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KAPITEL VIER
ОглавлениеAls Riley auf Crivaro zuging, sah er nicht einmal auf. An seinen Wagen gelehnt und mit dem Blick nach unten sagte er: „Es tut mir leid, was gestern passiert ist. Ich war ein Arschloch.“
Riley wollte ihm versichern, dass er kein Arschloch war. Aber irgendwie brachte sie die Worte nicht über die Lippen.
Ich glaube, ich bin sauer auf ihn, realisierte sie.
Diese Möglichkeit war ihr erst jetzt in den Sinn gekommen.
Sie lehnte sich neben ihn an den Wagen.
„Warum haben Sie sich so aus dem Staub gemacht?“, fragte sie.
Crivaro zuckte müde mit den Schultern.
„Es war nicht meine Absicht, dich im Stich zu lassen“, sagte er. „Zumindest glaube ich das nichts. Es war vielmehr …“
Seine Stimme versagte für einen Moment.
Dann sprach er mit gewürgter Stimme weiter. „Ich konnte den Eltern nicht gegenüberstehen. Ich konnte es einfach nicht. Nicht, nachdem wir sie so enttäuscht hatten. Ich hatte das Gefühl, einfach weg zu müssen.“
Riley war überrascht. Sie hatte angenommen, dass sie es war, mit der er nicht hatte reden wollen. Jetzt, wo sie darüber nachdachte, kam ihr diese Annahme unglaublich ich-bezogen vor.
„Hast du mit ihnen gesprochen?“, fragte er Riley.
Riley nickte.
„Wie lief es?“
Riley atmete scharf ein.
„Ungefähr so wie erwartet“, sagte sie.
„So schlimm?“
Riley nickte. „Sie waren wütend auf die Entscheidung des Richters. Und ja, sie waren auch wütend auf uns.“
„Ich kann es ihnen nicht verübeln“, sagte Crivaro. „Was hast du ihnen gesagt?“
„Dass es mir leidtut und …“
Riley zögerte kurz. Plötzlich kam es ihr schwierig vor, das zu wiederholen, was sie den Eltern gesagt hatte.
Schließlich sagte sie: „Ich habe versprochen … sicherzugehen, dass Mullins erst wieder freikommt, wenn er seine volle Zeit abgesessen hat. Ich habe versprochen, nicht zuzulassen, dass er vorzeitig oder auf Bewährung freikommt.“
Crivaro nickte.
Riley unterdrückte ein Seufzen. „Ich hoffe, ich habe kein Versprechen gemacht, das ich nicht halten kann.“
Riley hoffte, dass er etwas Ermutigendes sagen würde, aber er blieb still.
„Also, was ist los?“, fragte sie ein bisschen ungeduldig.
„Ich wollte es dir selbst sagen“, antwortete Crivaro, seine Stimme emotionsvoll. „Ich wollte nicht, dass du es von jemand anderem erfährst.“
Riley bekam ein ungutes Gefühl. Sie stand schweigend da, bis er weitersprach.
„Ich habe gekündigt“, erklärte Crivaro ihr.
„Das können Sie nicht“, platzte Riley heraus.
„Zu spät“, sagte er.
Sie suchte nach Worten. „Sie sagten, dass Sie bleiben würden, wenn ich mich der Einheit anschloss …“
„Für eine Weile, bis du angekommen bist“, beendete er ihren Satz. „Das ist fast ein Jahr her, Riley. Ich habe dir schon damals gesagt, dass ich das Alter erreicht habe, in Rente zu gehen.“
„Können Sie nicht noch warten …?“
„Nein, es ist schon endgültig. Ich komme gerade aus Erik Lehls Büro, habe meine Marke und meine Waffe abgeben und die offizielle Kündigung unterschrieben.“
„Warum?“, rief Riley mit scharfer Stimme.
Crivaro stöhnte leise.
„Du weißt genau, warum. Kannst du aufrichtig behaupten, dass ich in letzter Zeit in Bestform war? Ich werde nie wieder der Agent sein, der ich einmal war. Ich habe mein Verfallsdatum überschritten. Um überhaupt so lange im Job zu bleiben, waren besonderen Verlängerungen nötig gewesen.“
Sie schwiegen und standen beide mehrere Momente lang einfach da ohne einander anzusehen.
Schließlich sprach Crivaro weiter. „Nach der Urteilsverkündung ist mir vieles klar geworden. Es war eine Sache, Mullins nicht härter bestrafen zu können. Aber ich konnte mich nicht dazu bringen, mit den Eltern zu reden. Dieses Gefühl hatte ich zuvor noch nie, habe diesen Teil des Jobs noch nie ausgelassen. In dem Moment wusste ich, dass es vorbei war. Wie kann ich weiter böse Jungs bekämpfen, wenn ich nicht mal ihre Opfer ansehen kann? Deshalb habe ich mich aus dem Staub gemacht.“
„Ich werde mit Lehl sprechen“, murmelte Riley.
Sobald sie diese Worte ausgesprochen hatte, fragte sie sich, was sie wirklich damit meinte. Würde sie tatsächlich zum federführenden Special Agent Erik Lehl gehen und ihn darum bitten, Crivaros Kündigung zu ignorieren? Glaubte sie, damit Erfolg haben zu können?
„Ich denke, das solltest du tun“, meinte Crivaro. „Lehl will sogar selbst mir dir sprechen. Er hat mich gebeten, dich als erstes zu ihm zu schicken. Es klang so, als hätte er eventuell einen Fall für dich.“
Riley öffnete den Mund, brachte aber keine Worte heraus.
Wie konnte sie ihre Gefühle in Worte fassen?
Schließlich sagte sie stotternd: „Agent Crivaro, ich … ich denke nicht, dass ich bereit bin.“
„Du hast recht“, sagte Crivaro. „Du bist nicht bereit.“
Riley betrachtete ihren Partner überrascht.
„Hör zu, niemand ist bereit, wenn sie zum ersten Mal auf sich selbst gestellt sind. Aber du musst dich dazu bringen. Du bist die talentierteste Agentin, mit der ich jemals zusammengearbeitet habe. Deine Instinkte sind so gut wie meine und das heißt eine Menge. Niemand kann so gut in den Kopf eines Täters vordringen wie wir beide. Und du entwickelst das Können, um diese rohen Fähigkeiten zusammen zu fügen. Aber ich halte dich auf. Du verlässt dich zu sehr auf mich. Du musst lernen, dir selbst zu vertrauen. Ich hätte nie gedacht, das über einen Partner zu sagen, aber …“
Er kicherte leise.
„Du machst es dir mit mir zu bequem.“
Riley konnte nicht anders, als ebenfalls zu lachen.
„Sie machen Witze, oder?“, sagte sie.
„Ich weiß, es klingt verrückt, aber das ist die Wahrheit“, meinte Crivaro. „Ich weiß nicht, was du als nächstes brauchst, aber ich bin es nicht. Vielleicht musst du ein paar Fälle allein bestreiten. Gott weiß, dass ich das oft genug musste. Oder vielleicht brauchst du einen Partner, der absolut nicht umgänglich ist.“
Riley schüttelte den Kopf. „Das hatte ich doch schon mit Ihnen.“
„Vielleicht zu Beginn, aber dann nicht mehr. Du bist der einzige Partner, den ich je hatte, der mich ausstehen konnte. Ich bin ein launenhafter, alter Mistkerl – und du weißt es.“
Riley lächelte dünn.
Dem kann ich mich nicht widersetzen, dachte sie.
Dann schwiegen sie wieder.
Riley ertappte sich dabei, über die Fälle nachzudenken, an denen sie gemeinsam gearbeitet hatten – vor allem den in Arizona, als sie und Crivaro Undercover als Vater und Tochter ermittelt hatten. Es hatte sich überhaupt nicht wie eine Show angefühlt, zumindest nicht für Riley.
Und jetzt fragte sie sich – sollte sie ihm sagen, dass er ihr mehr ein Vater war, als ihr biologischer Vater es je auf die Reihe gekriegt hatte?
Nein, sonst fange ich an zu weinen, dachte sie. Und das würde ihn wirklich anpissen.
Stattdessen sagte sie: „Was werden Sie mit sich anstellen?“
Crivaro lachte wieder.
„Es heißt Rente, Riley. Was tut man als Rentner? Vielleicht fange ich an, Bridge zu spielen – wenn ich einen Partner finden kann, was vermutlich eher unwahrscheinlich ist. Oder vielleicht mache ich eine Kreuzfahrt durch die Karibik. Fange an Golf zu spielen. Trete einem Theaterverein bei. Oder einer Quilt-Gruppe.“
Riley lachte wieder, als sie sich vorstellte, wie Crivaro mit einem Haufen Frauen in seinem Alter Quilts nähte.
„Sie geben mir keine ernste Antwort“, sagte sie.
„Nein und vielleicht habe ich es satt, ernst sein zu müssen. Und vielleicht mag ich die Vorstellung, keine Ahnung zu haben, was ich mit dem Rest meines Lebens anstellen soll. Was auch immer es sein wird – es wird ein Abenteuer werden.“
Riley hörte einen Hauch von Unsicherheit, als er das Wort ‚Abenteuer‘ aussprach.
Er ist sich nicht sicher, dachte sie.
Er versucht, sich selbst davon zu überzeugen.
Aber stand es ihr zu, zu versuchen, seine Entscheidung zu kippen?
Crivaro sah auf die Uhr und zeigte dann auf das Gebäude.
„Du musst da rein“, meinte er. „Du willst Lehl nicht warten lassen.“
Dann legte er eine tröstende Hand auf Rileys Schulter.
„Ich melde mich, Kiddo“, sagte er. „Wahrscheinlich häufiger, als dir lieb ist.“
„Das bezweifle ich, Agent Crivaro“, sagte Riley.
Crivaro wedelte einen Finger durch die Luft.
„Hey, ich bin jetzt Rentner, schon vergessen? Kein ‚Agent Crivaro‘-Zeug mehr. Es ist Zeit, dass du anfängst, mich Jake zu nennen.“
Riley fühlte einen Knoten in ihrem Hals.
„Okay … Jake“, sagte sie fast flüsternd.
Als er seine Wagentür öffnete, wies er sie erneut an: „Und jetzt geh da rein, an die Arbeit.“
Als Riley begann, davonzulaufen, drehte sie sich erneut um, als sie seine Stimme hörte.
„Hey, das Versprechen, das du gestern im Gerichtssaal gemacht hast … das war genau das Richtige. Und ich wünschte, ich hätte es gesagt. Ich weiß, dass du dir deshalb Sorgen machst, aber du wirst dieses Versprechen einhalten. Das weiß ich. Und – wenn ich lange genug lebe – werde ich alles tun, um dir dabei zu helfen.“
Crivaro startete seinen Wagen und verließ den Parkplatz.
Riley sah ihm zu, wie er davonfuhr, noch immer entschlossen, nicht zu weinen.
Dann ging sie auf das Gebäude der Verhaltensanalyseeinheit zu, um mit Lehl zu sprechen.