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KAPITEL ZWEI

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Riley konnte die Dringlichkeit spüren, die in der Luft hing, als sie das Büro des leitenden Spezialagenten Brent Meredith im Gebäude der Verhaltensanalyseeinheit betrat. Die gewaltige Figur Merediths zeichnete sich hinter seinem Schreibtisch ab. Vor ihm standen bereits Bill Jeffreys und Jenn Roston, ihre Reisetaschen in Hand.

Sieht ganz danach aus, als würde das eine kurze Besprechung werden, dachte Riley sich.

Sie nahm an, dass ihre zwei Partner und sie wahrscheinlich innerhalb weniger Minuten aus Quantico abfliegen würden, und sie war froh darüber, dass sie drei erneut zusammenarbeiten würden. Während ihres letzten Falls in Mississippi hatten die drei noch mehr Regeln als sonst gebrochen und Meredith hatte ihnen seinen Unmut darüber sehr klar gemacht. Sie hatte befürchtet, dass Meredith sie nach dem Fall nicht mehr zusammen zu Einsätzen schicken würde.

„Ich freue mich, dass Sie alle so schnell hierher gefunden haben“, sagte Meredith in seiner brummenden Stimme, als er sich ein wenig in seinem Bürosessel hin und her drehte. „Ich habe soeben einen Anruf von Rowan Sturman, dem leitenden Spezialagenten aus dem FBI Büro von New Haven in Connecticut. Er will unsere Hilfe. Ich nehme an, Sie haben alle von Vincent Cranstons Tod gehört.“

Riley nickte, ihre Kollegen auch. Sie hatte in der Zeitung gelesen, dass Vince Cranston, ein junger Erbe einer Multimilliardärenfamilie, gerade erst letzte Woche unter mysteriösen Umständen in New Haven umgekommen war.

Meredith fuhr fort: „Cranston hatte gerade eben sein Studium an der Yale Universität aufgenommen, seine Leiche wurde eines frühen Morgens auf der Friendship Woods Joggingroute aufgefunden. Er wollte joggen gehen und zuerst sah es ganz danach aus, als hätte sein Tod eine natürliche Ursache gehabt –– es schien, als wäre er an einer Hirnblutung gestorben.“

Bill sagte: „Ich nehme an, dass die Obduktion etwas anderes gezeigt hat.“

Meredith nickte. „Genau, bisher wurde es geheim gehalten. Der Gerichtsmediziner hatte eine kleine Wunde gefunden, dass durch das Ohr des Opfers direkt zum Gehirn führte. Er wurde anscheinend auf die Art und Weise mit einem scharfen, geraden, dünnen Gegenstand erstochen.“

Jenn schaute Meredith überrascht an.

„Mit einem Eispickel?“, fragte sie.

„So sah es aus“, antwortete Meredith.

Riley fragte: „Was war das Motiv?“

„Niemand hat irgendeine Ahnung“, antwortete Meredith. „Natürlich kann man nicht einer reichen Familie wie den Cranstons angehören, ohne sich über die Jahre mehr als genug Feinde zu machen. Es ist Teil des Erbes. Es schien naheliegend zu sein, dass der arme Junge zum Opfer eines professionellen Auftragskillers geworden war. Die Liste aller Verdächtigen abzuarbeiten erschien beinahe unmöglich. Doch dann…“

Meredith hielt inne und trommelte mit seinen fünf Fingern auf dem Tisch.

Dann sagte er: „Erst gestern wurde eine weitere Leiche gefunden. Dieses Mal war das Opfer Robin Scoville, eine junge Frau, die für eine Literaturzeitschrift in Wilburton, Connecticut arbeitete. Sie wurde in ihrem eigenen Wohnzimmer tot aufgefunden –– zuerst sah auch ihre Todesursache nach einer Hirnblutung aus. Doch auch hier hat die Obduktion eine kleine Wunde durch das Ohr und mitten ins Gehirn festgestellt.“

Rileys Verstand arbeitete wie verrückt, als sie die Information verarbeitete.

Zwei Opfer, die mithilfe eines Eispickels getötet wurden, alles in demselben kleinen Staat über einen Zeitraum von nur einer Woche.

Das klang nicht nach Zufall.

Meredith fuhr fort: „Vincent Cranston und Robin Scoville waren so unterschiedlich wie zwei Menschen nur sein können –– der eine ein reicher Erbe in seinem ersten Jahr an einer Ivy League Universität, die andere eine junge geschiedene Frau, die in bemerkenswert bescheidenen Verhältnissen lebte.“

Jenn fragte: „Wo ist dann die Verbindung?“

„Wieso würde irgendjemand die beiden Tod sehen wollen?“, fügte Bill hinzu.

Meredith erwiderte: „Das ist genau was Agent Sturman wissen möchte. Es ist jetzt schon ein scheußlicher Fall –– und er wird nur noch scheußlicher werden, wenn noch mehr Menschen umgebracht werden. Es konnte keinerlei Verbindung zwischen den Opfern festgestellt werden und es ist schwierig das Verhalten des Mörders nachzuvollziehen. Sturman hat das Gefühl, dass er und sein New Haven FBI Team komplett überfordert sind. Also rief er uns an und bat um die Unterstützung der Verhaltensanalyseeinheit. Deshalb habe ich Sie drei hierher bestellt.“

Meredith erhob sich aus seinem Sessel und brummte…

„Inzwischen haben Sie keine Zeit zu verlieren. Ein Flugzeug steht bereit und wartet auf Sie auf der Startbahn. Sie fliegen zum Tweed-New Haven Regionalflughafen, dort wird Sturman Sie empfangen. Sie machen sich dann sofort an die Arbeit. Ich muss Ihnen wohl nicht sagen, dass ich den Fall so schnell wie möglich aufgedeckt wissen will.“

Meredith hielt inne und sah jeden der Agenten eindringlich an.

„Und dieses Mal will ich, dass alle Regeln eingehalten werden“, sagte er. „Keinen Unfug mehr. Ich meine es ernst.“

Riley und ihre Kollegen murmelten kleinlaut: „Natürlich, Sir.“

Für ihren Teil meinte Riley es auch wirklich. Sie wollte sich Merediths Zorn auf keinen Fall nochmals aussetzen und sie wusste, dass auch Bill und Jenn dies nicht wollen konnten.

Meredith begleitete die drei aus seinem Büro hinaus und wenige Momente später eilten sie bereits über die Landebahn zum wartenden Flieger.

Als sie liefen, bemerkte Jenn: „Zwei Morde mit einem Eispickel, zwei scheinbar in keiner Beziehung zueinander stehende Opfer –– vielleicht sogar zufällig gewählt. Klingt das nicht unglaublich merkwürdig?“

„An Merkwürdiges hätten wir uns bereits gewöhnt haben müssen“, erwiderte Riley.

Jenn schnaubte. „Ja, hätten wir. Ich weiß nicht, wie es euch beiden geht, aber ich bin noch nicht so weit.“

Mit einem Kichern sagte Bill: „Sieh es mal so. Ich habe gehört, das Wetter soll in Connecticut um diese Jahreszeit herrlich sein.“

Jenn lachte und sagte: „Es ist sicherlich angenehmer, als in Mississippi.“

Riley verzog ihre Miene, als sie an die erdrückende und stickige Hitze in der unangenehmen Küstenstadt Rushville, Mississippi zurückdachte.

Sie war sich sicher, dass das Spätsommerwetter in New England auf jeden Fall eine zu bevorzugende Alternative darstellen müsse.

Schade, dass wir wahrscheinlich nicht wirklich die Chance haben werden es zu genießen.

*

Als das Flugzeug amTweed-New Haven Regionalflughafen landete, grüßte leitender Spezialagent Rowan Sturman Riley und ihre Kollegen auf der Landebahn. Riley hatte Sturman nie persönlich kennengelernt, doch sie hatte von ihm gehört.

Sturman war Anfang vierzig, ungefähr genauso als wie Riley und Bill. Als er jünger war, wurde er als vielversprechender, talentierter Agent gepriesen, von dem man erwartete, dass er hoch in den Ränken des FBI aufsteigen würde. Stattdessen hatte er sich damit zufrieden gegeben das FBI Büro von New Haven zu leiten. Gerüchten zufolge, hatte er einfach nicht nach Washington D.C. zum Hauptquartier oder nach Quantico, oder sonst wohin umziehen wollen. Er und seine Familie waren in Connecticut fest verwurzelt.

Natürlich, so nahm Riley an, hätte es auch sein können, dass er einfach kein Interesse daran hatte an den politischen Spielen, die in den beiden Machtzentren des FBI stattfanden, teilzunehmen.

Sie konnte das gut verstehen.

Riley gefiel es in der Verhaltensanalyseeinheit zu arbeiten, weil das Ermitteln in Fällen mit kuriosen Persönlichkeiten ihre einzigartigen Fähigkeiten beanspruchte. Doch sie hasste es, wie die Machspielchen der Hochgestellten manchmal bei den Ermittlungen dazwischenfunkten. Und sie fragte sich, wie lange es dauern würde, bis so etwas auch im Fall um den Tod eines ultrareichen Erben passieren würde.

Riley empfand Sturman sofort als freundlich und sympathisch. Während er sie zu einem wartenden Auto brachte, sprach er mit einem angenehmen New England Akzent mit ihnen.

„Ich fahre Sie direkt nach Wilburton, sodass Sie sich den Ort ansehen können, an dem Robin Scovilles Leiche gefunden wurde. Das ist der frischere der beiden Tatorte und ich habe den örtlichen Polizeichef schon informiert, damit er uns dort treffen kann. Später zeige ich Ihnen, wo Vincent Cranston umgebracht wurde. Ich hoffe wirklich, dass Sie herausfinden können, was hier vor sich geht, denn mein Team und ich verstehen gar nichts.“

Riley, Bill und Jenn saßen im Kleintransporter beieinander, als Sturman sie Richtung Norden fuhr. Jenn öffnete ihren Laptop und begann nach Informationen zu suchen.

Sturman wandte sich an Riley und ihre Kollegen: „Ich bin froh, dass Sie hier sind. Mein Team und ich kommen hier nicht weiter mit den Fertigkeiten und Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen. Wir versuchen natürlich alles, was uns einfällt. Zum Beispiel haben wir bereits Werkzeuggeschäfte in der Region kontaktiert um alle vorhandenen Informationen zu Eispickelkäufen in letzter Zeit zu beschaffen.“

„Das ist eine gute Idee“, sagte Riley. „Hat das bisher irgendwas gebracht?“

„Nein, ich befürchte, dass das eher erfolglos bleibt“, antwortete Sturman. „Zur Zeit haben wir nicht besonders viele Namen, meist handelt es sich um Leute, die ihre Eispickel per Kreditkarte bezahlt haben, oder wo die Ladenbesitzer irgendeine andere Art von Unterlagen zu den Käufen besitzen. Und auch unter diesen Leuten wissen wir nicht genau, wonach wir suchen sollen. Wir müssen wohl einfach dranbleiben und schauen.“

Riley bemerkte: „Einen Eispickel als Waffe zu verwenden erscheint mir irgendwie antiquiert.“

Sie dachte einen Moment lang darüber nach und fügte hinzu: „Andererseits, wozu ist ein Eispickel heutzutage sonst noch gut?“

Jenn blickte finster drein, als sie die Informationen, die auf ihrem Bildschirm erschienen, überflog.

Sie sagte: „Nicht zu vielem –– jedenfalls nicht in den letzten hundert Jahren, oder so. Früher, als es noch keine Kühlschränke gab, haben die Leute verderbliche Lebensmittel in altmodischen Eisschränken aufbewahrt.“

Bill nickte und sagte: „Ja, meine Urgroßmutter hat mir einmal davon erzählt. Ab und zu kam dann so ein Eismann vorbei, der einen Eisklotz für die Eisbox vorbeibrachte. Man hat dann einen Eispickel gebraucht um den Eisblock zu zerteilen.“

„Genau“, sagte Jenn. „Nachdem Eisboxen durch Kühlschränke ersetzt wurden, wurden Eispickel ein beliebtes Werkzeug bei Murder Incorporated. Die Leichen der Mordopfer hatten manchmal bis zu zwanzig Wunden von Eispickeln.“

Bill schnaubte und sagte: „Klingt irgendwie nach einem schlampigen Werkzeug für einen professionellen Auftragsmord.“

„Ja, aber es diente auch der Abschreckung“, sagte Jenn, weiterhin auf den Bildschirm gerichtet. „Niemand wollte auf diese Art und Weise sterben. Die Gefahr, mit einem Eispickel erstochen zu werden half, Mafiosi unter Kontrolle zu halten.“

Jenn drehte den Bildschirm zu Riley und Bill um ihnen zu zeigen, was sie gefunden hatte.

Sie sagte: „Außerdem, schaut mal hier. Nicht alle Eispickelmorde waren blutig und chaotisch. Ein Mafiosi namens Abe Reles war einer der meistgefürchteten Auftragskiller seiner Zeit und der Eispickel war das Werkzeug seiner Wahl. Er erstach seine Opfer fein säuberlich durchs Ohr –– genau wie unser Mörder. Er war so gut, dass manche seiner Aufträge überhaupt nicht mehr wie Morde aussahen.“

„Sag nicht“, erwiderte Riley, „dass sie nach Hirnblutungen aussahen.“

„Genau“, bestätigte Jenn.

Bill kratze sich das Kinn. „Meint ihr unser Mörder ist auf die Idee gekommen, weil er von Abe Reles gelesen hat? Dass also seine Morde vielleicht irgendeine Art Hommage an einen alten Meister sind?“

Jenn sagte: „Vielleicht, aber vielleicht auch nicht. Eispickel werden gerade wieder populär unter Gangs. Junge Gangster erledigen einander heutzutage haufenweise mit diesen Eispickeln. Sie werden sogar bei Überfällen verwendet. Opfer werden mit einem Eispickel bedroht, statt mit einer Pistole oder einem Messer.“

Bill kicherte düster und sagte…

„Gerade vor ein paar Tagen bin ich in einen Werkzeugladen gegangen, um Panzertape zu kaufen. Da habe ich einen Aufsteller mit nagelneuen Eispickeln gesehen –– ‚professionelle Qualität‘, besagte der Aufkleber, und auch ‚Hartstahl‘. Ich habe mich damals gefragt, wozu genau man sowas heute noch verwendet? Und ich weiß es bis heute nicht. Sicherlich wird nicht jeder, der Eispickel kauft, einen Mord im Schilde führen.“

„Frauen könnten die zum Selbstschutz dabeihaben, nehme ich an“, sagte Riley. „Obwohl Pfefferspray wahrscheinlich eine bessere Wahl ist, wenn ihr mich fragt.“

Jenn drehte den Bildschirm wieder in ihre Richtung und sagte: „Ihr könnt euch vorstellen, dass Versuche der Gesetzgebung den Verkauf oder Besitz von Eispickeln einzuschränken wenig Erfolg hatten. Aber einige Geschäfte führten freiwillig die Praxis Käufer dazu aufzufordern sich auszuweisen um sicherzustellen, dass diese bereits einundzwanzig Jahre alt sind. In Oakland, Kalifornien ist es sogar illegal Eispickel mit sich zu führen –– gleichsam mit Schnappmessern und anderen Hieb- und Stichwaffen.“

Rileys Gedanken überschlugen sich von der Vorstellung zu versuchen den Kauf und Besitz von Eispickeln zu regulieren.

Sie fragte sich…

Wie viele Eispickel gibt es da draußen?

Zu diesem Zeitpunkt wussten sie und ihre Kollegen von zumindest einem.

Und sein Gebrauch war der Denkbar schlimmste.

Sie kamen schon bald in der kleinen Stadt Wilburton an. Riley war angetan davon, wie antiquiert malerisch die Gegend, in der Robin Scoville gelebt hatte, war –– schöne in Schindel verkleidete Häuschen mit Fensterläden standen entlang der Straße, deren Vorgärten reihenweise von hübschen weißen Palisadenzäunen umgeben waren. Das Viertel war alt, womöglich sogar historisch. Trotzdem glänzte alles vor schneeweißer Farbe, so dass man meinen könnte, sie sei noch frisch.

Riley begriff, dass die Menschen, die hier lebten sehr stolz auf ihre Nachbarschaft waren und deren Vergangenheit bewahrten, so als lebten sie in einem Freilichtmuseum. Auf den Straßen waren nicht viele Autos zu sehen, daher fiel es ihr leicht sich das Städtchen in einer anderen Zeit vorzustellen mit Karren und Kutschen, die an den Häusern von Pferden vorbeigezogen wurden.

Dann fiel ihr ein…

Der Eismann hatte hier früher bestimmt oft seine Runde gemacht.

Sie stellte sich das sperrige Gefährt vor mit aufgetürmtem Eis und einen starken Mann, der die Blöcke mit schweren eisernen Zangen vor die Haustüren hievte. Damals besaß jede Hausfrau, die hier lebte, einen Eispickel, den sie für einen absolut unschuldigen Zweck einsetzte.

Doch die Stadt hatte vorgestern Nacht einen bitteren Verlust der Unschuld erfahren müssen.

Die Zeiten haben sich geändert, dachte Riley. Und nicht zum besseren.

Gemieden

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