Читать книгу Steinbruchpolka - Birgid Windisch - Страница 9
S I E B E N
ОглавлениеEddie stand vor der großen Tafel und betrachtete konzentriert das vergrößerte Foto von der Wunde. „Der Rand sieht leicht zerfranst aus,“ murmelte er dabei vor sich hin. „Was könnte das nur gewesen sein? Schwert scheidet definitiv aus.“ Er nahm ein großes Blatt in die Hand, mit Stichwerkzeugen, das er sich ausgedruckt hatte. „Ein rundes Loch, das ausfranst – hm.“ Er schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. „Ich komm einfach nicht drauf. Ein Speer vielleicht?“ Murmelnd fuhr er mit dem Finger über die Eintrittswunde die bei einem Speer entstand und legte das Stichmuster neben das Foto mit der Verletzung ihrer Leiche. Das konnte schon eher möglich sein!
Die Tür ging auf und jemand trat ein. Es rumpelte. Eddie rief über die Schulter. „Nicht so laut, hier wird gedacht!“ Eine Stimme räusperte sich in seinem Rücken und Eddie drehte sich genervt um. „Was ist?“
Hinter ihm stand Wolfi, mit verlegenem Gesicht, auf Krücken gestützt. „Was ist denn mit dir passiert?“ entfuhr es Eddie unwillkürlich. Wolfi räusperte sich. „Es ist mir sehr unangenehm, das kannst du mir glauben. Ich habe gerade die Pflanzen meiner Mutter gegossen, als sie im Urlaub war und bin dabei irgendwie über die zweite Gießkanne geflogen.“
Eddie prustete los. „Ich sehe es direkt vor mir.“ Unwirsch sah ihn Wolfi an. „Was soll ich hier überhaupt machen?“ Magda trat ein. „Ich hab dich gehört. Du sollst Parallelen suchen über unseren Mord.“ „Das hättet ihr doch auch selber gekonnt,“ murrte Wolfi. „Ja, aber lange nicht so gut und schnell wie du,“ meinte Magda begütigend. „Außerdem bist du dadurch in Höchst und brauchst nicht immer nach Erbach zu fahren. Das ist doch gut für dich, wenn du so angeschlagen bist!“ Sie deutete auf seine Krücken. „Was ist überhaupt passiert?“ Widerstrebend erzählte Wolfi noch einmal die Geschichte seines Missgeschickes und wie erwartet, brach Magda unwillkürlich in Lachen aus. „Ja, lacht ihr nur,“ knurrte Wolfi erbittert. „Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, ich weiß.“ Er stutzte und sah Eddie verwundert an. „Was ist, du lachst gar nicht?“ Aber Eddie starrte wie gebannt, Wolfis Krücken an. In seinem Hirn arbeitete es zusehends.
Magda schüttelte unwillig den Kopf und wandte sich an Wolfi. „Wie lange musst du denn noch mit den Dingern laufen?“ Der grinste erleichtert. „Nur noch diese Woche, dann steige ich auf den Spazierstock meines Vaters um. „Ja!“ unterbrach ihn Eddies lauter Schrei. Bellend fuhr Fränzchen aus tiefem Schlaf hoch. „Pscht, Fränzchen, alles ist gut,“ beruhigte ihn Magda automatisch. „Was ist denn Eddie, hat dich eine Schnake gestochen?“ „Schnaken stechen nicht, nur Stechmücken, wie der Name schon sagt,“ belehrte Wolfi sie automatisch.
Eddie streckte den Arm in Siegerpose in die Höhe. „Ich hab´s!“ Ich weiß jetzt, welche Waffe der Mörder benutzt hat!“
Magda und Wolfi sahen ihn fasziniert an. Lachend und mit aufgerissenen Augen stand er da. „Versteht ihr denn nicht? Er hat einen Spazierstock benutzt!“ „Aber natürlich,“ sagte Magda langsam und ein Lächeln trat in ihre Züge. Dann biss sie wütend die Zähne zusammen. „Dieses Schwein!“ Eddie dachte nach. „Ich glaube nicht, dass es sehr schmerzhaft für das Opfer war. So wie die Wunde aussieht, hat er sie mit einem einzigen Stoß getötet.“
„Aber das muss doch eine unglaubliche Wucht gewesen sein und Anna hat sich gewehrt, hat Susi gesagt!“ Magda sah verwirrt aus. „Nicht unbedingt!“ Wolfi sah nachdenklich von einem zum anderen. „Er kann die Metallspitze angespitzt haben, so dass sie butterweich hineinging.“ Magda gab ihm einen heftigen Stoß, dass er fast umfiel. „Du Olwel!“ Verwirrt sah Eddie auf. „Was ist denn gleich wieder ein Olwel?“ „Ein gefühlloser Mensch, der zum Beispiel alles rausplatscht, ohne sich Gedanken zu machen, wie er die anderen damit verletzt, ein Grobian.“
„Also wie unser Wolfi,“ pflichtete ihr Eddie bei. „Du bist auch kein Waisenknabe,“ wehrte sich dieser. „Dir geht auch oft das nötige Feingefühl ab.“ Eddie fühlte sich nicht betroffen. Er war von härterem Kaliber.
„Gesetzt den Fall - wenn man die Spitze nachschärfen will – ist das leicht? Kann das jeder?“ Wolfi dachte nach. „Ich bin kein Fachmann, aber ich würde sagen, es kann jeder, der einen Bandschleifer besitzt und einen Schraubstock, um den Schleifer einzuspannen. Mit dem Bandschleifer, auf Dauerbetrieb eingestellt und ein wenig Geschick, kann das so ziemlich jeder mit ein wenig handwerklichem Geschick.“ „Auch eine Frau?“ erkundigte sich Magda. „Sogar eine Frau,“ bestätigte Wolfi. „Also muss man nicht unbedingt eine Schlossereiausrüstung besitzen,“ warf Eddie grimmig ein. „Muss man nicht,“ gab ihm Wolfi recht.
„Sogar eine Frau, sagst du?“ Magda warf ihm einen verächtlichen Blick zu. „Du bist ein Chauvinist, weißt du das?“ Wolfi sah sie entschuldigend an. Er hatte es nicht so gemeint. Oft trat er ins Fettnäpfchen, ohne es zu bemerken. Er war so in seiner Welt der Technik versunken, dass er das normale Leben und die sozialen Beziehungen, kaum meistern konnte. Er lebte in seiner eigenen Welt. Magda legte ihm versöhnlich die Hand auf die Schulter. Wolfi war der Sohn ihrer Freundin Sonja und sie kannte ihn von klein auf. Er war ohne Arg und manchmal bedrückend ehrlich, fast zu sehr, weil ihm nicht bewusst war, wie er seine Mitmenschen mit seiner allumfassenden Ehrlichkeit verletzte. „Ich weiß doch, Wolfi, dass du das nicht wolltest.“ Sie sah ihn liebevoll an. „Du bist halt unser kluger Denker und nicht ganz von dieser Welt. Trotzdem haben wir dich sehr gern. Und wenn du deine Mutter wiedersiehst,“ resolut sah sie ihn an, „sagst du ihr, dass ich nächstes Mal die Blumen gieße! Dann passiert dir wenigstens nichts.“ Er wand sich unbehaglich. „Sag ihr einfach, sie hat auch schon viel für mich gemacht, dann versteht sie das schon. Klar, Wolfi?“ Leise stimmte er ihr zu.
Die Tür wurde grob aufgerissen und Anne und Freddy drängelten sich aufgeregt herein. „Was ist denn mit euch los?“ wollte Magda wissen. „Habt ihr auch etwas herausgefunden?“ „Haben wir,“ platzte Anne heraus und Freddy sah sie böse an. „Eigentlich hat es Susi entdeckt, dass auf dem blauen Kranz mehrere DNA-Spuren waren.“
„Ja!“ warf Anne schnell ein. „Nämlich unter anderem die von einer vor einem Jahr verschwundenen Frau!“ Magda sprang auf. „Gut! Es tut sich was!“ Freddy warf schnell ein: „Es ist noch eine Spur von einer unbekannten Frau darauf, sowie von einem Mann. Dessen Spur ist allerdings unvollständig. Susi konnte nur feststellen, dass die DNA männlich war.“ Magda war begeistert. „Immerhin!“ Anne strahlte: „Gell? Das hab ich auch gesagt!“
Freddy bemerkte jetzt erst Wolfi, der immer noch auf seinen Krücken im Zimmer stand. Er hatte sich in die Ecke zurückgezogen, um nicht im Weg zu sein. „Was ist denn mit dir passiert?“ „Unfall,“ sagte Wolfi kurz. „Aha,“ meinte Freddy unkompliziert. „Kannst du auch noch einmal schauen, wegen der Spuren? Susi hat sie dir in deinen Posteingang geschickt.“ „Na klar,“ gab Wolfi dankbar, mit leuchtenden Augen, zurück. Das war genau das, was er gut konnte. Er liebte die Recherche im Internet und surfte mit Vorliebe in Datenbanken, wo er noch die kleinste Information fand, die anderen leicht entgangen wäre. „Ich mach mich gleich dran,“ meinte er begeistert und setzte sich in seine Ecke, wo sein Schreibtisch im Hintergrund stand. Genauso, wie er es gewollt hatte. Magda sah sich begeistert um. Es summte im Raum, alle redeten durcheinander und waren mit Eifer bei der Sache. Ihr Team war unschlagbar, wenn es darum ging, einen Mörder zu fangen. Sie gaben nicht eher auf, als bis sie ihn hatten und diesen würden sie auch wieder schnappen. Magda nickte innerlich und gab sich das Versprechen, auch diesen Verbrecher unschädlich zu machen.
„Dieses Kränzchen will mir einfach nicht aus dem Kopf,“ sagte Magda langsam. „Ich kann mir nicht helfen, aber ich glaube, das ist ganz wichtig. Wir müssen unbedingt mehr darüber herausbekommen. Mich interessiert vor allem, woher er es hat!“
„Das finde ich auch spannend,“ rief Anne. „Ich habe früher so gerne Blumen gestreut und hatte auch ein Kränzchen, mit rosa Rosen. Damit streute ich immer Blumen bei meiner Oma in Bayern an Fronleichnam.“ „Meins war auch blau, wie bei Anna,“ sagte Magda träumerisch. „Ich habe immer die Pfingstrosen meiner Oma zum Streuen bekommen.“ „Ich die dunkelroten und gelben Rosen meiner Oma,“ sagte Anne mit leuchtenden Augen. Die Männer verdrehten die Augen und sahen sich vielsagend an. Wolfi zuckte die Schultern. Völlig unverständlich so etwas. „Wir haben immer die Taufbänder genommen, sie an das Körbchen gebunden, damit ich es umhängen konnte.“ Magda seufzte leise und Ben räusperte sich energisch. „Aha, aber was können wir tun, um herauszubekommen, was es mit diesem Kränzchen auf sich hat?“
Magda und Anne erwachten aus ihren Tagträumereien. „So ein Blumenkränzchen ist etwas sehr Gefühlvolles, wie wir gerade gesehen haben,“ erklärte Magda. „Genauso ist es,“ fügte Anne hinzu. „Und deshalb bin ich der Meinung, dass es ganz wichtig ist und eine zentrale Rolle in unseren Ermittlungen spielen sollte!“ Magda sah sich um. Eddie fuhr hoch. „Aber der Stock ist meiner Meinung nach, genauso wichtig. Ben pflichtete ihm bei. „Der Meinung bin ich auch! Der Mörder will mit beidem, mit Blumenkränzchen und Stock etwas ausdrücken.“
„Ich hab was!“ rief Wolfi aus dem Hintergrund. „Ich glaube, ihr habt recht! Zwei Treffer! Ich habe Blumenkränzchen und Spazierstock eingegeben und das System hat mir gleich zwei Ergebnisse angezeigt. Einen mit beidem und einen nur mit Blumenkränzchen und unbekannter Tatwaffe!“
Die Ermittler rannten förmlich zu ihm hin und umlagerten seinen Schreibtisch. „Lies,“ stieß Magda atemlos hervor.
Wolfi sah sie erschrocken an und las laut: „2010 wurde in einem Steinbruch in der Nähe des Klosters Lorsch, eine ältere Frau gefunden,“ er beugte sich vor. und las konzentriert: „Ida Seibert, mit einem Blumenkranz und einer Stichwunde.“ „Das ist er!“ Magda und Anne klatschten ihre Hände zusammen. „Und die zweite Leiche?“
Ben sah Wolfi gespannt über die Schulter. Der las langsam weiter. „Die zweite Leiche hieß Renate Kleber und wurde in einem alten Steinbruch bei Weinheim gefunden. Sie trug einen Blumenkranz und wies ebenfalls eine tiefe Stichwunde auf, möglicherweise von einem Spazierstock, oder einer angespitzten Holzstange.“ Aufgeregt sah er auf. „Sie haben Holzpartikel in der Wunde gefunden!“ „Das ist er!“ Magda sah auf. „Wahrscheinlich hat er da schon mit Morden angefangen, aber hatte seine Tatwaffe noch nicht perfektioniert!“