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1. Verfassungsrecht
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Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber, (wesentlich) Gleiches gleich und (wesentlich) Ungleiches ungleich zu behandeln.[24] Für den Bereich des Steuerrechts ergibt sich daraus, dass steuerliche Lasten nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu bemessen sind: danach müssen die Steuerpflichtigen im Grundsatz bei gleicher Leistungsfähigkeit rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden; eine größere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gebietet grundsätzlich eine größere steuerliche Belastung.[25] Abweichungen vom Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bedürfen (verfassungsrechtlicher) Rechtfertigung.[26] Verbreitet wurde (und teilweise wird auch heute noch) vertreten, so wie unterschiedliche Einkunftsarten oder verschiedene Berufe nicht ungleich besteuert werden dürften, sei gleich hohes Einkommen, unabhängig davon, in welcher Rechtsform es erzielt wird, im Grundsatz gleich zu besteuern; die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sei unabhängig von der Rechtsform.[27]
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Vereinzelt wird im wissenschaftlichen Schrifttum zudem argumentiert, die rechtsformabhängige Ertragsbesteuerung verletze auch grundgesetzlich verbürgte Freiheitsrechte. Die fehlende Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung beeinträchtige die Entscheidung des Steuerpflichtigen, in welcher rechtlichen Organisationsform er einer unternehmerischen Tätigkeit nachgeht, und beschränke deshalb seine durch Art. 12, 14 und 2 Abs. 1 GG gewährleistete wirtschaftliche Handlungsfreiheit.[28] Außerdem könne die rechtformabhängige Besteuerung die (negative) Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG verletzen.[29]
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Das Bundesverfassungsgericht hat entsprechende Literaturauffassungen zum allgemeinen Gleichheitssatz rezipiert, ist ihnen aber in seiner Entscheidung zu § 32c EStG a.F. nicht gefolgt.[30] Die Abschirmung der Vermögenssphäre einer Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern sei ein sachlicher Grund für die unterschiedliche steuerliche Behandlung unternehmerischer Tätigkeiten in Abhängigkeit von der Rechtsform.[31] Die Verselbständigung des Vermögens einer Kapitalgesellschaft rechtfertige die – von den Gesellschaftern unabhängige – Besteuerung des Einkommens[32] der Gesellschaft und die nachgelagerte (weitere) Besteuerung von Gewinnausschüttungen auf Ebene der Gesellschafter. Auf die freiheitsrechtlichen Erwägungen des Schrifttums ist das Gericht nicht eingegangen.
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Es erscheint fraglich, ob sich aus dieser Entscheidung ableiten lässt, dass alle Ungleichbehandlungen von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften mit Verweis auf die Rechtsform gerechtfertigt werden können. Die vorsichtigen Formulierungen im Beschluss sowie in folgenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die insoweit auf ihn Bezug nehmen,[33] legen nahe, dass das Gericht lediglich die gesonderte steuerliche Erfassung des Gewinns der Kapitalgesellschaften und der Gewinnausschüttungen dem Grunde nach für verfassungsrechtlich unbedenklich hält; zur Ausgestaltung dieser Besteuerung – insbesondere im Vergleich zur Besteuerung der Gewinne von Personenunternehmen – ist damit noch nichts gesagt.[34]
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Das steuerrechtliche Schrifttum vertritt seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 32c EStG a.F. überwiegend den (vermittelnden) Standpunkt, dass von Verfassungs wegen zwar keine absolut rechtsformneutrale bzw. -unabhängige Besteuerung geboten sei, die Unternehmensbesteuerung aber rechtsformgerecht bzw. rechtsformadäquat ausgestaltet werden müsse.[35] Das bedeutet, dass das Unternehmensteuerrecht Unterschiede zwischen den Rechtsformen abbilden darf und muss, soweit sie eine steuerliche Relevanz haben. Die zivilrechtliche Haftung des Gesellschafters einer Personengesellschaft nach § 128 HGB rechtfertigt beispielsweise jedenfalls die Zurechnung des Verlustes eines Personenunternehmens zu den (unbeschränkt persönlich haftenden) Gesellschaftern und die Möglichkeit der Verrechnung dieser Verluste mit positiven Einkünften des Gesellschafters.[36] Verfassungsrechtlich bedenklich sind hingegen die Fiktion gewerblicher Einkünfte bei inländischen Kapitalgesellschaften gemäß § 8 Abs. 2 KStG[37] und die aufgezeigte Tarifspreizung zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften, sofern sie nicht wie gegenwärtig durch § 34a und § 35 EStG abgemildert wird.