Читать книгу Kaltes Fließ - Birgit Turski - Страница 7
4
ОглавлениеDer Flug über die frostklare und mit hohem Neuschnee bedeckte Landschaft war traumhaft, zumal der Pilot von Christoph 33 vor dem hohen Polizeifritzen, der ihm da in den Helikopter befohlen worden war, mit seinem Können Eindruck machen wollte. Werner Metag wunderte sich, warum Fred den Rettungshubschrauber angefordert hatte. Von der Leitstelle war doch ein Todesfall gemeldet worden. Von Verletzten hatte niemand etwas gesagt, dabei hatte Lebensrettung in jeder Meldung Vorrang vor Toten. ‚Tote können warten,’ meinte Metag in Gedanken ,zumal bei der Kälte.’
Er dachte nicht weiter über den Grund der Anforderung eines Rettungseinsatzes nach. Solche Grübeleien und Vermutungen über Ungewisses hatte er sich schon lange abgewöhnt. In der Studienzeit an der Sektion Kriminalistik der Humboldt-Universität Berlin hatten sie solche Ratespiele veranstaltet, um ihre Kombinationsfähigkeiten zu üben. So unwahrscheinlich manche ihrer damaligen Kombinationsketten auch waren, in den Jahren der praktischen Arbeit hatte er Fälle erlebt, die hätten sie damals als völlig unsinnig abgetan.
So widmete er sich lieber dem Anblick der tiefverschneiten Landschaft, die Frieden und Ruhe ausströmte. Wie immer erschien ihm der Anblick der weiten weißen Flächen der Felder eigenartig festlich. Die Stille, wie es sie nur an Schneetagen gab und die das Gefühl der Verzauberung sonst noch vertiefte, wurde durch das Geknatter der Rotoren zerrissen.
In der eisig klaren Luft und dem schwirrenden Licht der noch tief stehenden Wintersonne wirkten die Kaupen wie aus einem Märchen, wie vom Rest der Welt durch ein weißes Meer getrennte Inseln, jede davon eingefasst von einem Streifen Gehölz und Buschwerk. Auf einer dieser Insel standen zwei Männer vor einem vom Schnee verhüllten Grundstück, auf dem das fast im Weiß versunkene Häuschen kaum auffiel und sahen dem Heli entgegen, der Schneeschleier aufwirbelnd in ihrer Nähe herabsank.
Werner Metag stieg mit den Rettungskräften aus dem Hubschrauber und versank erst einmal knietief im Schnee. Hier war noch nicht geräumt worden. Nur einzelne Furchen zogen sich von den abgestellten Fahrzeugen zum Hoftor und von dort in langen Linien zum Haus und weiter zu Scheune und Stall.
„Wer weiß, wann die Kriminaltechnik bei dem Wetter hier rauskommt,“ begann Fred ohne Einleitung und Erklärung zu sprechen, „aber ich denke, hier musst du die Entscheidungen treffen.“ Damit wandte er sich abrupt zur Seite und stapfte durch eine der Furchen, die der Revierleiter von Burg erst vor kurzem gebahnt hatte, voran. Dem Rettungssanitäter, den er von früheren gemeinsamen Einsätzen kannte, winkte er nur knapp mit der Hand. Über die Schulter sagte er noch zu ihm: „Nimm Trage und Decken gleich mit, die Wege hier willst du nicht zweimal gehen, glaub mir.“
Der ältere Mann, der neben Fred gestanden hatte und bis jetzt mit angespanntem Blick zum Dach eines der entfernten Nebengebäude geschaut hatte, als ob er etwas Ungeheuerliches von dort erwarten würde, wandte sich nun den anderen zu. Er bewegte unbehaglich die Schultern, als ob er zusammenzucken oder etwas von sich schütteln wollte. Nach einem kurzen Räuspern begann er mit belegter Stimme zu sprechen: “Polizeiobermeister Jakubick, Revierleiter Burg, ich habe die Meldung erstattet und das hier alles gefunden.“, dabei wies er mit einer vagen Handbewegung zum Haus und weiter über das Grundstück.
„Nun kommt endlich“, drängte Fred Bittner die anderen.
Er ging mit Werner Metag voran, dabei die Spur durch den hohen Schnee verbreiternd, damit die Rettungskräfte besser hindurch kamen. Jakubick hatte ihnen geholfen die Trage mit Notfallkoffer und mehreren Decken bis zum Hoftor zu bugsieren. Auf dem Weg zum Haus gab Fred seinem Chef einen kurzen Bericht: „Wegen des Schneetreibens in der Nacht waren heute früh alle verfügbaren Einsatzkräfte von Polizei, Freiwilliger Feuerwehr, Mitarbeiter der Gemeinde und Mitglieder vom Verein der Kahnfährleute zu den entlegenen Gehöften unterwegs, von denen bekannt war, dass dort alleinstehende, ältere oder hilfsbedürftige Menschen leben, um nach dem Rechten zu sehen und Hilfe zu leisten, wo es Not tat. Die Gemeinde hat da extra einen Einsatzplan für solche Fälle und der funktioniert sogar. Hierher, zu den Kaupen war der Revierleiter Martin Jakubick eingeteilt, weil er den kürzesten Anfahrweg, von immer noch 6 Kilometern, hatte.“