Читать книгу Querbeet - Бруно П. Кремер - Страница 37

Tulpen, Gladiolen oder Kohlblätter, dazu auch Blaubeeren und Zwetschgen zeigen es unübersehbar: Viele Pflanzenteile sind durch wachsartige Überzüge einfach unbenetzbar. Diese abwischbaren Beläge – man nennt sie Epicuticularwachse, weil sie auf der äußersten Blattschicht, der Cuticula, liegen – bilden jedoch keine filmglatten Schichtbeläge, sondern bestehen in der mikroskopischen Dimension aus überraschend vielgestaltigen Kleinststrukturen. Diese haben nun die bemerkenswerte Eigenschaft, auftropfendes Regenwasser einfach hemmungslos und rückstandsfrei abrollen zu lassen. Die natürliche Rauigkeit der winzigen Wachskristalloide verringert dabei die Haftwirkung zwischen Oberfläche und Wasser so sehr, dass nur noch die Kohäsionskräfte des Wassers die Raumgestalt bestimmen und sofort die Tropfenform erzwingen.

Die praktische Bedeutung solcher Wasser abweisender Blattoberflächen hat man bislang überwiegend als Verdunstungsschutz oder als Schutzschild gegen schädliche UV-Strahlung gedeutet. Die abstreifbaren Blattwachse leisten jedoch, wie Bonner Botaniker herausfanden, wohl in erster Linie eine hochwirksame Selbstreinigung. Das zuverlässig abtropfende Regenwasser wäscht – wie Experimente auch an Rotkohl und am Kohlrabi ergaben – alle möglichen Partikeln ab und hält damit die Oberflächen sauber – auch von Bakterien oder Mikropilzen, die Pflanzenkrankheiten hervorrufen könnten. Nach der Lotuspflanze, die in Ostasien schon immer als Symbol der Reinheit galt und an der man die Physik des Wasserabperlens genauer erforschte, nennt man diese erstaunliche Selbstreinigung von Pflanzenorganen Lotus-Effekt.Bei den langlebigen Blattorganen tropischer Pflanzen verhindert dieser Effekt zudem die Ansiedlung von Algen, Moosen und Flechten, die die tieferen Blattgewebe beschatten und damit die photosynthetische Stoffproduktion behindern würden.

Wasser, wisch und weg wird von der Natur offenbar mehrfach eingesetzt: Eine ähnlich gute und automatische Selbstreinigung durch „nasses Abstauben“ kommt unter anderem bei Libellen und anderen Insekten mit großen Flügeln vor, die mit den Beinen nicht flächendeckend zu reinigen sind. Nicht rasch genug abperlendes Wasser würde in solchen Fällen auch die Flugfähigkeit der Tiere beeinträchtigen.