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1.1Zum Begriff der Öffentlichen Finanzwirtschaft
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Was ist öffentliche Finanzwirtschaft? „Öffentlich“ ist, was das (staatliche) Gemeinwesen betrifft und der Allgemeinheit zugänglich ist. „Finanzen“ sind Geld. „Wirtschaften“ ist das (planmäßige) Einsetzen knapper Güter zur Befriedigung von Bedürfnissen.
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Also ist „Öffentliche Finanzwirtschaft“ die Lehre davon, wie der Staat sein Geld beschafft, verwaltet und verwendet, um die Bedürfnisse der Allgemeinheit zu befriedigen.
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Die öffentliche Finanzwirtschaft ist die finanzielle Grundlage des Verwaltungshandelns. In den Ländern mit freiheitlich-demokratischer Grundordnung der selbstständige verfassungsrechtliche Funktionsbereich des Staates und der ihm eingegliederten Träger öffentlicher Verwaltung, der unter Beachtung gesamtwirtschaftlicher Zwecke auf die Erzielung von Einnahmen zur Deckung des durch die Erfüllung öffentlicher Aufgaben entstehenden Finanzbedarfs gerichtet ist und diese Ausgabenwirtschaft einschließlich der Prüfung aller relevanten Finanzvorgänge hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit umfasst.[1]
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Der Staat wirtschaftet nicht mit dem Ziel der Überschusserzielung oder Kapitalvermehrung. Er soll vielmehr
ein transparentes und nachvollziehbares Bild seiner Finanzwirtschaft vermitteln (Transparenzfunktion),
im Innenverhältnis seiner Staatsgewalten sicherstellen, dass die Legislative das Handeln der Exekutive steuert (Steuerungsfunktion, Budgethoheit),
den Bedarf an öffentlichen Gütern und Dienstleistungen befriedigen (Bedarfsdeckungsfunktion),
seine Finanzwirtschaft konjunkturgerecht gestalten (gesamtwirtschaftliche/konjunkturpolitische Funktion),
die Umverteilung von Einkommen oder Vermögen durch seine Geldbeschaffung und -verwendung sozialadäquat gestalten (sozialpolitische Funktion),
die politischen Schwerpunkte entsprechend der Mehrheitsverhältnisse abbilden (regierungspolitische Funktion, „Regierungsprogramm in Zahlen“) und
eine für zukünftige Generationen tragfähige staatliche Vermögensstruktur sicherstellen (Nachhaltigkeitsfunktion).
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Die öffentliche Finanzwirtschaft kann als Wissenschaftsobjekt unterschiedlicher Disziplinen betrachtet werden. Besonderes Interesse findet sie dabei in den Rechts-, Wirtschafts- und übrigen Gesellschaftswissenschaften.
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Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Staatsfinanzen (Staatsquote 2020: 51,3%[2]) rückt sie in den Fokus der Volkswirtschaftslehre; Finanztheorie und Finanzwissenschaft entwickeln bzw. untersuchen Modelle zu den Auswirkungen der öffentlichen Finanzwirtschaft auf die gesamte Volkswirtschaft.[3]
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Betriebswirtschafts- und Organisationslehre betrachten die staatlichen Stellen als einzelwirtschaftliche Akteure; sie liefern Modelle und Untersuchungsmethoden etwa zur Aufbau- und Ablauforganisation, zu Kostenrechnung und Controlling.
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Beschaffung, Verwaltung und Verwendung der Staatsfinanzen unterliegen Vorschriften. Verfassungen von Bund und Ländern bilden die Grundlage, auf der einfachgesetzliche Regelungen und zuletzt Verwaltungsvorschriften aufbauen. Inter- und supranationale Regelungen betten die Staatsfinanzen und -beziehungen ein. Das macht die öffentliche Finanzwirtschaft zum Betrachtungsobjekt des Völker-, des Staats- und Verfassungsrechts, des Verwaltungs- und des Privatrechts (z.B. Sonderprivatrecht des Staates).
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In Politikwissenschaft (insbesondere im Bereich der Finanzpolitik), Geschichtswissenschaft und den übrigen Sozialwissenschaften zieht man Staatsfinanzen als Datenquellen heran oder stellt sie in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Fragestellungen.