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4. Wut

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Die Wut in mir nahm überhand. Das war eindeutig zu viel! Ich spürte ein schmerzhaftes Brennen auf meinem Brustbein und blickte gehetzt nach unten zwischen meine Brüste: Dort, wo mich der Stern aus Smaragd von Parim verbrannt hatte und noch eine blasse Narbe zu sehen war, schimmerte ein grüner, leuchtender Stern, in dessen Mitte ein dunkler, fast schwarzer Schatten tanzte. Ich erinnerte mich an meinen Drachen, dessen Tattoo zwischen meinen Brüsten leuchtete. Nach meiner Ankunft auf Soma war dieses auf unerklärliche Weise verschwunden. Mit meiner Wut verstärkte sich das grüne Leuchten und der Drache darin nahm deutliche Konturen an.

Entsetzensschreie wurden in dem Saal laut, in dem zuvor gefeiert wurde. Es wurde laut und lauter, bis das Leuchten auf meinem Brustbein Ausmaße annahm, die meine Augen blendeten und tränen ließen.

Der vollständige Drachen in dem grünen Leuchten flatterte wütend mit den Flügeln und ich schrie meine Wut zu den ängstlichen Somanern hinaus: "Ihr undankbaren Somaner! Ich bin nicht euer Eigentum, als das ihr mich gern betrachtet! Wieso seht ihr mich als ein solches an, obwohl ich euresgleichen bin und bis zu meinem Lebensende gerne gewesen wäre! Ihr denkt nur an euer Wohlbefinden, aber nicht daran, dass ich bei euch geblieben bin, um hier in Frieden alt zu werden! Jetzt weiß ich, warum Somaner wie Parim und Ro'il'tara so werden konnten, wie sie waren, als ich sie in eurem Interesse töten musste! Mir bereitet es jeden Tag, jede Nacht Schmerzen, dass ich ihnen das Leben nehmen musste, die wegen solcher Somaner, wie ihr es seid, so geworden sind! Ihr seid an eurem Schicksal Schuld und ich bereue es zutiefst, dass ich mich in euer Leben eingemischt und euch geholfen habe! Der Preis war mein Seelenheil! Ich sehe jede Nacht den Tod in den Augen eurer Feinde und zerbreche daran! Und ihr ärgert euch, weil ich euch keine Sonne oder Regen zaubere! Vor vielen Jahrhunderten standen die beiden, die ICH auf dem Gewissen habe, in der gleichen Situation. Ich habe Angst, dass ich genauso werde und Jahrhunderte später vielleicht von einem Somaner, der gut ist und den ich in die gleiche Situation bringe wie ihr mich, umgebracht werde! Ich habe wegen euch mein altes Leben aufgegeben und kann meine Welt, die Erde, nicht mehr erreichen! Mir ist der Weg versperrt, weil ich euch rettete! Und wie dankt ihr es mir? GAR NICHT!"

Alle Wut, aller Schmerz, aller Hass, alles Leid, jede noch so kleine, dennoch gescheiterte Hoffnung, entlud sich in dem Brüllen aus meiner Kehle, die keine menschliche mehr war. Ich hieb mit meiner Faust, die sich in eine Klauenhand verwandelt hatte, auf den Tisch, der entzwei brach. Ein Blitz, der aus meinen Fingernägeln schoss, spaltete den Boden darunter der Länge nach. Zwei Somaner konnten sich mit einem Hechtsprung gerade noch in Sicherheit bringen, sie machten einen Satz über den größer werdenden Graben und ein Stuhl kippte in die Spalte, die in diesem Moment schon über einen Meter maß. Ich setzte einen grünen Klauenfuß meines Hinterbeines über den Spalt und verhinderte, dass er noch weiter auseinander klaffte.

Überall stieben die Somaner auseinander, liefen schreiend hin und her, suchten Sicherheit. Der Raum wurde zu klein für meinen Körper, doch bevor ich mit dem Rücken gegen die Wand stieß, zerteilte ein schwarzer Klauenfuß die Decke und hysterisch kreischende Somaner retteten sich gerade noch vor den herunterfallenden Gesteins- und Erdbrocken.

Dran'gorrs Schnauze liebkoste meinen Kopf.

Er sprach drei Worte - sanft und ruhig: „Komm mit mir."

Ich stieß mich kraftvoll mit einem gewaltigen Satz meiner geschuppten Hinterbeine durch den Rest der Decke, atmete frische, kühle Nachtluft, breitete meine Schwingen aus und folgte dem schwarzen Drachen.

In meinen Ohren klang noch der verzweifelte Ausruf von Dar'sal nach: "Alena, verlass mich nicht! Ich liebe dich!"

Doch da spürte ich nur noch das Rauschen meines heißen Blutes in meinem Drachenkörper und vernahm den Gesang der Sterne...

Endlich wieder vereint! Hatte ich mich ständig belogen? Hatte ich mir immerdar vorgetäuscht, dass ich das Menschsein vorzog? Nein, ich durfte nicht mehr denken. Nur noch fühlen, fühlen...

'Xyma'la, es wird Zeit, dass du heimkehrst.'

'Nein, nein! Schick mich nicht weg!'

Ich öffnete meine Augen und blickte in Dran'gorrs goldene Augen.

'Du musst gehen!'

'Nein, schick du mich nicht auch noch weg!'

'Niemand hat dich weggeschickt. Du bist selbst gegangen.'

Dran'gorrs ruhige Stimme machte mich wütend. Verstand er mich nicht?

'Du hast gut reden, du hattest deinen 'Winterschlaf' gehalten!', warf ich dem Drachen vor.

Dran'gorrs Augen blitzten auf: 'Bist du der Meinung, dass diese vergleichbar kurze Zeit reicht, um ein blutendes, gebrochenes Herz zu heilen?'

Ich senkte den Kopf: 'Nein. Verzeihung. Lass mich bei dir bleiben.'

'Ich kann nicht. Wenn deine Wut verflogen ist, wirst du dich nach Hause sehnen.'

'Nein!'

'Nach Dar'sal, nach Xera...'

'Schon gut. Hör bitte auf. Ich weiß, worauf du hinaus willst. Du bist für mich nicht der Ersatz für Dar'sal und das weißt du genau.'

'Ja, das weiß ich', bestätigte mir der Drache sanft.

Ich legte meinen Kopf auf den kalten Stein und lamentierte: 'Ich will nicht mehr zurück. Die Wut in mir würde wiederkommen und die Somaner hassen mich. Ich möchte nicht wie Parim und Ro'il'tara enden!'

'Wenn du so denkst, dann wird das nie der Fall sein, egal, wo und unter welchen Wesen du dich befindest.'

Ich richtete mich auf, stützte mich auf meinen Vorderpranken ab, reckte meinen langen Hals in den Himmel und starrte den Mond an: 'Ich hatte mich vor Wut vergessen! Ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle. Vielleicht hätte ich noch mehr zerstört, vielleicht sogar einen Somaner getötet...‘

'Nein, das hättest du nicht', widersprach mir Dran'gorr.

Ich fixierte ihn zweifelnd.

'Das hättest du nicht! Aber man kann von keinem Lebewesen verlangen, dass es alles hinnimmt, wie es gerade ist. Du hattest das Recht, die Kontrolle zu verlieren!'

Ich seufzte: 'Wieso bist du gekommen und hast mich geholt, wenn du mich jetzt wieder wegschickst?'

'Ich wollte dir helfen. Damals, als du mich verlassen hattest, war ich wütend und traurig, sodass ich mich kaum mehr unter Kontrolle halten konnte. Daher wusste ich, wie du dich fühlst und wie sehr es dich schmerzt. Ich musste dir beistehen.'

'Bist du meinetwegen in die Eishöhlen gegangen?'

'Um meine Kontrolle wieder zu erlangen? Ja, und um vor meiner Trauer zu fliehen. Genau wie du hatte ich Angst, sinnlose Zerstörung anzurichten. Ich wusste nicht, ob meine Jungen oder die anderen mich davon hätten abhalten können.'

Dran'gorr blickte nachdenklich in den Mond und seine Augen leuchteten durch das Licht silbern.

Ich lächelte: 'Ich denke nicht, dass sie dich hätten abhalten können, du bist ein schwarzer Drache. Äh, Moment - es gibt noch weitere Drachen? Ich dachte du bist der einzige?'

Jetzt lächelte Dran'gorr: 'Ja, das dachte ich auch. Sie schliefen im Eismeer viele Jahrhunderte und hatten sich ausgezeichnet geschützt, sodass selbst ich sie nicht wahrnehmen konnte. Jetzt wachen sie auf. Es wird noch einige Zeit dauern, bis sie bei Bewusstsein sind, doch ich konnte schon mit ihren Seelen Kontakt aufnehmen. Sie erfuhren von mir, dass die Gefahr, die von Parim und Ro'il'tara ausging, vorbei ist. Bald wird der Himmel wieder voll von uns Drachen sein.'

In diesem Moment wurde mir klar, warum er mich leichtfertig davon schickte. Damals war ich seine einzige Hoffnung. War als letzter Drache mit ihm zusammen und damit die einzige Lösung gewesen, dass die Drachen nicht aussterben. Jetzt hatte er erfahren, dass seine Artgenossen noch existierten. Er brauchte meinen Drachenkörper nicht mehr. Die Drachen würden erwachen und sich vermehren, bis sie so zahlreich wie vor Parims Herrschaft waren.

'Ich dachte, du freust dich darüber', meinte Dran'gorr, der meine Gedanken nicht hatte lesen können, weil ich sie vor ihm verschlossen hatte.

'Ich freue mich. Es ist schön, dass du nicht mehr allein sein wirst.'

Dran'gorr lachte fröhlich, so fröhlich, wie ich ihn nie hatte lachen hören – mein Herz zerbrach.

'Xyma'la, ich werde dich nie vergessen. Denke daran, wir Drachen leben sehr lange.'

Ich nickte und schluchzte innerlich. Mir war klar, warum ich nicht bei ihm bleiben konnte. Zu den Somanern konnte ich auch nicht mehr zurück. Es war der Fall eingetreten, vor dem ich die meiste Angst hatte, als ich mich für Soma entschieden hatte: Ich gehörte nirgendwo hin, hatte keinen Platz, der mir Heimat und Geborgenheit bot. Ich vermied es, Dran'gorr in die Augen zu blicken - ich wusste tief in meinem Inneren, dass ich eine Entscheidung zu treffen hatte.

Meine Verwandlung in einen Menschen war konsequent. Mit gesenktem Kopf ging ich einen schmalen Pfad in die Ebene unter dem Drachenhorst, wo ich mich mit Dran’gorr zuletzt aufgehalten hatte. Ich blickte nicht mehr zurück und verabschiedete mich auch nicht von dem schwarzen Drachen. Meine Seele, meinen Geist verschloss ich vor allen Lebewesen, um mit meinem Schmerz allein zu sein.

Der Mond funkelte hell, sodass ich sogar auf den dunklen Wegen schnell voran kam. Die gesamte Natur war wie ein bizarres Gemälde in silbernes Licht getaucht. So schön es auch war, das Rauschen der silbernen Blätter im Wind wahrzunehmen, so herrlich es auch war, barfuß durch das weiche Gras zu laufen – ich hatte keinen Blick für all diese Schönheit. Meine Sicht war nach Innen gerichtet, ich versank in Selbstmitleid. Ich wollte diesen tief sitzenden, brennenden, bohrenden Schmerz durch Tränen lindern, aber meine Qual war so groß, dass ich nicht weinen konnte.

Musste ich mich meinem Schicksal ergeben?

Fluch der Pardonnex - Weltträumerin (II)

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