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Das Meer hat Beulen

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In den folgenden Jahrzehnten wurde der als Normalnull (NN) bezeichnete Amsterdamer Pegel (Normaal Amsterdams Peil; NAP) auch in den angrenzenden Nachbarländern eingeführt – so in Preußen im Jahre 1877 für den Höhenbezug der Landvermessung anlässlich der Preußischen Neuaufnahme (1877/78). Weil jedoch im damaligen Preußen keine brauchbare NN-Markierung einzurichten war, erhielt die alte Berliner Sternwarte am 22. März 1879 eine Tafel, deren Strichmarke mit 37,000 m ü. NN angegeben war und den Normalhöhenpunkt (NH) darstellte – festgelegt durch eine für damalige Verhältnisse uneingeschränkt bewundernswert exakte Niveauübertragung von Amsterdam per Horizontalpeilung. Diese Marke war fortan der generelle Referenzpunkt für alle weiteren Höhenbestimmungen in Deutschland. Darauf bezogene und übertragene Höhenmarken finden sich bis heute an vielen Stellen im ehemaligen Preußen. So erhielt auch die Westseite des Südportals vom Kölner Dom im Jahre 1895 eine Höhenmarke mit der eingravierten Höhenangabe 54,419 (m ü. NN) – eine Niveaufestlegung auf 0,1 mm genau. Da die alte Berliner Sternwarte 1912 abgerissen wurde, hat man den ursprünglichen NH durch fünf neue Normalhöhenpunkte in Hoppegarten ersetzt. Diese waren jedoch nach 1961 (Mauerbau) für die westdeutschen Vermessungsbehörden nicht mehr zugänglich. Deswegen wurde nach umfangreichen Neuvermessungen des (west-)deutschen Haupthöhennetzes im Jahre 1986 ein neuer Höhenanschlusspunkt an den immer noch verbindlichen Amsterdamer Pegel eingerichtet, der gleichzeitig Bestandteil des europäischen Nivellementnetzes UELN ist. Er befindet sich in vertretbarer Mittelpunktlage der alten Bundesländer auf 92,6816 m ü. NN an der Kirche von Wallenhorst nördlich von Osnabrück.

Damit wäre der Bezugsrahmen fixiert. Wenn jetzt nur nicht die langfristigen Veränderungen mit Landsenkungen oder -hebungen als Spätfolgen der Nacheiszeit oder der aktuelle klimatisch bedingte Meeresspiegelanstieg wären … Er beträgt gegenwärtig, wie genaueste Satellitenmessungen ergaben, rund 3 mm im Jahr und geht im Wesentlichen auf die kubische Ausdehnung des Meerwassers durch Erwärmung zurück. Ein besonderes Problem liefern natürlich auch die gar nicht so geringen Senkungsgebiete in der Folge des Bergbaus – so vor allem im Ruhrgebiet. Die komplexen Raumbewegungen eines ausgewählten Bezugspunktes sind im Ruhr-Museum (Bochum) eindrucksvoll dargestellt.


2.17 Gelegentlich geht es hoch her: Hochwassermarken im Hafen von Husum.

Dieser Nachteil ließe sich eventuell durch eine in regelmäßigen Zeitabständen durchzuführende Neufestlegung des NN-Pegels in Amsterdam ausgleichen. Dabei ist aber gar nicht so ohne Weiteres zu unterscheiden, ob die mittelfristig eingetretene Lageveränderung der NN-Linie (Mittelwasserlinie) eine Landsenkung und/oder einen objektiven Anstieg des Meeresspiegels abbildet.

Die Sache ist sogar noch etwas verzwickter. Kehren wir dazu noch einmal auf den Zugspitzgipfel zurück. Wenn man im Wettersteingebirge mit österreichischem Kartenmaterial unterwegs ist, wird einem darauf die Höhe des Zugspitzgipfels mit 2962,33 m angegeben – und damit tatsächlich um 27 cm höher als der in Deutschland gültige Wert. Druckfehler? Andere Messtechnik? Falsche Berechnung? Oder gar österreichischer Eigensinn? Der Grund dafür liegt ganz einfach darin, dass man in Österreich – weil man doch in habsburgisch gloriosen Zeiten tatsächlich einen Anteil an der Mittelmeerküste hatte – als Referenzwert für die Höhenangaben nicht den Amsterdamer, sondern eben den Triester Pegel von 1875 mit dem mittleren Wasserstand der Adria verwendet, und der liegt 27 cm unter NN. In der Schweiz nimmt man übrigens einen Felsblock im Genfer See als Referenzpunkt, der vom Pegel in Marseille abgeleitet ist und ziemlich genau 8 cm unter NN liegt. Solche Unterschiede haben Konsequenzen. Ein Brückenneubau am Hochrhein wäre beinahe schief- bzw. drunter und drüber gegangen, weil man diese feinen Unterschiede im Höhenbezug nicht berücksichtigt hatte – die linksrheinischen Ingenieure peilten nach dem Marseiller, die rechtsrheinischen nach dem Amsterdamer Pegel. Und noch ein weiteres Kuriosum zu diesem Thema: In der ehemaligen DDR richtete man sich bei allen Höhenangaben – politisch konsequent korrekt – nach dem Kronstadter Ostseepegel beim heutigen Sankt Petersburg mit der Pegelmarke 14 cm unter NN.

Offensichtlich ist der Meeresspiegel also doch keine wirklich ideale, überall gleichförmige oder gar ziemlich einfache Bezugsbasis. Die Normalnullfläche ist nämlich der tatsächlichen Erdgestalt, dem heute beinahe zentimetergenau bekannten Geoid nur relativ schlecht angenähert – die sogenannte Potsdamer Kartoffel (Abb. 2.13) macht sich eben auch bei der Meeresoberfläche sichtlich bemerkbar. Der Grund ist leicht zu erkennen. Die Wassermassen der Erde werden durch die Schwerkraft der Erde und zusätzlich durch Beschleunigungskräfte infolge der Erdrotation auf einem bestimmten Niveau gehalten. Nun ist wegen der beträchtlichen Dichteunterschiede im Erdinneren das Schwerefeld der Erde überhaupt nicht völlig gleichförmig und weist daher deutliche regionale oder sogar lokale Unterschiede auf. Daher kann der Meeresspiegel nicht an allen Küsten auf exakt der gleichen Abstandsfläche vom Erdmittelpunkt liegen und weicht deshalb in anderen geographischen Regionen zentimeterweise vom Amsterdamer NN ab. Selbst im Bereich der deutschen Nordseeküste gibt es messbare, nach Zentimetern zu beziffernde Abweichungen vom Amsterdamer Pegel. Auch beim Bau des Panamakanals staunte man nicht schlecht: Der Wasserspiegel des Pazifiks liegt an der Kanalmündung bei Panama City bemerkenswerte 14 cm tiefer als derjenige des Atlantiks an der Kanaleinfahrt bei Colón.

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