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1. Bedeutung
ОглавлениеDie Tatsache, dass die Menschenrechtsbestimmungen der Charta der Vereinten Nationen wirkungslos blieben, solange die Menschenrechte inhaltlich nicht umrissen sind, bewog die UNO frühzeitig, einen Menschenrechtskatalog auszuarbeiten. Bereits am 10.12.1948 wurde daher die AEMR (Sart. II, Nr. 15) von der → Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündet. Sie besitzt keine rechtliche Bindungswirkung, sondern ist wie alle Resolutionen der Generalversammlung nur eine Empfehlung. Trotzdem kann argumentiert werden, dass die AEMR ein Indiz für die Rechtsüberzeugungen der → Staaten ist, die in Bezug auf die Menschenrechte in allen Teilen der Welt vertreten werden. Die politisch-moralische Wirkung dieser allgemeinen Erklärung kann auch nicht bestritten werden. Trotz fehlender juristischer Bindungswirkung bedeutet sie einen großen Schritt in der Entwicklung der Menschenrechtsidee.
Manche Autoren neigen dazu, Resolutionen der Generalversammlung von der moralischen und politischen Wirkung zur rechtlichen aufzuwerten. Es wird die Auffassung vertreten, Resolutionen der Generalversammlung seien dann verbindlich, wenn es sich um einstimmige oder beinahe einstimmige normative Entschließungen von besonderer Tragweite in besonders feierlicher Form handele, wie es etwa bei der AEMR der Fall sei. Ein Staat würde treuwidrig handeln, wenn er sich entgegen einer von der Generalversammlung einmütig vertretenen Ansicht verhielte. Weiter wird zur Begründung der rechtlichen Verbindlichkeit von Resolutionen vorgetragen, dass sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen aus Regierungsvertretern zusammensetze, so dass ihre Beschlüsse als Bestandteile des Entstehungsprozesses von Gewohnheitsrecht verstanden werden könnten, das einer Staatenpraxis und einer dazutretenden Rechtsüberzeugung bedarf. Schließlich wird darauf hingewiesen, dass es sich bei gewissen Entschließungen der Generalversammlung um authentische Auslegungen der Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen handele, die mit der Charta gleichermaßen verbindlich seien. Eine bemerkenswerte Theorie ist die Theorie der Rezitation, wonach eine Resolution grundsätzlich zwar unverbindlich sei, aber durch ständig wiederholte Zitierung in den Präambeln späterer Resolutionen zur Rechtsquelle werde. So sei die ursprünglich nicht rechtsverbindliche AEMR durch spätere zustimmende Erklärungen der Staaten völkerrechtlich verbindlich geworden und dies umso mehr, als der → IGH in seinem Gutachten vom 21.6.1971 über die „Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970)“ alle Diskriminierungen von Rasse, Farbe und Abstammung als „flagrant violation of the purposes and principles of the Charter“ erklärt und damit implizit deren Ziele und Grundsätze als rechtsverbindlich anerkannt habe.
Die Charta der Vereinten Nationen unterscheidet jedoch zwischen verbindlichen Entscheidungen und Beschlüssen einerseits und unverbindlichen Empfehlungen andererseits. Die Resolutionen der Generalversammlung gehören zu den unverbindlichen Empfehlungen, und überhaupt gibt die Charta der Vereinten Nationen der Generalversammlung keine Befugnis, über Fragen des internen Organisationsrechts hinaus allgemein verbindliche Völkerrechtsnormen zu setzen. Schon wegen dieser eindeutigen Regelungen der Charta wird man der herrschenden Meinung auch den Vorzug geben müssen und Resolutionen als unverbindlich bewerten. Diese Auffassung wird auch durch die Praxis der Vereinten Nationen bestätigt, die nach Verkündung feierlicher Resolutionen auf den Abschluss entsprechender Konventionen drängt. Die Resolutionen der Generalversammlung sind auch keine → Rechtsquellen des Völkerrechts, da sie in Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut, der die Rechtsquellen abschließend aufführt, nicht erwähnt sind. Drückt die Resolution jedoch bereits bestehendes → Völkergewohnheitsrecht oder → allgemeine Rechtsgrundsätze aus, so ist sie rein deklaratorisch. Als ein Anzeichen für eine opinio iuris kann sie allenfalls zur Bildung von Völkergewohnheitsrecht beitragen. Schließlich ist die Generalversammlung bei ihrer gegenwärtigen Struktur ungeeignet, als Weltgesetzgeber zu fungieren, da in ihr lediglich politische Auffassungen ausgetauscht und taktische Positionen bezogen werden, nicht aber Recht gesetzt werden soll.