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7. Prophezeiung

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Am frühen Morgen kam ich langsam zu mir und dachte, dass ich einen wunderbares Erlebnis in der letzten Nacht träumte. Als ich die Augen aufschlug, wurde mir freudig bewusst, dass die Geschehnisse der Nacht zuvor der Wahrheit entsprachen! Freundliche, schwarze Augen blickten mir entgegen und begrüßten mich. Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und Lo'amo hob seinen Kopf.

"Hallo, mein Schöner!", begrüßte ich ihn glücklich.

Er legte den Kopf schief, schüttelte sich und stand auf. Ich hätte schwören können, dass er im Gegensatz zu der vergangenen Nacht doppelt so groß geworden war. Ich sah genauer hin und gestand mir ein, dass genau das der Fall war! Verblüfft wandte ich mich den anderen Einhörnern zu, die zum Teil grasten, sich gegenseitig an der Mähne knabberten oder einfach dastanden und uns beobachteten.

A'quira gesellte sich zu uns: 'In wenigen Tagen wird Lo'amo ausgewachsen sein. Er wird sich äußerlich kaum von uns unterscheiden. Nur sein Horn wird golden bleiben.'

Ich senkte scheu den Kopf und fühlte mich schuldig.

Lo'amo stupste mich sanft mit seiner Schnauze an: 'Sei nicht traurig. Ich mag es und so soll es auch sein. Es ist entschieden.'

Traurig hob ich den Kopf und Tränen kullerten aus meinen Augen: "Wieder eine Prophezeiung?"

Das Schweigen nach meiner laut ausgesprochenen Frage war Antwort genug.

'Nein!', schrie meine Seele auf und schluchzend vergrub ich den Kopf in meinen Händen.

Die Bilder, die ich vergessen geglaubt hatte, stiegen wieder in mir auf - leuchtend rot und schmerzhaft. Mein Magen krampfte sich zusammen, doch A'quiras weiche Stimme ließ mich in meinem Entsetzen aufhorchen: 'Wir Einhörner sterben nie. Manchmal geht eines von uns und wird wiedergeboren. Seit gestern ist Lo'amo die erste Wiedergeburt in hunderten von Jahren. In seiner letzten Existenz war er mein Gefährte.'

Ich war tief betroffen, schwieg aber. Wir verstanden uns ohne Worte.

"Also betrifft diese Prophezeiung nicht nur mich", stellte ich nüchtern fest.

'Das hatte die erste auch nicht, aber du warst der Schlüssel und wirst es wieder sein.'

Ich stand auf: "Wieso wieder ich?"

Lo'amo tänzelte vor mir und blickte zu mir auf: 'Du bist das Gewicht, das die Waagschale aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Du hast der guten Seite zu mehr Gewicht verholfen. Doch das Böse wehrt sich und will der Waagschale zu mehr Gewicht zugunsten der Dunklen Seite verhelfen, so, wie es vor deiner Ankunft war. Die erste Prophezeiung besagte nur, dass du das Gleichgewicht wieder herstellst, aber du warst stärker, als prophezeit wurde. Nun wird sich die nächste erfüllen. Einst wurde die Ankunft mehrerer Fremden aus einer anderen Welt geweissagt. In ferner Zukunft. Doch das Böse entwickelte sich schneller. Die Verbindung nach außen, zu anderen Welten, besteht seit deiner Ankunft nicht mehr. Daher wirst du die nächste Prophezeiung erfüllen müssen. Wenn das Schicksal dich nicht für die Bewältigung dieser Aufgabe ausersehen hat, wird Soma in dieser Form, wie wir sie kennen, nicht mehr existieren.'

Ich sank kraftlos in die Knie, als ob der Fluch der Prophezeiung körperlich auf meinen Schultern lastete: "Bin ich an der erneuten Gefahr schuld?"

A'quira senkte den Kopf, sodass ihr Horn fast meine Stirn berührte: 'Nein. Doch dem Schicksal kann niemand entrinnen. Du musst wieder kämpfen.'

Ich dachte bei mir: 'Wie oft noch?'

Niemand konnte mir die Frage beantworten. Der Wind blies um meinen Kopf, spielte mit meinem Haar. Wie betäubt kniete ich da, bis A'quira mit ihrem Horn meine Stirn berührte. Ein kurzer, warmer Stich schoss durch meinen Kopf und den ganzen Körper. Danach war mir zwar noch bewusst, dass ich eine neue Prophezeiung zu erfüllen hatte, aber es belastete mich nicht mehr, war nur noch ein kleiner, dunkler Fleck in meinem Denken.

'Komm mit uns. Verlass diesen Zauberwald', flüsterte A'quiras Stimme in meinem Kopf.

'Natürlich!'

Das war der Gedanke, der mir schon am Tag zuvor durch den Kopf geschwirrt, aber wieder abhanden gekommen war.

Dies war ein Zauberwald, geschaffen von früheren Magiern, die wie ich die Macht der vierten Stufe erklommen hatten - Jahrtausende zuvor! Er war nie zu sehen, wechselte seinen Standort, wurde nur von Magiern gefunden, die verzweifelt, müde, enttäuscht und verletzt waren. Oder der Zauberwald fand sie. Abgeschnitten von Soma konnten sie meditieren. Keine Gedanken von außerhalb gelangten zu ihnen, keine Tiere, keine Somaner, kein Wetterumschwung, nichts und niemand konnte ihn mehr betreten, wenn ein Magier Zuflucht in ihm gefunden hatte. Nur die Einhörner gelangten in der Mittsommernacht hierher. So, wie die Magier früher, war auch ich von diesem Wald gefunden und unter seine Fittiche genommen worden, um geheilt zu werden. Nun durfte ich ihn verlassen. Ins aktive Leben zurückkehren. Wollte ich es denn? Jetzt schon? Ich musste! Ich musste meine Bestimmung erfüllen. Vielleicht konnte ich wieder hierher zurückkommen, um die Wunden meiner Seele nach dem neuerlichen Kampf zu heilen.

'Ich muss mich dem Unvermeidlichen stellen', schoss es mir durch den Kopf.

'Vergiss für einige Zeit. Noch ist es nicht soweit!', tröstete mich A'quira, doch es war kein wirklicher Trost, weil ich das viele Leid, das mir bevorstand, fürchtete.

Vielleicht würden viele unschuldige Somaner sterben.

"Was besagt die Prophezeiung?", wollte ich wissen.

A'quira schüttelte den Kopf: 'Das wirst du nicht von mir erfahren. Bald wird es dir gesagt werden. Es soll dich weder belasten, noch dein Tun beeinflussen.'

Wie zuvor wusste ich, was es bedeutete. Die Prophezeiung würde lauten, dass der Fremde aus einer anderen Welt einen Freund, der ihm sehr am Herzen lag, verlieren würde. Und wie zuvor war die Antwort auf meine ungestellte Frage ein Schweigen.

"Ja, es ist besser, wenn ihr mir nichts sagt. Es würde mich beeinflussen. Das würde es jeden. Ach, warum liegt Freud und Leid so nahe beisammen?", ließ ich die Worte meiner Seele ins Nirgends entweichen.

Zuerst fand ich diese herrlichen Geschöpfe in meiner Einsamkeit vor, dann überbrachten sie mir diese schlimme Botschaft – gleichzusetzen mit einem Fluch!

Lo'amo rieb seine weiche Schnauze an meiner Wange: 'Sei nicht traurig. Komm mit mir. Ich mag mein neues Horn!'

Ich lächelte ihn an: "Ich mag es auch."

Wie es sich herausstellte, war das Horn zwar golden, aber genauso hart wie die der anderen Einhörner. Genauso unzerstörbar und mächtig. Ich erhob mich und die Einhörner begleiteten mich aus dem Zauberwald heraus.

Sowie wir die letzten Tannen hinter uns gelassen hatten und ich mich umdrehte, war der Wald nicht mehr zu sehen. Ob verschwunden oder unsichtbar, ich vermochte es nicht zu sagen.

Ein unbestimmtes Gefühl, dass ich diesen Zauberwald wiedersehen würde, stimmte mich nachdenklich und sehr, sehr traurig.

Die Welt außerhalb des Waldes war eine grasbewachsene Ebene, am Horizont erstreckten sich Berge, deren Höhe ich in dieser Entfernung nicht einschätzen konnte. Immer wieder säumten Sträucher und kleine Bäche unseren Weg zu den Bergen, die einfach nicht näher kommen wollten. Die Einhörner wurden unruhig. Sie wollten laufen und sich dann trennen, um in ihre angestammte Heimat auf Soma zurückzukehren. Sie kamen jedes Jahr einmal zusammen, von überall her, sogar von jenseits des Ozeans. Wie sie diese natürliche Barriere und Entfernung zurücklegten, blieb ihr Geheimnis.

'Komm mit!', munterte mich Lo'amo auf und begann in einen leichten Galopp zu fallen.

"Ich kann nicht so schnell!", protestierte ich ihm lachend hinterher.

Lo'amo tänzelte zu mir zurück und blickte mir tief in die Augen: 'Doch, du kannst - wenn du willst.'

Als ich in seine tiefen, uralten Augen blickte, entdeckte ich darin ein Bild, das mir Tränen der Rührung in die Augen trieb: Ich erkannte mich als junges, wunderschönes Einhorn mit einer langen Mähne, die mir fast bis zu den Knien reichte, mit einem Horn, das silbern glänzte, sodass es beinahe in den Augen schmerzte, und das sich anmutig und schnell bewegen konnte, wie ich es mir in meinen fantasiereichsten Träumen nie hätte vorstellen können. Aber ich verstand und unbewusst hatte ich diese herrliche Gestalt schon dank meiner magischen Kräfte angenommen.

Ich hob erstaunt einen Huf und betrachtete ihn. Dann schüttelte ich den Kopf, sodass meine Mähne im Wind hin- und hergeworfen wurde, stieß ein lautes, melodisches Wiehern aus und begann, meinen zarten, aber kraftvollen Körper in Bewegung zu setzen.

Der Boden unter mir verschwamm zu einer einzig grünen Fläche. Der Wind strich mir um die weit geblähten Nüstern, entlang meiner bebenden Flanken, verfing sich in meiner Mähne, spielte mit ihr und ließ sie wie ein Banner flattern. Ich spürte mein kräftiges Herz schlagen, hörte das Blut in meinen Ohren rauschen. Plötzlich rannte ich nicht mehr allein, rechts und links von mir wogten die Einhörner, erzeugten mit mir den herrlichen Klang der Bewegung und ein Bild tauchte vor meinem inneren Auge auf: Gemeinsamkeit, Zärtlichkeit, Begeisterung, Übermut und Liebe - das war es, was die Einhörner ausdrückten. Ihr inneres Wesen. Ihre Einzigartigkeit. Ihre Vollkommenheit.

In der gewaltigen Herde galoppierte ich manchmal direkt vorne, manchmal in der Mitte, manchmal am Ende und doch liefen wir wie Eins, es gab nur uns - die Herde der Einhörner. Ich gehörte kurze Zeit dazu, war ein Teil davon, hörte die Musik, die Klänge. Ich spürte die Erde nicht mehr unter mir, ich schien zu fliegen und wollte nicht, dass es aufhörte, doch schon viel zu bald begann der Abschied.

Grüße wurden in Bildern mitten in das Bewusstsein vermittelt, die Herde teilte sich in alle Richtungen auf. Ich versuchte, ihnen nachzublicken, doch schon bald waren sie verschwunden und ich blieb allein zurück auf der weiten, unendlichen Ebene.

Ruhig und still stehend hörte ich in Gedanken den leisen Ruf von Lo’amo: ‚Ich werde zurückkommen. Vergiss mich nicht!‘

Wie sollte ich je ein einzelnes von diesen herrlichen Geschöpfen vergessen? Wie sollte ich das unglaubliche Geschehen und Erleben vergessen? Wie sollte ich Lo'amo vergessen?

Ich senkte traurig den Kopf, verwandelte mich in die menschliche Alena zurück, ließ mich ins Gras fallen, legte mich auf den Rücken, verschränkte die Arme hinter meinem Kopf und starrte in den blauen Himmel. Ich fühlte eine unbeschreibliche Leere in mir, die ich nicht zu füllen vermochte. Nun war zu meinem Drachenherzen noch das eines Einhorns hinzugekommen. Zu der Drachenseele die Seele eines Einhorns. Doch hier lag ich als Mensch.

Wer war ich wirklich? Mensch, Drache, Einhorn? War ich alles drei oder keines davon? Warum hinterließen diese mystischen Wesen so viel bei mir? Warum trug ich kein Wolfsherz in mir? Warum beeinflusste der Wolfskörper mich nicht? Warum nicht die Form eines Falken, Hasen, Gams - alles Formen, die ich schon angenommen hatte, seit ich auf Soma lebte? Die Antwort war einfacher, als ich mir vorstellen konnte. Es waren keine Wesen mit Magie. Jede Magie veränderte mich, hinterließ einen Teil in mir, nahm mich für sich ein und ich konnte mich nicht dagegen wehren. Wollte ich es denn? Das schien der Preis zu sein, den ich zu zahlen hatte.

Und doch - selbst wenn ich gewusst hätte, in was für eine Identitätskrise mich meine Magie stürzen würde, ich hätte mich immer wieder für sie entschieden. Die Erlebnisse, die kostbaren kurzen Momente unendlichen Glücks waren es wert! Aber es tat weh. So weh!

Ich schloss die Augen und seufzte.

Fluch der Pardonnex - Weltträumerin (II)

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