Читать книгу Tochter der Diebin - Bo R. Holmberg - Страница 10

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Alle Wiesen sind nun gemäht, nur die abgelegenen Wiesen in Moor und Wald nicht. Das Futter ist trocken und muss in die Scheune, für einige Wochen hat Kerstin also noch Arbeit.

Aber mit jedem Tag kommt der Augenblick, in dem die Heuernte vorbei ist, näher, und vor dem Augenblick fürchtet sie sich.

Eines Morgens folgt sie Jon hinaus ins Moor, er mäht, und sie recht das Gras zusammen.

Er wischt sich den Schweiß von der Stirn und streicht sich die lockigen Haare aus dem Gesicht, das mit der Sonne um die Wette leuchtet. Sie machen nicht viele Worte, aber sie spürt eine besondere Ruhe, wenn sie mit ihm arbeitet. Das kommt von seinem gutmütigen Gesicht, am meisten jedoch von seinen Augen. Die schauen sie so still an, und noch nie hat er ein Wort darüber gesagt, dass sie die Tochter der Diebin ist. Sonderbar ist das.

So sollten die Tage sein, die Unruhe ist verstummt.

Jon reicht ihr den Becher mit Quellwasser.

»Wir haben gut gearbeitet«, sagt er und rückt seinen Hut zurecht.

Und das haben sie, auch wenn das Riedgras dünn und hart ist. Sie wünscht sich, dass es so schön bleiben möge, alle Tage, und möchte die lange Wanderung nach Hause ausdehnen. Die Sonne brennt auf sie nieder, und bald gibt es Essen. Jon geht wieder voran.

Als der Tag vorbei ist, läuft sie quer über die Wiesen und an der Lichtung vorbei, wo sie Erik getroffen hat. Die Lichtung ist leer.

In der Kate sitzt Gullik Andersson. Er ist der Einzige, der sie hin und wieder besucht. Manchmal bildet Kerstin sich ein, er wär der Vater von Margareta.

Er hat Augen, die niemanden direkt ansehen.

Aber Mutters Augen folgen ihnen und versuchen, sie festzuhalten.

In der Kate verschwinden die Ruhe und Geborgenheit des Moores.

Spät am selben Abend entdeckt sie das Versteck unter der Treppe.

Und da weiß sie es, sie geht zu ihrer Mutter, die am Herd steht und in einem Topf rührt. Als Kerstin hereingestürzt kommt, dreht sie sich um.

Kerstin hebt die Hand, sie schlägt zu. Ein Schlag in das Gesicht ihrer Mutter. »Ich habe dein Diebeslager entdeckt!«, schreit sie. »Ich hab es gesehen.«

Anna packt Kerstin und stößt sie aus dem Raum, und dann schlägt sie zu. Ein harter Schlag direkt ins Gesicht, sodass das Blut aus ihrer Nase schießt. Sie verliert das Gleichgewicht und fällt auf den Boden. Zusammengekrümmt liegt sie da, die Arme zum Schutz um sich geschlungen. Über ihr keucht Anna:

»Du schlägst deine Mutter nicht! Wie kannst du es wagen!«

Und die Tochter flüstert ihre Entschuldigung, der Zorn ist fort, nur die Verzweiflung ist noch da, aber sie muss ja ihrer Mutter glauben. Sie wendet ihr das Gesicht zu, als ob sie nach einer Bestätigung suchte, dass sie sich getäuscht habe. Aber Anna ist zu ihrem Topf zurückgekehrt, Kerstin bekommt keine Antwort mehr. Sie bleibt auf dem Boden sitzen. Aus dem Bett im Alkoven schauen die Kleinen sie an. Sie verdrängt ihre Verzweiflung. Was sie unter der Treppe gefunden hat, ist alt, Sachen, für die die Mutter schon ihre Strafe bekommen hat. Sie hat in Nätra gearbeitet, so ist das. Sie hat nur Essen gestohlen und immer nur dann, wenn sie selbst nichts hatten. Und sie erhebt sich und geht hinüber zum Herd, doch Mutter wendet sich von ihr ab. Kerstin möchte sie berühren, zeigen, dass sie ihr glaubt und dass alles wieder gut sein soll. Wieder und wieder bittet sie flüsternd um Verzeihung, und kriecht dann zu den Kleinen ins Bett.

Per streichelt ihr über den Rücken, sie hört Elsas leises Atmen. Sie drückt die Kleinen an sich und schließt die Augen. Sie sehnt sich nach Ruhe, nach Schlaf, der ihren Verdacht begraben wird.

Tochter der Diebin

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