Читать книгу Gefahr im Odenwald - Birgid Windisch - Страница 7
Kapitel 4 Die Sitzung
Оглавление„Was muss ich denn da sagen?“ Aufgeregt wandte sich Wernher an Lene und Helga. Letztere sah ihn beruhigend an. „Mach dir keine Gedanken. Sag einfach guten Abend und setz dich hin. Die Gemeinderäte und der Bürgermeister werden dir schon sagen, was sie von dir möchten.“ „Von mir möchten?“ Lene legte beruhigend ihre Hand auf seine. Sie verstand seine Angst vor der „Obrigkeit“, die tief verwurzelt in ihm steckte, durch seine schlimmen Erfahrungen in der Vergangenheit. „Glaub mir, der Bürgermeister und der Gemeinderat sind sehr nett, du brauchst wirklich keine Angst zu haben.“
Es klingelte und kurz darauf betrat Jo mit Michael die Küche. „Wernher, ich nehme dich heute Abend mit, zur Sitzung, ich muss sowieso hin“, teilte ihm Michael ohne Umschweife mit. Lene konnte regelrecht sehen, wie die Aufregung aus Wernher wich, wie Luft aus einem Luftballon. Sie lächelte erleichtert und drückte liebevoll seine Hand. Es war schwer für ihn, in ihrer Zeit Fuß zu fassen und sie war stolz auf ihn, wieviel er schon erreicht hatte und wie gescheit er war. Ein anderer hätte nicht einen Bruchteil dessen verstanden, was ihr Wernher inzwischen schon gelernt hatte und beherrschte. Allein Autofahren - eine Riesenleistung für einen Mann aus dem 15. Jahrhundert, fand sie. Nein, sie vertraute ihm jederzeit bedenkenlos ihr Leben an und das würde sie bei keinem anderen tun. Dazu hatte sie durch den Unfalltod ihrer Eltern, damals in ihrer Kindheit, zu viel Angst vor der Unberechenbarkeit des Lebens. Wenn sie nicht an Gott und das Gute glauben würde, und dass alles einen Sinn hatte, wäre sie wahrscheinlich nicht imstande, mit der Angst zu leben, dass jederzeit etwas geschehen könnte, das ihr kostbares kleines Glück, zerstörte. Sie wusste, dass nichts selbstverständlich ist. Und was hatte ihr das Leben seitdem für wunderbare Geschenke schon gebracht. Liebevoll sah sie ihre Oma mit Horst neben sich, an, ihren Wernher, der ihre Hand liebevoll zurückdrückte und Melampus und Willi, ihre beiden Hunde aus der Vergangenheit, die ihr bedingungslose Liebe gaben und für sie durchs Feuer gehen würden. Nein, sie hatte so viel Glück, dass es ihr schon wieder Angst machte. Gerade weil sie wusste, dass eine durch Liebe verbundene Familie, unendlich kostbar war. Energisch räusperte sie sich. Jetzt war keine Zeit für Gefühlsduselei. „Prima Michael, das freut mich“, lächelte sie den Mann ihrer Freundin an. „Wann holst du Wernher ab?“ „Um dreiviertelsieben bin ich da“, entgegnete Michael. „Was muss ich denn da anziehen?“ Wernher war immer noch aufgeregt.“ „Cool bleiben!“ mischte sich da Jo ein. „Einfach Jeans und was du immer anhast. Du weißt doch, einen schönen Menschen kann nichts entstellen“, zwinkerte sie ihm grinsend zu. Verwirrt sah Wernher zu Lene, die ihm beruhigend zulächelte und wieder seine Hand nahm. „So wie du jetzt angezogen bist, ist es genau richtig, mein Schatz“, murmelte sie ihm beruhigend zu. Wernher sah zweifelnd an sich herab. Die Hose aus dem festen, blauen Stoff, die hier fast jeder trug, sogar die Frauen, war sehr bequem und saß gut über den Hüften. Dazu das Flanellhemd, mit einem Wams, worin er sich sehr wohl fühlte. Lene gab ihm einen Klaps auf sein Hinterteil. „Hey!“, rief Wernher gespielt empört. „Immer diese Belästigungen!“ Lene streichelte ihm liebevoll übers Haar: „Kann ich was dafür, dass du für mich unwiderstehlich bist?“ „Wusst ich´s doch“, grinste Wernher anzüglich. „Aber ich glaube, dazu kann ich anhaben, was ich will. Am liebsten würdest du es mir sowieso ausziehen!“ „Pst!“, Lene grinste verschämt. „Das muss nicht jeder wissen!“ „Wir sind ja auch nicht jeder“, grinste Jo frech und Michael meinte verständnisvoll: „Das geht mir bei Jo genauso.“
„Nachdem wir das also geklärt haben, könnt ihr euch wieder auf den Weg machen“, meinte Oma. „Das wird mir langsam zu schweinisch hier, oder Horst?“ Der lächelte süffisant und zuckte nur vielsagend die Schultern. Pünktlich um halbacht klingelte Michael und holte den aufgeregten Wernher ab. „Dass ihr mir ja nicht zu früh wieder heimkommt“, meinte Lene lachend. Michael versicherte, sie hätten nicht vor, vor 22 Uhr auf der Matte zu stehen.
„Welcher Matte denn?“, Wernher war schon wieder verwirrt. „Jetzt trollt euch!“ Lene schob die beiden zur Tür hinaus und legte Wernher die Arme um den Hals, um ihn liebevoll zu küssen, bevor sie ihn energisch hinausschob. „So Oma, endlich Ruhe vor den Mannsbildern!“ Die lächelte verständnisvoll. Ihr Horst war vor einer Stunde heimgefahren und so waren Frauen und Tiere unter sich. „Das bin ich schon gar nicht mehr gewöhnt“, Lene strich sich durch die immer verstruwwelten Haare. „Geht mir auch so“, pflichtete ihr die Oma bei. „Ab und zu schadet es nicht“, meinte Lene nachdenklich. „Wenn es nicht zu lange dauert. Ich habe mich richtig an meinen Gatten gewöhnt!“ „So soll es auch sein.“ Frau Faust stellte die Gläser nacheinander in den Schrank. „Mir fehlt mein Horst auch, man sollte nicht meinen, wie schnell man sich daran gewöhnt, nicht mehr allein zu sein. Umgedreht ist es viel schwerer!“
Wernher und Michael waren unter den ersten im Sitzungssaal. „Guten Abend“, nickte ihnen der Bürgermeister lächelnd zu und Wernher und Michael grüßten freundlich zurück. „Das sind unsere freiwilligen Helfer“, erklärte ihnen der Bürgermeister und deutete auf einige Herren, um die 70, die rechts von ihm saßen. „Die Gemeindearbeiter helfen ihnen natürlich und du sollst ihnen nun mit deinen Kenntnissen über alte Baukunst unterstützend unter die Arme greifen!“ Wernher sah ihn verwirrt an. Michael sah förmlich, wie es in ihm ratterte – unter die Arme greifen- oh je. Zum Glück war er still und Michael meinte schnell: „Wernher hilft euch sicher gerne mit Rat und Tat, oder Wernher?“ Der sah ihn erleichtert an. „Na klar, das mach ich sehr gern.“ „Dann haben wir das geklärt“, freute sich der Bürgermeister sichtlich.
Als endlich alle da waren, nahm die Versammlung ihren Lauf. Es wurden Ämter und Aufgaben verteilt und Wernher war für den Lehm verantwortlich, nachdem er den Anderen die Bedeutung guten Lehmes, beziehungsweise der richtigen Mischung von Lehm und Stroh, für ein haltbares Fachwerk erläutert hatte. „Ist der Lehm zu fett, können Böden oder Wände reißen und das Haus wird nicht stabil“, erklärte er den gespannt lauschenden Männern. Wernher konnte interessant und anschaulich, von der alten Baumethode erzählen und obwohl diese die Grundlagen kannten, war einiges doch neu für sie. Mit Wernher kam ein praktisches Element hinzu, was ein nicht zu unterschätzender Gewinn war. Außerdem koordinierte er die Arbeiten und teilte die Männer ein. Dazu erläuterte jeder der freiwilligen Helfer, seine individuellen Fähigkeiten, Kenntnisse und Begabungen, so dass Wernher einen guten Überblick hatte. Er schrieb sich von jedem Einzelnen Namen und Fähigkeiten auf, sowie Adresse und Telefonnummer, um nach Fertigstellung des Arbeitsplanes, diese verteilen zu können. Die Sitzungsteilnehmer waren erleichtert, dass sich alles so gut lösen ließ und freuten auf ihre neuen Aufgaben. „Des klingt alles sou interessont, wenn du von derer olten Bauweise verzäihlst, sou dass isch richtisch druff brenn, louszuleische“, bekannte der alte Mathies vom Unterdorf. „Do hoste woahr“, brummte Anton vom Kirchrain. Die anderen nickten beipflichtend und der Bürgermeister beendete mit freundlichen Worten die Veranstaltung, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass in der Wolfsschenke noch ein Nachtreffen stattfände, für die, die noch „Doscht“ hätten. Alle lachten und es zeigte sich, dass Alle, bis auf einen, Durst gehabt hatten. Bei Bier und Wurstbrot, ging die Sitzung gleich noch einmal so gut weiter und die Begeisterung für das Bauvorhaben hielt weiter an. Der Bürgermeister schlug Wernher freundschaftlich auf die Schulter und meinte lachend: „Du hast uns hier wirklich noch gefehlt! Nun kann nichts mehr schief gehen und ich freue mich schon darauf, das Adam-Otto-Vogel-Haus in neuer Blüte zu sehen – vielleicht sogar fast genauso, wie es einmal früher ausgesehen hat!“ Die anderen grunzten beifällig und nach geselliger Runde begaben sich alle langsam auf den Heimweg.