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Die Erde – ganz exakt vermessen

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Wenn die Erde tatsächlich eine (angenäherte) Kugelgestalt aufweist, ist natürlich auch das Wissen von ihrer tatsächlichen Größe von Interesse. Bereits im Altertum gab es dafür entsprechende Bestimmungsversuche. Die erste zuverlässig überlieferte Ermittlung des Erdradius führte der aus dem heutigen Libyen stammende Astronom Eratosthenes (ca. 284 bis 202 v. Chr.) in Ägypten durch: Er verglich die Winkelhöhen des sommerlichen Sonnenhöchststandes zur Mittagszeit in Alexandria und Syene (heutiges Assuan). Beide Orte liegen ungefähr auf dem gleichen Meridian und unterscheiden sich in der geographischen Breite um 7,2°. Mit einer einfachen trigonometrischen Rechnung ermittelte Eratosthenes daraus den Erdumfang von 250.000 Stadien. Weil das antike Längenmaß Stadion jedoch nicht unbedingt exakt festgelegt war und mit 150 bis 200 m angegeben wird, liegt der daraus rechnerisch abgeleitete Erdradius irgendwo zwischen 6000 und 8000 km – angesichts der damals verfügbaren Methoden sicherlich keine üble Erstlösung. Der arabische Mathematiker Abu r-Raihan Muhammed ibn Ahmad (auch Beruni genannt, 973 bis 1050 n. Chr.), einer der vielseitigsten Gelehrten der islamischen Welt im frühen Mittelalter, verfeinerte den Erdradius im Jahre 1023 gar schon auf 6339,6 km. Damit war die Größe der Erde bereits zu Beginn des Entdeckerzeitalters erstaunlicherweise bis auf einige Prozent genau bekannt.


2.9 Strand und Küste sind nicht das Gleiche. Für die verschiedenen Teilbereiche besteht ein genaueres Begriffssystem: MTHw – Mitteltidenhochwasserlinie, MTnw – Mitteltidenniedrigwasserlinie (S. 68).

Frankreich spielte in der Geschichte der weiteren und noch genaueren Erdvermessung eine besondere Rolle. Eine der ersten Gradmessungen unternahm im Jahre 1524 der französische Arzt Jean François Fernel (1497 bis 1558), ab 1556 Leibarzt Henri II. in Fontainebleau, auf einer geraden und ziemlich genau nord-südlich von Amiens nach Paris verlaufenden Straße. Der Breitenunterschied zwischen beiden Orten (etwa 1°) war seinerzeit bereits bekannt. Die genaue Weglänge ermittelte der Mediziner mithilfe seines Reisewagens: Er zählte während der Fahrt ganz einfach die Umdrehungen eines markierten Wagenrades, brachte eine geschätzte Korrektur wegen der Wegeneigung durch Täler und Hügelland an und kam immerhin auf einen durchaus vertretbaren Wert von (umgerechnet) etwa 110 km. Die gleiche Straße, genauer den Abschnitt zwischen Sourdon (südlich von Amiens) und Malvoisine (nördlich von Paris) verwendete Jean Picard (1620 bis 1682) für die erste exakte Meridianmessung nach der von dem Niederländer Willebrord Snel van Royen (latinisiert Snellius, 1580 bis 1626) eingeführten Triangulationsmethode mit Fadenkreuz und Fernrohr. Den Erdumfang errechnete er zu 39.800 km – das sind nach heutiger Kenntnis tatsächlich nur etwa 0,5 % zu wenig.

Sogar der berühmte Isaac Newton (1643 bis 1727) hat den Picard’schen Wert für seine himmelsmechanischen Berechnungen der Erdbewegung(en) verwendet und kam außerdem zu dem Schluss, die Erde müsse wegen ihrer Drehbewegungen ein von der idealen Kugelgestalt abweichender Rotationskörper sein. Dafür gab es zu diesem Zeitpunkt auch schon die unmittelbare Anschauung: Mit verbesserten astronomischen Fernrohren erkannte man im frühen 17. Jahrhundert, dass auch die Riesenplaneten Jupiter und Saturn keine ganz exakten Kugeln darstellen, sondern an den Polen etwas abgeplattet sind. Somit lag der Schluss nahe, dass dies ebenso für den allmählich als solchen akzeptierten Planeten Erde gilt. Der ganz genaue und direkte Nachweis sollte durch eine möglichst exakte Gradmessung erbracht werden, denn wegen der unterschiedlichen Oberflächenkrümmung eines Ellipsoids muss der Abstand zwischen zwei äquatornahen Breitenkreisen geringer sein als zwischen zwei polnahen. Daher ließ die Pariser Akademie der Wissenschaften in den Jahren 1735 bis 1744 je eine Expedition nach Lappland und nach Peru durchführen. Die dabei vorgenommenen Gradmessungen ergaben tatsächlich Unterschiede und verhalfen mit ihrer beachtlichen Genauigkeit im Bereich von 0,02 % so der zunächst noch umstrittenen Abplattungstheorie zum endgültigen Durchbruch. Die Unterschiede der Achsenabmessungen sind mit 1 : 298,25 oder 3,335 ‰ nicht allzu beträchtlich, aber folgenreich. Wie groß der daraus bestimmte Erdradius nun tatsächlich ist, hängt wiederum vom verwendeten kubischen Modell der Erde ab. Die heute häufig verwendeten Werte sind in Tabelle 2 dargestellt.

Heute nimmt man den Breitenabstand zwischen dem Pol und dem 89. Breitengrad mit 111,7 km an, den zwischen Äquator und dem 1. Breitengrad mit 110,6 km. Den 60. Teil vom Durchschnittsabstand zwischen zwei Breitenkreisen (= 111,15 km), entsprechend 1 Bogenminute auf einem Meridian, legte man übrigens praktischerweise als Einheit für die Seemeile (sm) fest: 1 sm = 1,852 km.

Die französischen Gradmessungen in Lappland und in Südamerika sind aus einem weiteren Grund bemerkenswert: Sie waren nämlich der unmittelbare Anlass für die Suche nach einem genauen und wissenschaftlichen Kriterien genügenden Längenmaß. Die zuvor verwendeten Längenmaße waren allesamt willkürlich festgelegt und variierten regional so stark, dass zuverlässige Vergleiche kaum möglich waren. Nachdem Gestalt und Größe der Erde einigermaßen und für damalige Verhältnisse erstaunlich genau bekannt waren, führte der französische Nationalkonvent am 7. April 1795 als verbindliche neue Längeneinheit den Meter (m) als den zehnmillionsten Teil eines Erdquadranten ein – der kürzesten Verbindungslinie zwischen Pol und Äquator. Der neue internationale Meter wurde 1893 auch in Deutschland eingeführt. Friedrich Wilhelm Bessel (1784 bis 1846), Direktor der Sternwarte in Königsberg, stellte durch genauere Beobachtung und Berechnung fest, dass die angegebenen 10.000.000 m oder 10.000 km jedoch nicht ganz exakt der Länge eines Erdquadranten entsprechen – der daraus abgeleitete Meter ist tatsächlich 0,22883 mm zu kurz. Nun ja. Nach diversen weiteren Festlegungsversuchen verwendet man seit 1960 für die Definition des Meters ein anderes Naturmaß, nämlich die Wellenlänge des Lichtes in der orangen Spektrallinie eines Isotops des Elements Krypton (86Kr), genauer die Strahlung beim Übergang vom 5d- zum 2p10-Zustand: 1 m ist das 1 650 763,73-Fache dieser Wellenlänge.

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