phänomenologische Wende“ im Sinne der Postphänomenologie (Ihde 1993) in der Interpretationskunst (Irrgang 2001a; Irrgang 2005b), welche die naturwissenschaftliche, technologische, kulturwissenschaftliche, humanwissenschaftliche, ökonomische, gesellschaftswissenschaftliche usw. Theoriebildung miteinbezieht.