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6. Einhörner

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Langsam brach die Dämmerung herein und obwohl ich keinen großen Hunger hatte, aß ich einen Salat und trank ein Glas Weißwein, lehnte mich auf dem Felsensessel zurück und wartete auf den Mond.

Das Mittsommerfest im letzten Jahr war herrlich gewesen. Vor allem die Kinder waren aufgeregt, weil sie es noch nie erlebt hatten und Eltern und Großeltern in den vergangenen Jahren mit leuchtenden Augen darüber berichteten. Lediglich die Älteren unter ihnen konnten sich noch genau daran erinnern, denn Parim hatte es jahrzehntelang verboten. Heimlich und nur im Verborgenen konnte damals das Mittsommerfest im engsten Familienkreis „gefeiert" werden.

Letztes Jahr wurde ein großer Holzberg aufgetürmt und bei Sonnenuntergang angezündet. Er wurde bis zum frühen Morgengrauen genährt und schließlich feierlich mit Erde zugeschüttet, also "begraben".

Die ganze Nacht wurde musiziert, gesungen, getanzt, gegessen, getrunken und als besonderer Höhepunkt wurde der Aufgang des Vollmondes mit einem Feuerwerk von Gesängen, angestimmt und gesungen von hundert begeisterter Kehlen, begrüßt. Die Kinder durften, wenn sie es so lange aushielten, die ganze Nacht aufbleiben und wurden in großem Kreis von den Großeltern mit spannenden Geschichten unterhalten. Dazu erhielten sie viele süße Leckereien, die sie sonst nur an wenigen Festtagen naschen durften. Heimlich verschwanden immer wieder Paare - die Geburtenrate neun Monate danach schoss verdächtig in die Höhe - und tauchten mit rot glänzenden Gesichtern wieder auf, um nach einem neu erwachten Appetit auf die herrlichen Speisen und Getränke, mit einem anderen Partner zu verschwinden. In dieser Nacht war alles erlaubt und die Herkunft der Neugeborenen nach neun Monaten wurde nie angezweifelt.

Ich erinnerte mich gern an die ausgelassene Stimmung und die Momente, in denen ich mich mit Dar'sal und später mit einem anderen Mann vom Festfeuer entfernte. Bei mir gab es neun Monate später kein neues Somanerleben. Ich war enttäuscht, obwohl es mir prophezeit wurde, da ich aus einer anderen Welt war. Ob Dar'sal deswegen enttäuscht war? Oder verletzt, weil ich als Drache mit Dran'gorr Kinder hatte und mit ihm nicht?

Ich seufzte und bemerkte, dass die Sonne untergegangen war.

Der Himmel hatte eine gräulich-blaue Färbung angenommen, die ersten Sterne funkelten hell und tanzten durch die verschiedenen Schichten der Atmosphäre. Ich lehnte mich noch weiter zurück und lag entspannt in meinem Felsensessel. Die Luft an diesem Abend war lau, sodass ich nicht fröstelte und ich beschloss, liegen zu bleiben und meine Gedanken treiben zu lassen. Friedlich betrachtete ich das Funkeln und Tanzen der Sterne. Immer dunkler wurde der Himmel und mehr und mehr Sterne erschienen. Nachdem der Mond aufging, verblassten viele Sterne ob der sagenhaften Helligkeit dieses Mittsommer-Vollmondes. Beeindruckend: Dieser Mond hatte mehr tiefe Krater als der Mond der Erde, aber sie ergaben kein Gesicht, sondern andere Muster und Bilder, je nachdem wie lange und intensiv ich den Mond fixierte. An diesem Abend konnte ich keine Bilder in den Kratern erkennen, egal wie lange ich hinschaute und die Augen hin und her bewegte.

Plötzlich wurde mein Blick abgelenkt. Der Teich leuchtete in einem solchen Silber, dass er wie mit Quecksilber gefüllt erschien. Der Mond hatte trotz des steilen Einfallwinkels noch nicht die Mitte des Teiches erreicht. Ich blickte mich langsam um: Sämtliche Flora um mich herum schien aus Silber zu bestehen. Die Felsen glänzten in dem Mondlicht wie riesige Silberbrocken. Hätte ich mich nicht schon so lange hier aufgehalten, wäre ich sicher, mich in einem verzauberten Wäldchen verirrt zu haben. Plötzlich klang sanft eine Saite in meiner Seele, verstummte aber schnell wieder, sodass ich sie nicht in rechte Gedanken fassen konnte.

Ich schüttelte den Kopf.

Zufällig blickte ich an mir herunter und erstarrte erschrocken. Meine Haut schien aus purem Silber zu bestehen, mein Kleid leuchtete genauso in dem herrlichen Glanz und erst eine Berührung mit meinen zitternden Fingerspitzen überzeugte mich, dass es sich tatsächlich um Haar und Stoff handelte. Meine Haut war weich wie zuvor und strahlte denselben silbernen Glanz wie der Teich aus. Ich lehnte meinen Kopf zurück, entspannte mich, ließ meine Augen wandern und spürte in mir eine Ruhe und Stille, wie ich sie noch nie zuvor in mir gefühlt hatte. Ich war im Reinen mit mir, hatte mit meinem Inneren, meinem Herzen, meinem Gewissen, meiner Seele Frieden geschlossen. Ich war endlich erlöst von meinen inneren Qualen, die in mir entsetzlich tief getobt hatten. War es wirklich so, dass ich in den letzten Jahren nur vor mich hinvegetierte, einfach existierte und funktionierte? Ich lebte ohne Sinn, ohne Lebensfreude, ohne Liebe. Nun wurde mir klar, dass ich nur in diesem Schematismus meine Selbstvorwürfe, Selbstanschuldigungen, Selbstgeißelungen besiegen konnte. Nur so konnte ich innerlich geheilt werden. Wie Dran'gorr sich in die Eiswüste begab, hatte ich mich letztendlich in dieses Tannenwäldchen zurückgezogen - instinktiv. Auf Dran'gorr war ich wütend gewesen, weil er sich in meinen Augen seiner Verantwortung, seinem aktiven Leben entzogen hatte. Dran’gorr wusste, dass nur so eine verletzte Drachenseele heilen konnte. Darum hat er mich auch von sich gewiesen. Nicht, weil er mich nicht mehr liebte, sondern weil er wollte, dass auch ich wieder gesund werden sollte. Und ich dachte, dass ich am ehesten alles vergesse und verarbeite, wenn ich mich in die Arbeit stürzte, doch was für ein Trugschluss! Verarbeitet hatte ich zwar einen Teil der Erlebnisse, aber die Wunden hatten keine Zeit, sich zu schließen, ich war innerlich daran beinahe verblutet.

Aber nun hatte ich es geschafft!

Ein Schmerz blieb zurück in mir: Ich hatte meine Freunde verloren. Um die anderen Somaner tat es mir nicht leid, weil sie egoistisch reagiert und längst eine Lektion verdient hatten. Sie sollten lernen, dass unser Zusammenleben verbessert werden musste. Sie sollten erkennen, dass es für mich unmöglich war, ihnen ihre Arbeit abzunehmen und auch lernen, dass ich nicht allmächtig war und meine Kräfte sinnvoll bündeln musste. Das hatte ich herausgefunden. Meine Kräfte entsprachen denen eines Magiers der zweiten Stufe, doch wenn ich schäumte vor Wut, dann stieg meine Macht ins Unermessliche, bis zu der eines Magiers der vierten Stufe. Wie damals, als ich mich „A''le''na" nennen konnte. Eine Kraft, die Soma noch nie erlebt hatte. Warum das so war, konnte ich mir nicht erklären, es gab keinen anderen Magier, der mich unterweisen konnte. Ich vermutete, dass diese ungeheuerliche Kraft mit meinem halben Drachenherzen, meiner halben Drachenseele, die in mir wohnte, zu tun hatte. Andere, besondere Gefühlsregungen wie Trauer, Liebe, Angst und Hass ließen meine Kräfte bis zur dritten Stufe anschwellen. Die ganzen Kräfte, die Magie, hatten auf Soma etwas mit Fantasie und sehr vielen Gefühlen zu tun. Dennoch war ich enttäuscht, dass ausgerechnet Wut zu meinen stärksten Gefühlen gehörte. Ich hoffte und wollte daran arbeiten, dass Liebe das stärkste Gefühl in mir werden sollte. Die vierte Stufe war gefährlich. Ich wusste nicht, wenn ich wieder in eine solche Situation käme, wo die Wut in mir tobte, ob ich nicht sinnlose Zerstörung anrichten würde oder ob ich mich vorher zähmen konnte. Als ich vor drei Monaten die Somaner erschreckt hatte, als ich vor Wut den Erdboden spaltete, als ich mich ohne Willen übergangslos in einen grünen Drachen verwandelt hatte, da waren die Kräfte in mir so mächtig gewesen, dass ich nicht wusste, was ich noch getan hätte, wenn Dran'gorr nicht erschienen wäre. Als ich jetzt daran dachte, überkam mich eine Gänsehaut. Ich blickte auf meine silbernen Arme, die durch die aufgerichteten Härchen wie mit Nadeln gespickt erschienen. Ich musste lächeln und verwarf die trüben Gedanken. Allein die Tatsache, dass ich darüber nachdachte, erschien mir als sicheres Indiz, dass ich in einer ähnlichen Situation nicht die Kontrolle verlieren würde. Ich würde nicht vom Bösen wie Parim und Ro'il'tara überwältigt werden. Langsam begann ich mehr zu verstehen, wie die beiden der Versuchung der falschen Seite erliegen konnten. Sie waren zum Schluss Wesen ohne Gnade und Liebe, wütend und sehr, sehr mächtig.

Ich wollte nicht mehr darüber nachdenken

Meine Freunde kamen mir in den Sinn. Ich hatte meine Freunde verloren. Bestimmt verstanden sie nicht, warum ich drei Monate vom Erdboden verschluckt war und mich nicht mehr gemeldet hatte. Ob sie dachten, dass ich tot wäre?

Ein dicker Kloß, der sich in meinem Hals bildete, ließ sich kaum mehr herunterschlucken. Nicht weinen, nein, nicht jetzt! Ich war einsam und je mehr ich mir verbot, Tränen zu vergießen, umso größer und fester wurde der Kloß.

Ich hatte beinahe den Kampf verloren, als ein silberhelles Glöckchen ganz in der Nähe zu läuten begann.

Schnell richtete ich mich auf und horchte. Der Kloß in meinem Hals war völlig vergessen.

Wieder dieses helle Klingen!

Überall und nirgends. Ganz nah und unheimlich weit entfernt. Leise, sanft, willkommen. Es weckte und stillte gleichzeitig eine Sehnsucht und ein Verlangen in mir, das ich bis zu dem Zeitpunkt nicht in mir vermutet hätte. Ich blieb ganz still, ließ mich langsam in den Felsensessel zurücksinken, atmete flach, damit ich das nächste Klingen nicht versäumte. Es wäre nicht möglich gewesen, das sanfte Klingen zu überhören. Es ließ meinen Körper vibrieren, es ließ mein Herz schneller schlagen, noch bevor ich es mit meinen Ohren hören konnte, hatte ich es gefühlt.

Was war das? Von wem kam das?

Es war nicht nur ein Glöckchen, das ich spürte, hörte - erst eines, dann noch eines, nicht so hell wie das erste, aber genauso klar und wunderschön. Dann noch eines, das heller als das erste klang, dann wieder und wieder eines, immer in einer anderen Klangfarbe und langsam webten die Glöckchen eine Melodie, die zuerst langsam tröpfelte, wie eine kleine Quelle, die sich steigerte, immer wilder und unbändiger wurde und mich schließlich wie ein großer, reißender Fluss erreichte.

Zu mir!

Ich fühlte es, ich spürte, dass diese Glöckchen auf dem Weg zu mir waren.

Zu mir!

Sie!

Der erste Lichtstrahl des hellen Mondes bündelte sich auf einem Horn, dann noch eines, schließlich ging ein wahrer Sternenregen von widerspiegelnden, silbernen Mondstrahlen auf mich nieder. Es war eine mächtige Herde, die in einer einzigen Woge ihrer herrlich schneeweißen Körper zu mir galoppierten und die perlmutternen, glatten Hörner tanzten auf ihren Stirnen und wurden von silbernen Mähnen umspielt. Sie waren eins, wogten in einer unsterblichen Welle zu mir und das überirdisch schöne Glockenspiel, das von ihren kleinen Paarhufen ausgelöst wurde, die sanft die Erde liebkosten und kaum berührten, begleitete sie. Es schien, als seien sie direkt vom Mond auf Soma gelandet und noch immer bewegten sie sich mit der gleichen Schwerelosigkeit. Ihre Mähnen, die im Wind wehten, umspielten ihre feinen Körper und schienen von funkelnden Diamanten durchsetzt. Ihr löwenähnlicher Schweif, der hin und her schwang, bewegte sich in graziösem Gleichklang mit ihren Körpern. All ihr herrliches Wesen spiegelte ihre reine Seele wider, die Essenz dessen, was sie waren. Sie waren eins mit ihrem Inneren und strahlten es ungemildert nach außen.

Ich hielt den Atem an, hatte Angst mich zu verraten, sie zu vertreiben. Sie sollten näher kommen, ich wollte in ihren Augen versinken, den warmen Atem aus ihren Nüstern spüren, sie riechen, sie streicheln und fühlen, wie weich ihr Fell ist. Unter ihnen zu sein, sie lieben und von ihnen geliebt zu werden, einen Teil ihrer Unsterblichkeit einzuatmen – das war mein innigster Wunsch! Atemlos und langsam erhob ich mich in meinem steinernen Sessel, vorsichtig und leise. Sie näherten sich tatsächlich - langsam, stetig und unaufhaltsam. Verspielt, wie eine Welle im Meer, wogten sie vor und zurück. Ihr Ziel war, ich konnte mein Glück kaum fassen, der kleine, unendlich tiefe Teich, an dem ich saß und in den der Mond direkt hineinschien.

Die Woge der Einhörner floss um den Teich herum und langsam kamen sie zur Ruhe. Zitternde Flanken, bebende Körper, geblähte Nüstern, sie waren so nah, dass ich drei, vier, fünf hätte streicheln können, ohne meine Arme auszustrecken. Ich saß stocksteif da, verstand nicht, warum sie mich nicht witterten, nicht rochen und sofort die Flucht ergriffen. Ich atmete flach, um sie nicht doch noch zu vertreiben und ihre Anwesenheit ein kleines bisschen länger genießen zu dürfen.

Wie auf ein geheimes Zeichen hin wieherten sie - es war nicht dieses hohe Wiehern eines Pferdes, gefolgt von einem erbosten Schnauben. Es war eine sanft geschwungene Melodie, getragen von dem hellen Glockenklang der stets tänzelnden Hufen, der schwingenden Löwenschwänze, der bebenden, zarten Körper. Ihre Hälse leuchteten silbern beim Atmen, ihre Körper verströmten den Duft eines warmen Frühlingsmorgens, gesättigt von den frisch erblühten Knospen der gerade erwachenden Blumen, die verschwenderisch die Geburt neuen Lebens einläuteten. Ich war wie hypnotisiert, als das gemeinschaftliche Wiehern verstummte und meine Seele vor Schmerzen schrie ob des Verlustes dieser Sehnsucht erweckenden Stimmen. Ein Einhorn nach dem anderen senkte anmutig den Kopf, trank von dem Silberwasser des Teiches, trat zurück und ließ das nächste Einhorn trinken. Als alle von dem Wasser gekostet hatten, herrschte eine unheimliche Stille und wie auf ein geheimes Zeichen hin, drehten sie ihre Hälse, drehten die Körper und fixierten mich mit großen, schwarzen, uralten Augen. Sie blickten mir direkt in die Seele und ich hörte ihre Stimmen, die Sprache der Einhörner, tief in meinem Inneren und war erfreut, dass ich sie verstand.

‚Sei willkommen in unserer Mitte.‘

Die schönsten Worte, die ich je vernommen hatte! Ihre Stimmen klangen weich und fließend, schön, alt und geheimnisvoll. Sie wussten alles. Was auf Soma mit mir geschehen war - sie wussten um mein Leid und Elend, meine Liebe und meine Hoffnungen. Nun war ich unsterblich, weil sie mein Inneres betrachtet und in ihrer Mitte aufgenommen hatten. Ich würde so lange in ihrer Erinnerung leben, wie die Einhörner existierten. Nie würden sie mich vergessen und sie lebten schon immer und würden ewig leben.

Es war ein herrliches, unsterbliches Gefühl!

Ich bewegte mich langsam und stieg von meinem Felsensessel herunter. Nun fühlte ich die Wärme der zarten Körper um mich herum. Langsam und scheu streckte ich die Hand zu dem Einhorn aus, das direkt neben mir stand. Ich blickte ihm in die Augen und bat stumm um Erlaubnis. Das Einhorn nickte und die silbernen Glocken tanzten um mich herum. Meine Fingerspitzen berührten das weiche Fell an dem bebenden Hals - es fühlte sich unbeschreiblich sanft an. Weicher als Samt, kühler als Seide, wie ein warmer, weicher Sommerregen auf nackter, junger Haut. Ich fühlte mich glücklich und hatte Angst, es wäre nur ein Traum. Doch das Einhorn blieb an der Stelle und ich blickte ihm weiterhin tief in die Augen, in eine uralte, weise und liebevolle Seele, während meine Fingerspitzen durch das samtene Fell strichen. Nach einer halben Ewigkeit ließ ich meine Hand sinken und wähnte mich im Himmel.

Jetzt kam Bewegung in die Herde, die Einhörner wichen rechts und links von mir zur Seite, sodass eine Gasse entstand. An deren Ende wartete ein großes Einhorn - noch edler und lieblicher als die anderen. Es leuchtete weiß in dem Mittsommermond, sodass mir die Augen brannten. Die silbrige Mähne wehte diamantengleich in dem leichten Wind. Es blähte die Nüstern und schritt auf mich zu, stolz und federleicht. Als es vor mir stand und wir uns in die Augen blickten, verstand ich, dass ich dem ältesten Einhorn Somas gegenüber stand. Sie hieß A'quira und hatte magische Kräfte, wie jedes Einhorn. Ihre waren voll ausgeprägt, sodass sie auf Soma als Magier viertes Grades hätte wirken können. Die Magie der Einhörner war anders als die der Somaner und anders als die meine. Sanfter, defensiver, seltener angewandt. Die größte Magie stellte ihr Erscheinungsbild dar, die Vollkommenheit, die Grazie, die Sanftheit, die jedes Lebewesen beeindruckte, milder stimmte, für kurze Zeit verzauberte!

'Ich darf dir eine große Ehre von uns anbieten. Aber besonders von einem von uns, der es gleichermaßen als Ehre ansieht', hörte ich eine sanfte Stimme in meinem Kopf, sodass ich mir zuerst nicht sicher war, dass A'quira überhaupt gesprochen hatte.

Ein Nicken von ihr zeigte mir, dass ich es richtig erfasst hatte. Noch verstand ich den Sinn ihrer Worte nicht.

'Folge mir', lautete ihre einfache Anweisung.

Wie in Trance setzte ich einen Fuß nach dem anderen auf, ich schwebte, umringt von Einhörnern, die mir folgten, mich begleiteten, bis zu der Stelle, an der A'quira stehen blieb. Vor mir erhob sich ein gewaltiger Baum, der so hoch gewachsen war, dass ich den Kopf in den Nacken legen musste, damit ich an seine Spitze blicken konnte. Woher kam dieser Baum? Die Tannenbäume in dem kleinen Wäldchen waren gleich hoch!? Dieser Laubbaum hätte mir schon lange auffallen sollen - ich konnte mich nicht an ihn erinnern und fand es zu diesem Zeitpunkt zu schade, darüber nachzudenken. Er war da - wie die Einhörner. Im Schatten des Baumes, dessen starke Wurzeln das Erdreich um sich herum zu einer großen Mulde geformt hatten, ragten an manchen Stellen die Wurzelstränge aus der Erde heraus und hatten eine Art Nest geschaffen, das mit weichem, grünen Moos ausgekleidet war. In diesem natürlichen Schutz lag das herrlichste Geschöpf, das ich je gesehen hatte und das mich genauso faszinierte wie die Drachen, jedoch eine andere Gefühlsebene in mir ansprach. Ein junges Einhorn, gerade alt genug, um auf seinen dünnen Beinen zu stehen, lag anmutig in dieser Mulde, die Beine unter seinem Körper verborgen. Der Kopf ruhte erschöpft auf der Erde und sein kleines Horn schien aus eigener Kraft zu leuchten, seine Augen waren geschlossen, die Lider zuckten leicht.

Träumten Einhörner?

Ich kniete hingerissen vor dem kleinen Geschöpf nieder und Tränen der Rührung flossen mir über die Wangen, tropften zuerst auf die Erde, das Moos, wo sofort Blumen aller Art und Farben dicht aneinander wuchsen, sodass das kleine Einhorn beinahe darin versank. Als ich mich vorbeugte, fiel eine Träne auf das Horn, das sofort golden zu schimmern begann. Erschrocken wich ich zurück, die Einhörner um mich herum waren ebenso erschrocken, ein paar von ihnen tänzelten einige Schritte zurück. Doch die tiefe Liebe zu diesem wunderbaren Wesen, die ich nicht in Worte fassen konnte, die meine Brust zu sprengen drohte, die sich in meinen Tränen, verströmte eine solch goldene Aura des Friedens, dass sich die Einhörner und ich beruhigten. Mit zitternder Hand berührte ich das Horn, das nun aus Gold war und das kleine Wesen öffnete die Augen. Zuerst blickte es mich nicht an, seine Augen schienen noch in weiter Ferne zu verweilen, doch dann spürte ich seinen Blick auf und in mir, in der Tiefe meiner Seele. Wo ich bei den anderen Einhörnern schwarze, uralte Weisen erkannte, konnte ich bei diesem Fohlen tief in die Seele blicken und mir wurde sein Name offenbar.

"Lo'amo."

Ich sprach ihn leise, voller Ehrfurcht aus und spürte das Erstaunen der anderen Einhörner beinahe körperlich. Ich legte meine Arme sanft um das Fohlen, hob es behutsam aus dem von mir geschaffenen Blumenbett, drückte es an meine Brust und vergrub mein Gesicht in dessen weicher Mähne.

'Alena', hörte ich seine junge, sanfte Stimme.

'Ja?', fragte ich zurück und konnte hören, dass meine Seelenstimme ebenso weich wie die der Einhörner war.

'Ich musste bei dir sein.'

Ich schluchzte auf. Mir kam der Gedanke, dass ich so etwas Wunderbares nicht verdient hatte. Ich verstand nach dem Blick in Lo'amos Seele, dass er der Sohn von A'quira war und sehr viel Magie in sich trug. Durch unsere Seelenfreundschaft würde Lo'amo das mächtigste Einhorn sein, das es je auf Soma gegeben hatte.

'Ich werde bei dir sein', versprach ich ihm und das Bündnis war besiegelt.

Ich hatte eine leichte Ahnung, dass mir die Freundschaft zu ihm in Zukunft helfen, mich aber auch in allertiefste Verzweiflung stürzen würde. Geben und nehmen, so war es immer gewesen und so war es gut und schützte das Gleichgewicht der Kräfte. Lo'amo hob seinen Kopf und leckte mir mit seiner weichen, warmen Zunge die Tränen von den Wangen. Ich weinte weiter, konnte das unendliche Glück kaum fassen, das mich in dieser Situation unendlich belohnte.

Ich küsste Lo'amo sanft auf die weiche Stelle zwischen seinen Nüstern, der Kleine zuckte zusammen und dachte vergnügt: 'Das kitzelt!'

Ich lachte und weinte zugleich und streichelte seine Mähne, während die anderen Einhörner um uns herum den Kreis enger zogen und uns beiden spielerisch und liebevoll an Mähne und Haaren knabberten. Ich spürte den warmen Atem, der nach süßem Waldhonig roch und bekam vor Wohlbefinden eine Gänsehaut. Erschöpft ließ ich mich in dem Blumenbett nieder und Lo'amo bettete seinen Kopf in meinem Schoß.

So schliefen wir ein, die Träume von der machtvollen Herde bewacht.

Fluch der Pardonnex - Weltträumerin (II)

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