Читать книгу RITUAL - Brian Lennox - Страница 6
3. Kapitel
Оглавление»Rita! Wo sind Sie?«
»Hier, Mister Sanchez! Hier drüben! Kommen Sie schon. Es ist unglaublich!«
Ihre Stimme klang gedämpft. Das ließ ihn darauf schließen, dass Rita bereits tiefer in die Schluchten hineingelaufen sein musste. Er überlegte einige Augenblicke, wog das Risiko ab. Ein neuerlicher Anfall mitten im Niemandsland ...
Er brauchte nur wieder in den Pick-up steigen und nach Hause zu Gloria fahren. Ein verlockender, beruhigender Gedanke. Doch das würde das Ende seiner Karriere bedeuten, wenn er Rita hier draußen ihrem Schicksal überließ. Dann könnte er sofort seine Zelte abbrechen und von hier für immer verschwinden.
Er könnte auch im Wagen warten, bis Rita klar wurde, dass er nicht interessiert war. Früher oder später würde sie dann zurückkommen und sie würden in die Stadt weiterfahren. Ein Warten auf sie würde sogar von edler Geduld zeugen, gut in seinen Plan passen.
Das kannst du dir abschminken. Sie ist jung und strotzt voller Energie. Sie wartet, bis du gesehen hast, was sie dir zeigen möchte.
Ramon seufzte. Schließlich kam er zu der Überzeugung, dass er keine andere Wahl hatte. Er musste hinter ihr her, sich ansehen, was sie für so unglaublich hielt. Er würde sich überwältigt zeigen, mit Rita zum Wagen zurückkehren und so schnell wie möglich nach Santa Fe zurückfahren.
Mit noch schwerem Atem machte er sich auf den Weg in die felsige Waldlandschaft. Je anstrengender der Weg wurde, umso fester schwor er sich, nie wieder bei einem gestrandeten Wagen anzuhalten und seine Hilfe anzubieten.
»Alles klar, Rita!«, rief er in die Dunkelheit vor sich hinein. »Ich bin am Weg! Welche Richtung?«
»Hier drüben, Mister Sanchez! Machen Sie schnell. Sie dürfen das auf keinen Fall verpassen!«
Ritas Stimme drang belegt durch die Felswände, mal lauter, mal leiser. Während Ramon ihr folgte, bemerkte er, dass er sich trotz seines geschwächten Zustands immer schneller vorwärtstrieb. Er verfluchte jedes überschüssige Kilo Körpergewicht, das er mit sich schleppen musste. Sport war nie ein Thema für ihn gewesen, lieber frönte er da schon den leiblichen Genüssen des Lebens. Das sagenhaft große Porterhousesteak im Old Bacons kam ihm in den Sinn. Doch ihm lief nicht das Wasser im Mund zusammen bei diesem Gedanken, sondern der Schweiß von der Stirn. Sein Herz pochte mit jedem Schritt heftiger, sein Atem wurde kürzer.
Komm schon, Ramon ... Reiß dich zusammen.
Ramon kämpfte sich weiter vorwärts, zwängte sich durch eine schmale Felsnische, bahnte sich den Weg durch niedriges Buschwerk und schleppte sich keuchend einen hügeligen Anstieg hinauf. Die Dunkelheit zwischen den Klippen und Wäldern war fast undurchdringlich, stets hielt er einen Arm ausgestreckt, um sein Gesicht vor schafkantigen Felsbrocken und peitschenden Zweigen zu schützen.
»Rita!«, brüllte er keuchend, als er eine kleine Schlucht erreichte. »Wo sind Sie? Dieses Tempo ist für meine Kondition ... pfff!« Er wollte ›zu hoch‹ sagen, doch da trat er in eine Felsspalte am Weg, stürzte und schlug mit dem Gesicht voran auf dem harten Geröllboden auf.
Für einen Moment blieb er mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen, seine Finger krallten sich in den sandigen Untergrund. Feine, vom Wind messerscharf geschliffene Felssplitter schnitten in seine Handflächen. Er schüttelte sie ab, atmete durch und zog sich an einem Felsen auf die Beine hoch. »Ahhh!« Der Schmerz stach wie tausend Nadeln, als er den rechten Fuß belasten wollte. Ramon knickte ein - gebrochener Knöchel. Noch während er die Zähne zusammenbiss, bemerkte er im Augenwinkel diese ...
Was um alles in der Welt ist das denn?
Ramon traute seinen Augen nicht. Nur wenige Schritte vor ihm bewegte sich etwas in der Dunkelheit. Eine Silhouette schälte sich aus der Finsternis. Er blinzelte einige Male und sah noch einmal hin. Nein, sie war nicht nur wenige Schritte von ihm entfernt, sie stand am anderen Ende der runden, von Felsen umringten Lichtung.
Und es war keine menschliche Gestalt.
Es war ein ...
Verdammt noch mal, was ist das?
Was immer es war, es kam direkt auf ihn zu.
Ramons Gesicht wandelte sich zu einer Grimasse aus ungläubiger Verwunderung. Hinkend wich er einen Schritt zurück. Er wusste nicht, was ihm da gegenüberstand - und er wollte es auch überhaupt nicht wissen.
»Rita!«, rief er instinktiv.
Stille.
Er wusste nicht, wo Rita war, aber im Moment war ihm das auch mehr als egal. Er wollte nur noch eines: zu Gloria, nach Hause.
Es knirschte vor ihm und er wich einen weiteren Schritt nach hinten, drückte sich rücklings an eine Felswand.
Eine hünenhafte Gestalt trat ihm aus der Dunkelheit entgegen.
Das fahle Mondlicht fiel auf ein Gesicht, das Ramon für einen Augenblick den Atem aussetzen ließ. Die leblos dunklen Augen lagen in tiefen knochigen Höhlen, die Haut war abgezogen, wo Nase und Mund sitzen sollten, schimmerte ihm ein blanker Totenschädel entgegen, der ihn mit bleckenden Zähnen anstarrte. Eine Maske? Eine rituelle Gesichtsbemalung?
Ramon, der zu geschockt war, um auch nur einen klaren Gedanken zu fassen oder einen Laut hervorzubringen, drückte sich noch fester gegen die Felsen.
Dann sah er die Axt.
Die Gestalt hob das Beil und endlich löste sich die Lähmung in Ramons Stimmbändern. Ein todesängstlicher Schrei gellte in die Nacht, wurde jedoch von der Schlucht gefangen gehalten. Das Echo vermengte sich mit dem lüsternen Grunzen der Kreatur, dann sah Ramon die Axtklinge aufblitzen und wusste, dass dies das Letzte war, was er in seinem Leben ...
Seine Gedanken brachen jäh ab und eine unwirkliche Dunkelheit griff nach ihm, in der Sekunde, als die Klinge des Beils seine Kehle durchschnitt und die Halswirbelsäule durchtrennte.