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Kapitel 51: Auf dem Kriegspfad

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Im Mai 1994 sollte Bastian fünf Jahre alt werden. Ich erinnerte mich, wie ich als Kind nie Spielkameraden einladen durfte. Und deshalb sagte ich ihm, dass er alle seine Kumpels einladen dürfte. Nur mehr als zehn sollten es nicht sein.

Ina meinte den Kindergeburtstag unter ein Motto stellen zu müssen und hatte sich dafür bereits ein Thema ausgedacht. »Indianer-Geburtstag«!

Sie würde mit den Kindern zu Beginn Stirnbänder basteln, die dann mit Buntstiften bemalt werden sollten. Und so fing sie dann auch an, Federn für den Kopfschmuck zu sammeln. Wenn sich die Kinder auch noch mit Schminke eine Kriegsbemalung anlegen könnten, wäre die Rasselbande gut beschäftigt. Man musste nur den Eltern vorher sagen, dass nicht unbedingt das tollste T-Shirt oder das schönste Hemd angezogen werden sollte. Denn Schminke in Kinderhand sorgt immer für Flecken auf der Kleidung.

Sie dachte sich eine Menge Spiele aus, die wir mit den Kindern veranstalten würden.

Wochen vor Bastians Geburtstag hatte Ina noch zusätzlich einen kleinen Reiterhof in unserer Gegend aufgesucht. Eine Arbeitskollegin hatte ihr erzählt, dass dort ein Blockwagen vorhanden sei, vor den zwei Ponys gespannt werden könnte. Das würde gut zu Indianern passen! Und so organisierte Ina auch noch eine Kutschfahrt für die Kinder.

Es wurde eine feste Zeit ausgemacht, zu der die Pony-Kutsche vor unserem Haus ankommen sollte. Dann könnten die Kinder einsteigen und man würde über die Wege der anliegenden Felder rollen. »Wichtig ist, dass keine Langeweile bei den Knirpsen aufkommt«, sagte mir Ina immer wieder. »Dann wird es ein toller Nachmittag.«


Ich hatte die Idee ein Kasperle-Theaterstück aufzuführen. Denn Bastian bekam ab seinem ersten Geburtstag von Doris immer eine Kasperle-Handpuppe geschenkt. Nun waren außer dem Kasper, bereits ein Krokodil, ein Polizist, eine Prinzessin, ein König und ein Räuber vorhanden. Allesamt waren das wunderschön handgeschnitzte Holzfiguren.

Ich erzählte Doris von meinem Vorhaben und sie war ebenfalls Feuer und Flamme für die Idee. Wir beide würden zusammen das Stück aufführen und Ina könnte die Kinder in der Zeit beaufsichtigen.

Da ein Theaterstück natürlich eine Geschichte braucht, setzte ich mich hin, schrieb ein kleines Drehbuch und Ina nähte währenddessen einen Vorhang. Wir hatten uns nämlich überlegt, unsere geöffnete Terrassentür als Bühne einzurichten.

Für die untere Hälfte sägte ich passgenau eine Holzplatte zu, und die obere Hälfte sollte dann mit dem Vorhang verhängt werden.

Jetzt fehlten also nur noch wechselbare Kulissen.

Aber auch das sollte kein Problem darstellen. Denn nachdem ich mein Drehbuch fertiggeschrieben hatte, nahm ich mir drei Tapetenstücke, brachte oben und unten eine Holzleiste an, und malte mit Plakafarben meine Hintergrundmotive. Einen Wald, den Innenraum einer Burg und natürlich auch eine Ansicht von unserer Stadt, mit der Rendsburger Eisenbahnhochbrücke. Zu guter Letzt bastelte ich noch eine Aufhängvorrichtung und fertig war das Kasperletheater!


Von den ganzen Vorbereitungen durfte Bastian natürlich nichts mitbekommen. Und so beschäftigten wir uns Abend für Abend mit den Vorbereitungen, wenn Söhnchen bereits schlief.

Es machte uns viel Spaß und wir freuten uns auf den Tag, an dem unser Sohn sein Wiegenfest feiern sollte. Trotzdem war es ein Wahnsinn, welchen Aufwand wir betrieben. Vielleicht war es aber auch nur das Bedürfniss unsere eigenen, schmerzlich vermissten Geburtstage aus Kindertagen nachholen zu können.


Wenige Tage vor Bastians Geburtstag wurde es draußen immer wärmer. Der Wetterbericht hatte sommerliche Temperaturen vorausgesagt. Was hatte unser Junge doch ein Glück! Seit seiner Geburt war es pünktlich am 13. Mai immer sonnig und warm gewesen. Als hätte irgendjemand speziell für diesen Tag herrliches Wetter bestellt. Und daher planten wir für diese Zeit grundsätzlich immer eine Woche unseres Jahresurlaubs ein.


Am Geburtstagmorgen standen Ina und ich früh auf und stellten die Geschenke ins Wohnzimmer. Bastian sollte diesmal sein erstes Fahrrad bekommen. Nun stand das prachtvolle Gefährt inmitten unseres Wohnzimmers und war mit einer riesigen Schleife verziert.

Bastian schlief noch fest und Ina versorgte Marisa.

»In vier Monaten feiert unsere Kleine auch ihren ersten Geburtstag«, sagte ich zu Ina, die Marisa gerade mit breiigem Zeugs fütterte.

»Wie schnell die Zeit doch vergeht«, dachte ich laut.

»Ja, und nächstes Jahr geht Bastian zur Schule«, erwiderte sie.

»Ist schon irgendwie schade. Von mir aus könnten beide immer so klein bleiben«, bemerkte ich etwas wehmütig.


Leise gingen wir die Treppe hinauf ins Kinderzimmer.

»Bastian!«, Ina streichelte sein Gesicht, »Aufwachen! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.«

Er rieb sich verschlafen die Augen und strahlte. Mit einem Schlag war er hellwach. Ina nahm ihn in die Arme und drückte ihm einen Kuss auf.

»Herzlichen Glückwunsch, mein Schatz«, sagte auch ich und kitzelte ihn am Bauch und unter den Armen.

Nach kurzem Toben ging’s dann runter ins Wohnzimmer.

»Ein Fahrrad!«, jauchzte Bastian und stürmte die letzten Stufen hinunter. Und auch wir freuten uns, als wäre es unser eigener Geburtstag.

»Nach dem Frühstück kannst Du es draußen ausprobieren«, sagte Ina und begann den Tisch zu decken. »So lange musst Du allerdings noch warten. Nicht dass Du uns die Möbel zu Schrott fährst!«


Gegen Mittag traf auch Doris ein, um uns bei dem bevorstehenden Event zu unterstützen. »Event« war wohl der richtige Ausdruck, denn schon wenig später trudelten nach und nach alle Kinder ein, die Bastian eingeladen hatte. Es war ein unheimliches Gewusel und wir hatten alle Hände voll zu tun, um die Kids beisammenzuhalten.

Ich hatte bereits unser Carport geräumt und dort Tische und Stühle aufgestellt. Ina schleppte bunte Torten heran, die sie gebacken und liebevoll verziert hatte. Dann stellte sie noch jede Menge Naschkram dazu. Tortenstücke wurden verteilt, Limonade, Cola und Orangensaft wurde eingeschenkt. Dann setzten wir Erwachsenen uns dazu und genossen in einer kurzen Phase der Ruhe unseren Kaffee.


Es war jetzt richtig war geworden. Ina, Doris und die Kinder versammelten sich auf dem Rasen und begannen mit dem Basteln der Stirnbänder. Die Knirpse hatten sichtlichen Spaß am Zuschneiden und Bemalen. Und ihre Gesichter schmückten bunte Farbstriche. Die Indianer waren auf dem Kriegspfad!

Danach wurden allerlei Spiele veranstaltet. Topfschlagen, Sackhüpfen, Seilspringen und noch vieles mehr. Und ich baute in der Zwischenzeit das vorbereitete Kaperle-Theater auf. Als alles perfekt eingerichtet war, läutete ich die Glocke. Alle Kinder setzten sich in die kleinen Stuhlreihen auf der Terrasse. Und dann öffnete Ina den Vorhang.


Es war toll zu sehen, mit welcher Begeisterung die Kinder die Vorführung verfolgten. Doris und ich hatten unsere Dialoge auswendig gelernt und gaben unser Bestes. Immer wieder mussten wir improvisieren, um auf die Zurufe der Kinder zu reagieren.

Wenn der Räuber, der sich mit dem Krokodil verbündet hatte, die Prinzessin entführen wollte, wurde diese lautstark von der Rasselbande gewarnt. Ina musste manchmal sogar aufpassen, dass nicht die Bühne gestürmt wurde.

»Oh, so viele Indianer«, sagte das Krokodil. Und der Räuber flüsterte: »Da müssen wir vorsichtig sein, denn Indianer sind gefährlich!«

Doris und mir lief hinter der Bühne der Schweiß von der Stirn. Es machte wahnsinnigen Spaß mit den Handpuppen zu agieren. Aber anstrengend war es schon, kniend hinter dem Vorhang unser Stück aufzuführen. Und manchmal amüsierten wir uns selbst über unsere lustigen Dialoge.


Kurz vor Ende unserer Vorführung rief Ina dann plötzlich: »Die Kutsche ist da! Alle Indianer zur Straße!«

Wir beendeten das Theaterstück in Kurzform und Ina setzte sich mit der ganzen Bande in den Planwagen. Ein kurzes Winken und die Ponys trabten an. Nun hatten Doris und ich eine gute Stunde Zeit etwas aufzuräumen, und uns eine Tasse Kaffee zu genehmigen. Diese Stunde Pause hatten wir allerdings auch bitter nötig. Wir waren ziemlich geschafft. »Das hat ja bisher super geklappt«, bemerkte ich erleichtert.


Nach einer Stunde war die Kutsche mit den Kindern wieder da. Mit strahlenden Gesichtern kamen sie uns entgegengelaufen. Die Ponys wurden noch von einigen gestreichelt, bevor sich die Kutsche wieder auf den Weg machte.

Jetzt servierten wir Hot-Dogs und Würstchen - und einige Zeit später holten die Eltern ihre Kinder nach und nach ab. Obwohl der Nachmittag auch uns Erwachsenen viel Spaß gemacht hatte, waren wir doch froh, die Feier hinter uns gebracht zu haben. Doch das Aufräumen des Tohuwabohu nahm noch eine geraume Zeit in Anspruch.

Als Ina und ich spät am Abend im Wohnzimmer saßen und ein Glas Rotwein genossen, fühlten wir uns vollkommen ausgepowert.

»Gott sei Dank ist das nur einmal im Jahr«, sagte Ina erleichtert.

»Nee, zweimal!«, bemerkte ich. »Marisa ist irgendwann auch soweit.«


Wenn die Tage ihre Farbe verlieren - Band 2

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